Widerstand gegen geplante Davis-Cup-Reform: "Ruhe in Frieden"

Von Jörg Allmeroth
Juan Martin del Potro umarmt die Davis-Cup-Trophäe
© getty

Die aufsehenerregenden Pläne für eine Davis-Cup-Reform enthalten mehr als nur Schönheitsfehler. Der Wettbewerb wird seines Markenkerns beraubt. Es gibt bereits heftigen Widerstand: "Ruhe in Frieden, alter Davis Cup", lautet das Protest-Motto.

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David Haggerty ist ein Mann, der gern heiter in die Welt blickt. Der Präsident des Tennis-Weltverbands ITF lächelt immer, selbst dann, wenn es weh tut. Er hat auch gelächelt, als ihm seine Mitgliedsnationen bei der Vollversammlung des letzten Jahres in Ho-Chi-Minh-Stadt eine bittere Niederlage beibrachten. Damals wollte Haggerty eine gemeinsame Finalwoche für den Davis Cup und den Fed Cup an einem neutralen Ort durchdrücken, aber die notwendigen Stimmen bekam der Amerikaner dann nicht zusammen und setzte das Projekt von der Tagesordnung ab. Später scheiterte der Tennisboss auch noch daran, die Matches im Davis Cup auf bloß noch zwei Gewinnsätze zu verkürzen - jedes Mal hatte das Misstrauensvotum gegen Haggerty auch mit seiner entschiedenen Hinterzimmerdiplomatie zu tun, mit Geheimniskrämerei, mit brüskierten Verbänden, die er nie in seinen Entscheidungsprozess mit einbezog.

Nun aber hat Haggerty, ein früher nur mäßig erfolgreicher Manager der Tennis-Ausrüsterindustrie, seiner Reformwut die Krone aufgesetzt - mit einer sogenannten Reform, die zu nichts anderem führt, als den Davis Cup seines Markenkerns zu berauben und abzuschaffen. Den bisherigen Modus von Heim- oder Auswärtsspielen - und damit aber auch das prickelnde Fanerlebnis - will der Weltverband mit einer Turnierwoche im November ersetzen, vermutlich zunächst irgendwo in Asien, mit Hilfe von massiven Staatssubventionen vor Ort.

Hordorff empört: "Es wird ein Wettbewerb nach Schaukampf-Muster kreiert"

18 Nationen sollen am "World Cup of Tennis" teilnehmen, darunter auch die 16 Nationen aus der Weltgruppe. Es soll zunächst im Gruppenformat gespielt werden, dann im Knockout-Format. Partner der ITF soll eine Holding namens Kosmos werden, deren Gründer und Frontmann der spanische Fußball-Profi Gerard Pique ist - nicht weniger als drei Milliarden Dollar verspricht dieses Konsortium den Tennisfunktionären für die nächsten 25 Jahre des Deals. Ein "Festival des Tennis und des Entertainments" werde der "World Cup", sagte Haggerty.

Der zunächst größte, allerdings zwiespältige Erfolg des ITF-Oberhäuptlings war der, viele, selbst einflussreiche Leute im Welttennis mit diesem Vorschlag auf dem falschen Fuß erwischt zu haben. Weder der Spielerrat der Profigewerkschaft ATP noch wichtige Verbandsnationen wurden konsultiert, kein Wunder, dass am Dienstag ein europäischer Verbandschef entrüstet befand, die ITF habe die "Seele des Davis Cup still und heimlich verkauft." Deutschlands Tennisverband DTB meldete sofort seine Opposition an. "Hoffentlich finden sich genügend Nationen, die dafür sorgen, dass der Verbandspräsident nach der nächsten Wahl nicht mehr David Haggerty heißt", erklärte DTB-Vize Dirk Hordorff sogar. Mit seinen Plänen habe Haggerty ein noch "größeres Desaster als je zuvor" geschaffen, so Hordorff, statt einer milden Reform, die die Geschichte und Tradition des Davis Cup aufnehme, werde ein Wettbewerb nach Schaukampf-Muster kreiert.

