Genie Bouchard nach Quali-Aus: Zwischen Schein und Sein

Eugenie Bouchard
© getty

Eugenie Bouchard, Halbfinalistin von Roland Garros im Jahr 2014, ist gestern in der ersten Quali-Runde ausgeschieden - ob sie noch mal zu alter Form findet, scheint fraglicher denn je.

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Als Genie Bouchard vor vier Jahren überraschend ins Wimbledon-Finale preschte, herrschte am Zeitungsboulevard von London mal wieder der Ausnahmezustand. "Vergesst Maria, vergesst Serena. Hier kommt Genie", lautete die Schlagzeile des Daily Star über die hübsche, äusserst tüchtige Kanadierin. Und die "Sun", das grelle Revolverblatt, titelte damals: "Golden Girl gewinnt die Herzen in Wimbledon. Die Ära Genie hat begonnen."

Zwar gewann dann die Tschechin Petra Kvitova den Höchstpreis auf dem berühmtesten aller Centre Courts, doch an Bouchards glänzenden Zukunftsperspektiven konnte das scheinbar nichts ändern. "Sie ist ein Champion der Zukunft. Sie wird das Tennis der nächsten Jahre mitbestimmen", befand Martina Navratilova am Mikrofon der BBC.

Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen, soll Mark Twain einmal gesagt haben, der amerikanische Schriftsteller. Der Irrtum im Fall Bouchard wirkt allerdings erheblich. Denn aus der Machtposition im Welttennis, sogar der Führungsposition wurde ganz und gar nichts für die inzwischen 24-jährige Kanadierin, stattdessen erlebten Fans und Experten einen schleichenden, unaufhaltsamen Niedergang.

Bis zu jenem Moment am Mittwoch auf einem Außenplatz der Pariser Turnieranlage Roland Garros, in dem Bouchard ihr French Open-Qualifikationsmatch gegen die Slowenin Dalila Jakupovic aufgab - vermeintlich wegen einer Verletzung, aber wer weiß das schon so genau bei dem "gefallenen Engel" (New York Daily News), bei der auf Platz 167 der Weltrangliste abgestürzten Athletin.

Swimsuit-Aufnahmen als Highlight 2018

Längst hat Bouchards gescheiterte Karriere die Spottdrosseln und Zyniker auf den Plan gerufen. Bouchards größter Erfolg in diesem Jahr, so machten sich Tennis-Betrachter auf Twitter lustig, sei die neuerliche Aufnahme in die berühmte Swimsuit Edition des US-Magazins Sports Illustrated gewesen.

Auch Vergleiche mit der russischen Schönheit Anna Kournikova lagen vielen nicht fern: Bouchard sei so etwas wie "Kournikova 2.0", hieß es, ihr Beruf sei wohl eher "Model" als "Tennisspielerin." Richtig ist in jedem Fall: Bouchard ist nicht nur Zielscheibe giftiger Kritik in der virtuellen Welt, sondern auch ein modernes Internet-Phänomen.

Auf Instagram folgen der Kanadierin mehr als 1,7 Millionen Menschen, weit mehr als der aktuellen Weltranglisten-Ersten Simona Halep oder auch der zweimaligen deutschen Grand Slam-Siegerin Angelique Kerber. Nur Serena Williams und Maria Sharapova haben deutlich mehr Follower als Bouchard, die ziemlich unverhüllt auf laszive Motive setzt - Sex sells, selbst wenn es auf dem Tennisplatz nicht mehr stimmt.

Während Bouchard in den sozialen Medien weiter mühelos in den Top Ten mitspielt, sogar geschlechterübergreifend, herrscht am eigentlichen Arbeits-Platz seit längerer Zeit Tristesse. Fast scheint der Siegeslauf, den Bouchard im Frühling 2014 erlebte, ein wenig unwirklich: Sieg bei der Premiere des Nürnberger Turniers, Halbfinale bei den French Open, Finale in Wimbledon, Sprung auf Platz 5 der Tennischarts - es war ihr Moment, ihre große, aber flüchtige Zeit des sportlichen Ruhms.

Schlagzeilen machte sie später vor allem abseits der Courts, als Internet-Größe "zwischen Sein und Schein" (The Guardian) und dann auch als Hauptperson eines spektakulären Prozesses, den sie gegen den US-amerikanischen Tennisverband USTA führte.

Bei den US Open 2015 war die Kanadierin in einer Umkleidekabine ausgerutscht und hatte sich dabei auch eine Gehirnerschütterung zugezogen. Die millionenschwere Klageforderung gegen die USTA begründete Bouchard auch damit, sie sei seitdem in eine Abwärtsspirale geraten, habe sich nie wirklich erholt von dem Zwischenfall. Viele in der Tennisbranche betrachteten Bouchards Vorgehen, den Prozess überhaupt als zweifelhaft, aber im Februar 2018 bekam sie größtenteils recht - und eine millionenschwere Entschädigungssumme zugesprochen.

Hat Genie Bouchard ihre Zukunft schon hinter sich?

Bouchard erklärte danach, sie wolle nun "erleichtert und glücklich" auf den Tennisplatz zurückkehren, es hörte sich an, als könne das Gerichtsurteil so etwas wie eine Initialzündung erzeugen. Aber Bilder von großen Siegen gab es bei Bouchards Instagram-Acoount dann nicht zu sehen, sondern die üblichen Posen mit viel Haut, sexy Genie eben.

2016, nach dem US Open-Sturz, hielt sich Bouchard immer noch wacker unter den Top 50, in der Saison danach kratzte sie bereits nach unten an der magischen Hunderter-Grenze. Nun geht die Tendenz in Richtung 200 für eine Athletin, an deren professioneller Ernsthaftigkeit auch die meisten Kolleginnen zweifeln. "Hübsche Bildchen, aber nichts dahinter", sagt eine Topspielerin aus dem Osten Europas, "sie hat ihre Zukunft hinter sich."

Viele, die in der Branche über Bouchard sprechen, erinnern dann an Petra Kvitova, die Frau, die vor vier Jahren gegen Bouchard in Wimbledon gewann. Kvitova wurde im Dezember 2016 in ihrer Wohnung von einem Einbrecher schwer an der Hand verletzt, ihre Karriere war wirklich in Gefahr. Doch nach einem energischen Comeback spielt sie wieder in der Weltspitze mit, gilt nun sogar als Mitfavoritin in Paris und Wimbledon. Bei Grand Slam-Turnieren, bei denen Bouchard nicht mal mehr eine Nebenrolle spielt.

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