ATP: Bekommen die Fans noch genug für ihr Geld geboten?

Von Jens Huiber
Chris Kermode und Craig Tiley während der ATP Finals in London
© getty

Alexander Zverev war der große Sieger bei den ATP Finals in London. Zu den Verlierern gehörten neben den schon in der Vorrunde ausgeschiedenen Konkurrenten aber auch viele Zuschauer.

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Chris Kermode und Craig Tiley hatten sich also hingestellt am vergangenen Donnerstag, vor die Leinwand des vollen Kinosaals 10 in der Londoner O2 Arena, um zu erläutern, warum der neue ATP Cup die großartigste Erfindung seit der Entdeckung des rückwärts laufenden Wassers ist. 24 Teams, drei Städte, Sommer in Australien - der Chef der ATP, Kermode, und der Turnierdirektor der Australian Open, Tiley, ließen keinen Zweifel daran, dass der wiederbelebte World Team Cup genau jene Veranstaltung ist, auf die die Spieler gewartet haben. Und vor allem auch die Fans.

Ersteres scheint tatsächlich der Fall zu sein: Fast alle Topspieler gehen in der ersten Woche des Jahres ohnehin bei einem Turnier an den Start, dann halt gerne auch bei einer Veranstaltung, bei der es im besten Fall 750 ATP-Punkte und ein Preisgeld von insgesamt 15 Millionen US Dollar zu gewinnen gibt.

Gut geölte Geldvermehrungsmaschine

Interessanter allerdings die Annahme von Tiley, dass sich Horden von Fans nach Australien aufmachen werden, um ihre Teams eine Woche lang über den fünften Kontinent hinweg zu begleiten. Zumal die Erfahrungen bei den ATP Finals, wiewohl natürlich in erster Linie ein Einzel-Wettbewerb, Fragen darüber aufkommen lassen, ob das Preis-Leistungsverhältnis für die Zuschauer im Tennissport noch stimmt.

Im günstigsten Fall 72 Pfund plus Spesen hat ein Ticket für einen der sechs Vorrundentage in London gekostet - in Erinnerung wird den Tennisfans exakt kein einziges Match geblieben sein. Gut, vielleicht das 6:0 und 6:1 von Kevin Anderson gegen Kei Nishikori, für das der Südafrikaner etwas mehr als eine Stunde benötigte.

Gut für den Südafrikaner, nicht so gut für die zahlende Kundschaft. Die Sponsoren stehen bei der ATP dennoch Schlange, Chris Kermode hat eine gut geölte Geldvermehrungsmaschine am Laufen gehalten, sogar noch effizienter und erfolgreicher gemacht. Nicht ganz so gut, dass mit Ausnahme des allerersten Tages des Saison-Finales in der Vorrunde einige bis sehr viele Plätze in der O2 Arena leer geblieben sind. Woran das nun gelegen hat, darüber lässt sich nur spekulieren.

Alexander Zverev verweist auf zu lange Saison

Das Niveau der Matches war mit wenigen Ausnahmen jedenfalls eines Treffens der Klassenbesten im Welttennis nicht würdig. Alexander Zverev hat auf die viel zu lang andauernde Saison verwiesen, sicherlich mit Recht. Fast kurios, dass der Deutsche schließlich derjenige war, der hinten raus den stärksten Willen gezeigt und das Turnier verdient gewonnen hat.

Die Stimmung in der Halle war nur selten am Brodeln. Im Match von Zverev gegen Roger Federer aus bekannten, mithin lächerlichen Gründen. Jamie Murray, der einzige Lokalmatador, konnte die Fans für ein paar Augenblicke mitnehmen, scheiterte mit Partner Bruno Soares in der Vorrunde. Aber sonst?

Gefehlt hat Rafael Nadal. Punkt. Bei Nadal wissen die Fans, wofür sie Eintritt bezahlt haben, auch beim Saisonfinale, das der Spanier noch nie gewinnen konnte. Nadal lässt keine Matches einfach so laufen, der Weltranglisten-Zweite nimmt seinen Beruf in jeder Sekunde ernst, sucht auch dann nach Lösungen, wenn er sich und den Ball nicht spürt. Dass Nadal wieder einmal Opfer der langen Saison und seiner fordernden Spielweise geworden ist - dieses Muster war leider schon allzu oft zu beobachten.

Novak Djokovic unterstützt den ATP Cup

Die Chancen, dass Rafael Nadal Anfang 2020, wenn der erste ATP Cup in Australien ausgetragen werden soll, am Start sein wird, stehen andererseits nicht schlecht. Auch die übrigen großen Namen im Tennissport haben sich in den Dienst der guten Sache gestellt, das Event gepriesen, Novak Djokovic und John Isner ihre Unterstützung auch persönlich in jenem Kinosaal in London bekundet.

Ob die serbischen und US-amerikanischen Reisebüros bereits jetzt ihre Arrangements mit Hotels in Brisbane, Adelaide oder Perth verfeinern müssen, bleibt aber offen. Die Erfahrungen beim Saisonabschluss in London haben vor allem eines bestätigt: Gut, dass jetzt erstmal Pause ist. Und schwer vorstellbar, dass beim Davis-Cup-Finale 2019, das, Stand jetzt, im November ausgetragen werden soll, die Spieler wie einem Jungbrunnen entstiegen aufgeigen werden.

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