Aufbruchstimmung in Frankfurt

Davis-Cup-Team Deutschland
© getty

Die erwartete 2:0-Führung für das deutsche Davis-Cup-Team in der Partie gegen Belgien blieb zwar aus, aber in der Fraport Arena in Frankfurt herrschte trotzdem eine ausgelassene Stimmung.

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Wer den Schaden hat, braucht sich über ein paar Spötteleien nicht zu beklagen. Und so unkten ein paar Schmähredner am frühen Freitagabend in der Frankfurter Fraport-Arena denn auch gleich, Philipp Kohlschreiber habe mit seiner durchaus dramatischen Fünf-Satz-Niederlage bloß dafür sorgen wollen, dass am Abschlusstag einer Davis-Cup-Partie Spannung erhalten bleibe und nicht ein ähnliches Chaos ausbrechen könne wie noch vor drei Jahren gegen Spanien an gleicher Stätte. Aus einem eigentlich sorgenfreien Sonntag war, bei 3:0-Führung, damals ja ein schwarzer Sonntag geworden, weil keiner der Profis mehr Antrieb gezeigt hatte, sich auf den Centre Court zu stellen. Bekanntlich wurden dann auch noch Streichhölzchen gezogen, um den zu ermitteln, der spielen sollte - es war eines der düstersten Kapitel in der deutschen Tennis-Länderspielgeschichte.

Aber gefühlt lag und liegt das an diesem Davis-Cup-Wochenende eine Ewigkeit zurück. Und Kohlschreibers Matchverlust ließ sich ja abseits zynischer Belustigungen ganz einfach erklären - er hatte einfach nicht den Punch, um seine reichhaltigen Vorteile und Vorsprünge in einen Sieg umzuwandeln, selbst eine 4:1-Führung in Satz 5 reichte nicht zum 1:0. Und er traf mit Steve Darcis auf einen Gegner, der für seinen Mumm und Biss bekannt ist, der niemals aufgibt, bevor nicht auch der allerletzte Ballwechsel gespielt ist. "Ich hätte dem Publikum gern einen Punkt geschenkt - und dem Team die Führung", sagte Kohlschreiber hinterher. Er zeigte sich einerseits begeistert über die Atmosphäre in der ausverkauften Arena, gestand aber auch ein, "dass es manchmal schwer gewesen ist, in dieser hitzigen Stimmung die nötige Konzentration zu finden."

Viele Ex-Profis in Frankfurt dabei

Womit der Bayer auch auf einen anderen Tatbestand hinwies: Denn die gute Zuschauerresonanz und die spürbare Erwartungshaltung rund um diese Partie waren auch ein Indiz für eine gewisse Aufbruchstimmung. "Es macht Spaß, das zu sehen", sagte der frühere deutsche Spitzenspieler und Top-Ten-Mann Rainer Schüttler, "ich glaube, die Mannschaft ist auf einem guten Weg." Schüttler war genau wie Bernd Karbacher, Michael Berrer oder auch Andreas Beck Ehrengast des DTB, und sie alle sahen dann auch, wie der 19-jährige Alexander Zverev den Ausrutscher Kohlschreibers relativ glatt ausbügelte - wenngleich auch sein Drei-Satz-Sieg über Artur de Greef zum 1:1-Ausgleich nicht frei von Holprigkeiten war.

"Ich wollte die Punkte manchmal zu sehr erzwingen", sagte Zverev, "aber ich bin froh, dass ich es in drei Sätzen geschafft habe. Der Rest wird jetzt noch schwer gegen Belgien." Zuschauer Beck hatte das gute Ende für Zverev schon früh vorher geahnt, keine prophetische Meisterleistung indes, wie er selbst meinte: "Das hat er klar im Griff", sagte der sympathische Schwabe, der kürzlich seine Karriere beendet hatte und sich erst mal als Privatier ein wenig vom langjährigen Tourstress erholt. Beck denkt langfristig aber daran, auch mal wieder als Trainer zu arbeiten: "Das wäre sicher was für mich", sagte er. Sprach's und verabschiedete sich für den Freitag erst mal zum gemeinsamen Abendessen mit Frau Juliet.

Selbst Mutter Irina hielt wacker durch

Derweil wurde der jüngste Spross der Familie Zverev in der Fraport-Arena wie üblich vom Rest der Truppe mit scharfen Augen beobachtet - in den Teamlogen fieberten Vater Alexander, Mutter Irina und Bruder Mischa mit. Oft blickte Sohn Alexander zu Vater Alexander herüber, wenn er sich Aufmunterung oder einen dezenten Tipp erwartete - doch der Papa, in der ersten Reihe sitzend, gab nur spärliche Zeichen. Mal einen gereckten Daumen für einen gelungenen Schlag - oder andere kleine Fingerzeige. Selbst Mutter Irina, die sonst auch mal wegen der nervlichen Belastung die Spiele des jüngsten Sohnes schwänzt, hielt wacker durch - der Nervenkitzel dürfte größer sein, wenn beide Söhne im Doppel auf den Platz marschieren, zum historischen deutschen "Brother Act."

Starke Organisationsarbeit und Marketingaktivität hatte der mitausrichtende Hessische Tennis-Verband geleistet, und so langsam könnte sich die Fraport-Arena sogar noch zur guten deutschen Davis Cup-Stube entwickeln. "Die Unterstützung hier ist fantastisch", sagte Teamchef Michael Kohlmann, "da holt man gerne noch die letzten Extraprozente raus. Es ist einfach schön, vor vollem Haus spielen zu können." Das sahen wohl auch die beiden früheren DTB-Präsidenten Karl Georg-Altenburg und Georg von Waldenfels so, die einstmals um den Vorsitz im Verband gekämpft hatten - und nun, nicht weit voneinander entfernt, auf der Ehrentribüne die Mannschaft anfeuerten. Waldenfels, inzwischen auch Ehrenpräsident des DTB, gehört in anderer Funktion ja dem Vorstand des größten Fördervereins der Bayreuther Festspiele an. Auf die Frage während Kohlschreibers Fünf-Satz-Partie, ob Tennis so viele Drama und Vergnügen wie eine Wagner-Oper biete, antwortete Waldenfels mit einem feinen Lächeln und einem Kopfnicken.

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