Final Countdown: Angelique Kerber will gar nichts wissen vom Rechenschieber

Von Ulrike Weinrich
Angelique Kerber, Sloane Stephens
© getty

Höhere Mathematik könnte gefragt sein, wenn am Freitag beim WTA-Finale in Singapur die Entscheidung über die letzten beiden Halbfinalistinnen fällt. Angelique Kerber muss gegen Sloane Stephens eigentlich nur in zwei Sätzen gewinnen, um nicht den Rechenschieber auspacken zu müssen. Natürlich ist das leichter gesagt als getan.

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340 Meter lang ist die Wohlfühloase von Angelique Kerber in diesen Tagen. Und sie schwebt 191 Meter über dem Boden. Von weitem sieht der Dachgarten des Marina Bay Sands Hotels wie ein überdimensionales Surfbrett aus, das über Singapur thront.

Der integrierte Swimmingpool ist der höchste der Welt. Zutritt zum Paradies im 57. Stock haben nur Hotelgäste. Ausschließlich. Keine Chance also zum Reinschmuggeln, denn jeder einzelne braucht seine eigene Zimmerkarte, damit sich das Tor zum palmenbesäumten Märchenland im Stadtstaat öffnet.

Am Pool hat Kerber an ihrem freien Tag vor dem Match gegen Naomi Osaka (6:4, 5:7, 6:4) ein wenig Zeit verbracht, sie hat dort nach dem Training relaxt, die Seele baumeln lassen, "einfach mal nichts gemacht", wie sie sagte. Es war offenbar eine gute Vorbereitung, denn im Duell mit der japanischen US-Open-Siegerin zeigte Kerber am Mittwoch all die (Kämpfer-)Qualitäten, die sie auszeichnen.

Kerber müde, "aber ich fühle mich nicht schlecht"

Die Wimbledonsiegerin machte nach dem knapp 2:30-stündigen Match keinen Hehl daraus, dass sie die Folgen der langen Saison spürt. Physisch, klar - aber sicher auch mental. "Aber ich fühle mich nicht schlecht", meinte Kerber, die ihre Schlageinheiten in den vergangenen Tagen ein wenig verkürzt hat. 30 bis 40 Minuten statt 60 oder sogar 90 Minuten, so lautet die Erfolgsformel.

Apropos Formel. Der letzte und alles entscheidende Spieltag der Roten Gruppe am Freitag droht zur mathematischen Diplomarbeit zu werden. Alle vier Spielerinnen haben noch theoretische Chancen, das Halbfinale am Samstag zu erreichen. Hier die Szenarien in der Übersicht.

Bei einem Zweisatzsieg gegen Stephens ist "Angie" sicher weiter

Die beste Version: Kerber gewinnt in zwei Sätzen gegen Stephens, dann steht sie ganz sicher in der Vorschlussrunde des mit 7,0 Millionen Dollar dotierten Hallenspektakels im Sports Hub.

Bei einem Dreisatz-Erfolg der Kielerin könnte im Dreiervergleich mit Stephens und Bertens (falls diese auch in drei Sätzen gegen Osaka gewinnt) letztlich sogar die höhere Prozentzahl der gewonnenen Spiele in den Gruppenmatches ausschlaggebend sein.

Bei einer Niederlage wäre Kerber definitiv ausgeschieden. Der Vorteil: Ihre Partie am Freitag ist als zweite angesetzt. Bertens und Osaka müssen vorher ran. Was bedeutet: Kerber weiß theoretisch, welches Ergebnis ihr zum Weiterkommen reichen würde.

"Ich muss das Match in meine Hände nehmen"

Doch die Weltranglistenzweite, wegen des Fehlens von Branchenführerin Simona Halep in Singapur topgesetzt, möchte davon gar nichts wissen. Kerber will einfach rausgehen - und gewinnen. Der Sieg der Moral gegen Osaka diente dabei als Booster, um auf der Zielgerade dieser für sie so gut verlaufenen Saison noch einmal die allerletzten Kräfte zu mobilisieren.

Das wird auch nötig sein, "denn ich weiß, dass es gegen Sloane lange Ballwechsel geben wird", meinte Kerber und gab verbal schon einmal die Richtung vor: "Ich muss aggressiv sein und das Match in meine Hände nehmen. Das ist das Ziel." French-Open-Finalistin Stephens führt im direkten Vergleich mit 4:1-Siegen gegen Kerber.

Ein gutes Omen vielleicht: In Singapur sind bis auf den in der vergangenen Woche gefeuerten Coach Wim Fissette alle dabei, die auch schon bei ihrem Wimbledoncoup Mitte Juli in ihrer Box saßen. Allen voran Mutter Beata.

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