Die Macht liegt noch bei den älteren Gentlemen - "Wahnsinn, wie dominierend sie sind"

Von Jörg Allmeroth
Dominic Thiem, ATP
© getty

Spannung vor Beginn des ATP-Finals in London. Bleibt auch beim Saison-Showdown in London alles beim Alten? Die betagteren Helden gewinnen bei den absoluten Topevents - und die NextGen muss weiter warten?

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Von Jörg Allmeroth in London

Im holzgetäfelten Konferenzsaal "Herbert Morrison" des Londoner Marriott County Hotel hatte Dominic Thiem vor den ersten Ballwechseln bei der ATP-WM noch einen dringenden Wunsch. In eigener Sache, aber insgeheim auch für viele jüngere Tennisprofis, für die Teenager der NextGen-Truppe.

"Es wird höchste Zeit", sagte der österreichische Star, "dass einer aus der nachrückenden Generation einen Grand Slam gewinnt." Auf die Frage, wann er damit rechne, blieb der Wiener allerdings vage: "Irgendwann muss es endlich soweit sein. Am besten innerhalb der nächsten beiden Jahre."

Thiem hat immerhin schon ein Major-Finale erreicht

Thiem kennt alle diese Fragen zum Generationenwechsel, sie sind ihm oft und gern gestellt worden in letzter Zeit. Ihm besonders, schließlich ist der kraftstrotzende Athlet der erste Spieler aus den Reihen der Jungen gewesen, der wenigstens ein Grand Slam-Finale erreicht hat - in diesem Jahr bei den French Open.

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Allerdings war er dann nur noch der prominenteste Zuschauer der großen Rafael-Nadal-Show, in Paris siegte der spanische Matador und mit ihm wieder mal einer der außergewöhnlichen Gentlemen, die das Welttennis seit anderthalb Jahrzehnten ebenso unerbittlich wie unwiderstehlich prägen.

Zverev könnte von der Gnade der späten Geburt sprechen

Am Ende der Saison 2018, daran werden die Tourfinals in London nichts ändern, ist der Befund kaum ein anderer wie vor fünf oder zehn Jahren: Geht es um das Heiligste in diesem Sport, insbesondere um die Majors, allen voran Wimbledon, geben Roger Federer, Noval Djokovic oder Nadal den Ton an - und teilweise zuvor auch noch, in einer Big Four- oder Big-Five-Ära, Andy Murray und Stan Wawrinka (jeweils drei GS-Siege).

Zverev, der 21-jährige Hamburger, sagte gerade in London, es sei zwar "faszinierend", in einer Ära mit Federer und Co. aufzuschlagen: "Aber es ist natürlich auch Wahnsinn, wie dominierend sie immer noch sind." Dabei könnte Zverev auch von der Gnade später Geburt sprechen. Denn er wird, anders als andere Generationen, den Großteil seiner Tour-Karriere in einer Ära verbringen, in der die Superstars schon im Ruhestand sind.

Djokovics famose Rückkehr ließ manche Träume zerplatzen

Federers Zeithorizont dürfte, wenn überhaupt, kaum über die Saison 2020 hinausreichen, die Teilnahme an Olympischen Spielen in Tokio eingeschlossen. Bei Nadals notorischen Verletzungskalamitäten ist nicht damit zu rechnen, dass er jemals ähnlich lange spielen wird wie Federer. Djokovic allerdings, der Comeback-Spieler der Saison, die wieder unangefochtene Nummer eins - er könnte den Youngstern noch ein bisschen länger Probleme bereiten.

Dann, wenn er von nachhaltigen Verletzungen verschont bliebe. "Das gehört zum Unfassbarsten, was überhaupt im Tennis passiert ist", sagt Thiem über den Wiederaufstieg des Serben. Eine Rückkehr auf den Gipfel im übrigen, auch dies gehört zur Wahrheit, die manche Träume und Illusionen der Jüngeren in der Tennis-Karawane zerplatzen ließ.

Nadal, Djokovic, Federer auf den drei Spitzenplätzen - die Hackordnung ganz vorne, im Eliterevier des Herrentennis, scheint wie festgewachsen, sie wirkt wie ein Abbild aus den Nullerjahren. Und aus vielen Spielzeiten danach. Zverev und Thiem sind die Jüngsten in den Top Ten, auch beide bei der WM vertreten. Aber sind sie auch die ersten Anwärter auf einen Grand Slam-Titel, wenn denn einmal die Machtperiode des alles und alle überragenden Establishments vorüber ist?

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"Sie werden eine entscheidende Rolle spielen in der Tenniszukunft. Da bin ich sicher", sagt Federer, der damit aber alles und auch wieder nichts sagt. Denn der letzte Schritt, der zu Grand Slam-Ruhm, ist der komplizierteste überhaupt im Tennis, eine ungeheure mentale Herausforderung auch. Nichts ist garantiert, nichts trotz großer Potenziale und riesigem Talent.

Konkurrenz für Zverev und Thiem: Tsitsipas, Khachanov & Co.

Zverev und Thiem ist zuletzt im Kampf um die Schlüsselrollen im Tennis-Morgen und -Übermorgen durchaus Konkurrenz erwachsen. So legte der 22-jährige Russe Karen Khachanov einen imponierenden Schlussspurt hin, bei dem er auch den Masters-Thron in Paris eroberte. In London rückte er nun sogar noch zum Ersatzmann beim Turnier der Saisonbesten auf.

Der 20-jährige Grieche Stefanos Tsitsipas gewann am Samstagabend noch beim NextGen-Finale in Mailand, aber ihm wird zugetraut, schon in zwölf Monaten bei der WM in London vertreten zu sein. Auch der Australier Alex de Minaur, der Amerikaner Francis Tiafoe oder der Spanier Jaume Munar gelten als Top-Kandidaten für eine gewichtige Rolle im Führungsringen des künftigen Herrentennis.

Novak Djokovic hat dazu etwas Wahres angemerkt: "Es ist nicht entscheidend, wer als erster dieses Rennen gestartet ist. Sondern wer als Erster ankommt", so der Serbe, "es kann noch sehr viel Überraschendes passieren." Wer wüsste es nicht besser als er selbst, die unwahrscheinliche Nummer 1 der Saison 2018.

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