Davis-Cup-Erinnerungen - Muster, "Gojo" und ein Griffband um die Stirn

Von tennisnet
Thomas Muster besiegt Michael Chang im September 1990
© GEPA

Der Davis Cup (6. bis 8. April LIVE auf DAZN) lebt. Und das tut der traditionsreichste Mannschafts-Wettbewerb im Herren-Tennis auch in der Erinnerung unserer Redakteure.

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Ein-Satz-Horsti und Übertragungsprobleme

"Ich habe schon immer ein leichtes Davis-Cup-'Problem'. Nicht falsch verstehen, ich mag den Davis Cup! Aber das Konzept, zwingend fürs eigene Land zu jubeln, auch wenn jemand antritt, den ich im regulären Touralltag nicht leiden kann - neee. Mein Jugendheld war Horst Skoff, und so hielt ich, obwohl ich aus Deutschland komme, beim legendären Duell Österreich gegen Deutschland im Frühjahr 1994 für Horsti und Co.

An das Drama in der Schwarzl-Halle erinnert sich vermutlich jeder Tennisfan: Am entscheidenden Sonntag kämpfte Thomas Muster zunächst Michael Stich mit 12:10 in Satz fünf nieder, im Anschluss sollte es Horst Skoff gegen Marc-Kevin Goellner richten. Das Problem: Nach Durchgang eins schaltete der in Deutschland übertragende Sender Sat.1 zu einem Fußballspiel. Wie das Match und somit das gesamte Duell ausging? Meine tausendfach abgespielte Videokassette (ich konnte zu meinen Glanzzeiten den Kommentator und die Werbung mitsprechen!) endet mit einem Horsti-Service-Winner zum 6:3-Satzgewinn. Den weiteren Verlauf des Spiels und den Ausgang der Begegnung habe ich bis heute erfolgreich verdrängt." (Florian Goosmann)

Feiertage im Wiener Prater und Muster mit dem Griffband

"Unterpremstätten gut und schön. Aber das erste ganz große Ausrufezeichen im österreichischen Teamtennis hat es im Wiener Prater gegeben. September 1990, ziemlich genau eineinhalb Jahre nach dem Unfall von Thomas Muster in Key Biscyane. Geladen waren die USA, zur Disposition stand das Finale des Davis Cup. In einem Fußballstadion, dem größten des Landes.

Die Idee war, die Amerikaner im tiefen Sand zu vergraben. Muster und Horst Skoff sollten dafür verantwortlich zeichnen. Nun konnten Michael Chang und Andre Agassi aber durchaus kompetent wühlen, der eine hatte im Jahr zuvor Paris gewonnen, der andere war 1990 eben dort im Finale gestanden.

Die Tickets waren kaum länger als eine halbe Stunde auf dem freien Markt, aber irgendwie hatte eines den Weg in die tiefste Steiermark gefunden. Für den Freitag, den der Autor also im Praterstadion verbringen durfte.

Horst Skoff mühte sich gegen Agassi redlich, letzterer hatte in der Regel aber immer die bessere Antwort parat. Thomas Muster hatte im Anschluss keinen Spielraum mehr, musste Chang besiegen, damit die Österreicher in der Verlosung blieben. Und darauf konnte man sich verlassen: Dass Muster in den großen Davis-Cup-Momenten sein bestes Tennis zeigte.

So auch zwei Tage später im Einzel gegen Agassi, mithin wohl das perfekteste Match, das Muster in diesem Wettbewerb jemals abgeliefert hat (die Partie gegen Michael Stich mit eingeschlossen). Nicht ganz stilsicher zugegeben, aber wenn sich Muster ein Griffband um die Stirn gewickelt hat, wer waren dann wir im lokalen Club, die es ihm nicht gleichtaten?

Der zweite (Doppel-Niederlage Muster/Antonitsch gegen Leach/Pugh) und dritte Tag aber wurde schon nur noch vor dem TV-Gerät inhaliert, auch die abschließende Niederlage von Skoff gegen Chang - nach Verlängerung.

Wir haben uns damit getröstet: Im Finale gegen Australien hätten wir wahrscheinlich sowieso verloren. Aber angeschaut hätten wir es uns schon gerne." (Jens Huiber)

Heldengeschichten aus Frankreich

"Die jüngere deutsche Davis-Cup-Geschichte ist nicht besonders reich an erinnerungswürdigen Glanzleistungen. Wenn ich allerdings an den völlig überraschenden Sieg von Peter Gojowczyk gegen Jo-Wilfried Tsonga 2014 in Nancy zurückdenke, ist das Gänsehaut-Feeling sofort wieder präsent. Ein von Krämpfen geplagter Außenseiter bezwingt den haushohen Favoriten in fünf dramatischen Sätzen in dessen Heimatland - das sind doch die Geschichten, die die Faszination dieses Wettbewerbs ausmachen.

'Das muss man einfach fühlen und spüren', hatte der damalige Teamchef Carsten Arriens treffend formuliert. Und genau dieses Gefühl macht den Davis Cup für mich so liebenswert: David alias 'Gojo' spielt das Match seines Lebens und besiegt Goliath Tsonga vor frenetischer Kulisse mit all den schönen Randerscheinungen, die so nur im Davis Cup zu bewundern sind." (Björn Walter)

"Rusty" Hewitt als James Dean im Mini-Sportwagen

"Meine erste Dienstreise. Und dann gleich ans andere Ende der Welt. Davis-Cup-Viertelfinale: Australien gegen Deutschland. Ausgerechnet. Aber je länger ich im jungen Volontärsalter über den überraschend zugeteilten Trip im April 2000 nachdachte, umso sympathischer wurde mir das Abenteuer Down under. Noch dazu, weil Australien für mich eigentlich nur ein Synonym war. Für ihn: Lleyton Hewitt. Blond, frech, wild, damals gerade 19 Jahre jung geworden - und vor allen Dingen eines: Echt cool.

Es ging also nach Adelaide...in die charmante Küstenstadt am Saint-Vincent-Golf, die zufälligerweise auch die Geburtsstadt von Hewitt ist. Der Teenie war zu dieser Zeit die Nummer elf der Welt - und wegen seines losen Mundwerks schon ein paarmal negativ aufgefallen bei seinen ansonsten recht relaxten Landsleuten.

Mir hat er in diesen Tagen imponiert. Zum Training auf die Rasenplätze am Memorial Drive im Norden von Adelaide kam Hewitt ganz unaufgeregt mit seinem kleinen, nicht mehr nagelneuen MX-5-Cabriolet gefahren. Tür auf - Schlägertasche raus - Tür zu. So lässig. Wie James Dean, dachte ich. Gesagt habe ich das keinem.

Im Jahr darauf wurde er die jüngste Nummer eins der Welt. Diesen Rekord hält der aktuelle Kapitän der australischen Davis-Cup-Mannschaft noch heute. Und Hewitt war damals bei seinem Heimspiel nicht cool, sondern auch erfolgreich. Er gewann das Auftakteinzel gegen den derzeitigen deutschen Teamchef Michael Kohlmann glatt in drei Sätzen.

Team Australia siegte im April 2000 mit 3:2 gegen die DTB-Auswahl (Kohlmann, Rainer Schüttler, David Prinosil, Marc-Kevin Goellner). Die Entscheidung zugunsten der Gastgeber war aber schon im Doppel gefallen. Dort spielte Hewitt nicht, aber danach stieg er wieder in seinen XXL-Flitzer. Und brauste davon. Ganz James-like." (Ulrike Weinrich)