Davis Cup 1988: Becker, Steeb und das Wunder von Göteborg

Von tennisnet/SID
Boris Becker und Niki Pilic - im Davis Cup ein kaum zu schlagendes Doppel
© Jürgen Hasenkopf

Am 16. Dezember 1988 gewann Carl-Uwe Steeb das Match seines Lebens gegen den damals schier unschlagbaren Mats Wilander. Mit dem "Wunder von Göteborg" legte er den Grundstein für den ersten deutschen Davis-Cup-Sieg.

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Natürlich hat der Rote damals den alles entscheidenden Matchball verwandelt. Die Lichtgestalt Boris Becker und der Stoiker Eric Jelen machten am dritten Advents-Wochenende 1988 eine der vielen Sensationen jener wunderbaren Tennisjahre perfekt. Sie schlugen das schwedische Weltklassedoppel Anders Järryd/Stefan Edberg zum ersten deutschen Davis-Cup-Sieg der Geschichte. Zwei weitere folgten. "Keiner war so schön wie der von 1988", sagt Carl-Uwe Steeb.

Jener Carl-Uwe Steeb hatte tags zuvor 12.500 entsetzte Zuschauer im Scandinavium in eine kollektive Schockstarre versetzt - mit einem Sieg, der als das Wunder von Göteborg in die deutsche Sportgeschichte einging. Der 21 Jahre alte Linkshänder zwang den als unschlagbar geltenden Weltranglistenersten Mats Wilander in fast fünf Stunden und fünf epischen Sätzen in die Knie. "Es war das Match meines Lebens", sagt Steeb. "Etwas Größeres habe ich im Sport nie erlebt".

Ungleiches Duell gegen favorisierte Schweden

Die Vorzeichen waren eindeutig, als die deutsche Mannschaft mit ihrem Kapitän Niki Pilic in Göteborg eintraf. Selten hatte es einen klareren Favoriten gegeben als Gastgeber Schweden mit der Nummer eins Mats Wilander, dem amtierenden Wimbledonsieger Stefan Edberg und dem Paradedoppel Edberg/Järryd. Dagegen stand vermeintlich ganz alleine der ikonische Held Boris Becker mit den Debütanten Charly Steeb und Patrik Kühnen sowie dem stillen Eric Jelen. Ein ungleiches Duell.

Die deutschen Spieler sahen das gar nicht so. Vor allem die Nominierung von Edberg bezeichnet Steeb heute als "großen taktischen Fehler". Der rote Sand im Scandinavium lag dort allein für Wilander, "Edberg", sagt Steeb, "fühlte sich auf diesem Belag nie wohl". Okay, Becker ja eigentlich auch nicht, aber "wir wussten, dass Boris den Edberg schlägt". Was er dann auch sehr humorlos in drei schnellen Sätzen tat, gerade mal zwei Stunden nach Steebs Matchball gegen Wilander stand es 2:0 für Deutschland.

Boris Becker war der Anführer

Das deutsche Erfolgsgeheimnis war so einfach wie effektiv. "Ich war der Anführer", sagt Becker, "aber ohne die Jungs hätte ich es nicht geschafft". Die Jungs, der Eric, der Charly und der Patrik, folgten dem Boris bedingungslos. "Die Hierarchie war ganz klar", sagt Becker, "aber vor allem waren wir Freunde. Ja, echte Freunde."

Diese vier Freunde waren auf dem Weg ins Finale wie ein Wirbelsturm durch das Davis-Cup-Jahr 1988 gefegt. 5:0 gegen Brasilien, 5:0 gegen Dänemark, 5:0 gegen Jugoslawien. "Das war Rock'n'Roll", sagt Kühnen, "pures Adrenalin, ein wilder Ritt". Sie trafen sich aber nicht nur auf dem Tennisplatz, der Boris, der Charly, der Eric und der Patrik ließen es auch gerne mal privat zusammen krachen. "Und", sagt Becker, "wir hatten großen Respekt voreinander."

Ein Krater in der schwedischen Tennis-Seele

Zurück zu diesem Matchball im Doppel von Göteborg. Jelens erster Aufschlag geht ins Aus. In der Box hört Kühnen auf zu atmen. Steeb starrt reglos ins Nichts. Becker spricht noch kurz mit seinem Schläger. Jelen betrachtet andächtig den Ball in seiner linken Hand, dann trudelt sein zweiter Aufschlag behäbig über das Netz und tropft ins Feld.

Edberg jagt den Return zurück. In Beckers Augen flackert ein eisblaues Feuer, sein rechter Arm wird zu Stahl. Der Rückhand-Volley reißt einen Krater in den Platz und in die schwedische Tennis-Seele. "Eine schöne Erinnerung", sagt Becker. Wie so viele an jene wunderbaren Jahre.

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