"Mitte November in Asien, da kann man nur den Kopf schütteln"

Natürlich hat der Davis Cup in den letzten Jahren an Relevanz und Rückhalt verloren, viele Topspieler blieben ihm fern oder spielten nur noch sporadisch. Der Terminkalender im Tennis ist übervoll, zu strapaziös in einer Zeit, in der die Matches immer intensiver und herausfordernder werden. Viele laufen zudem auch gern dem schnellen Geld bei Schaukämpfen hinterher, trotz aller Strapazen im Arbeitsprogramm. Es gab indes weithin unterstützte Pläne, den Wettbewerb zu verschlanken, ihn nur alle zwei Jahre zu veranstalten. Oder über zwei Jahre zu veranstalten, mit dann weniger Terminen pro Saison. Haggertys Pläne hätten nun aber gar nichts mit dem Davis Cup zu tun, kritisiert einer wie der frühere Weltrangölisten-Erste Jewgeni Kafelnikow: "Damit pfeift man auf die Tradition. Das ist das Ende des Davis Cup." Frankreichs Davis Cup-Held Paul-Henri Mathieu, einst der legendäre Matchwinner im Finalduell gegen Russland, twitterte: "Ruhe in Frieden, alter Davis Cup."

"Bahnbrechend" sei der neue Deal für das Welttennis, gab Pique zu Protokoll, der Fußball-Superstar und offizielle Geldgeber. Um große Worte darf er auch nicht verlegen sein, es ist, trotz allem PR-Geklingel, ein riskantes Investment, ein Pokerspiel. Denn eine große Frage bleibt: Kann dieser "World Cup" wirklich eine Attraktion für viele notorisch überlastete Spieler sein - mit einer Terminidee am Ende der Saison. Bisher hört die Serie im Wanderzirkus für die meisten Spieler Ende Oktober auf, nun müssten die Ferien noch drei Wochen länger warten. "Bei den meisten wird sich die Freude in engen Grenzen halten", sagt ein ATP-Profi beim Turnier in Dubai, unter dem Deckmantel der Anonymität, "Mitte November in Asien, da kann man nur den Kopf schütteln. Es wird, Geld hin oder her, viele Absagen geben."

Kosmos-Holding hatte zuvor vergeblich mit ATP verhandelt

Tatsächlisch gehört schon der frühherbstliche Ausflug nach Asien zum quälenden, mehr als ungeliebten Pflichtprogramm der Profis. Nun winkt die Perspektive, nach den Wettbewerben im September und frühen Oktober noch einmal im November die Klima- und Zeitumstellung hinnehmen zu müssen, für die Topstars käme die World-Cup-Woche sogar direkt nach der ATP-WM in London. Pikant genug, dass die Kosmos-Holding um Pique zuvor vergeblich mit der ATP um einen neuen World Team Cup nach Düsseldorfer Muster verhandelte - ehe man das Projekt nun als Davis-Cup-Radikalerneuerung verkaufte. "Das alles hat keinerlei Substanz. Und keiner weiß so genau, wo das Geld letztlich herkommen soll", sagt Hordorff, der DTB-Mann.

Großbritanniens frühere Chefin des nationalen Damentennis-Teams, Judy Murray, wies in einem ironischen Tweet auf eine weitere Ungereimtheit des Reformvorhabens hin. "Ich warte auf einen Plan für die Transformation des Fed Cup", schrieb die Mutter von Andy Murray, offenbar entsetzt, dass der Weltverband sich rein auf einen Plan für den Herrentennis-Wettbewerb konzentrierte. Immerhin hatte ITF-Chef Haggerty noch vor Jahresfrist ein gemeinsames Saisonfinale für Herren und Frauen beabsichtigt. Bei dem Amerikaner sei indes vor allem eins bemerkenswert, so ein ATP-Topfunktionär: "Die Geschwindigkeit und Wendigkeit, seine Pläne zu ändern."

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