ATP Wien: Basilashvili-Coach Jan de Witt - "Uli Hoeneß würde ich absagen"

Von Jens Huiber
Jan de Witt hat auch im Fußball was zu melden
© Jürgen Hasenkopf

Jan de Witt ist mit Nikoloz Basilashvili zum ATP-World-Tour-500-Turnier nach Wien gekommen. Der Georgier ist in der Weltrangliste auf dem Weg nach oben, der deutsche Coach mit der bisherigen Entwicklung der Zusammenarbeit sehr zufrieden. Ein Gespräch.

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tennisnet: Herr de Witt, wir müssen natürlich mit Werder Bremen beginnen. Sie stehen dem Verein nahe, Werder steht im Augenblick weit vorne in der Tabelle der Fußball-Bundesliga. warum?

Jan de Witt: Wir sind ziemlich gut in die Saison gestartet. Und ich glaube, dass man im Moment sieht, dass die Mannschaft dabei ist, den nächsten Schritt zu machen. Also nicht nur guten Fußball zu spielen, wenn die Situation das zulässt, sondern auch bereit sein, mal nicht so attraktiv zu spielen, wie am Samstag auf Schalke. Und einfach einem Gegner wie Schalke, die den Ball nicht haben und eigentlich gar nicht Fußball spielen wollen, auch nicht anzubieten. Ich fand das jedenfalls klasse, wie Florian Kohfeld die Mannschaft eingestellt hat.

tennisnet: Sie haben mit Werder Bremen auch berufliche Verbindungen. Welche?

de Witt: Ich rede mit Florian Kohlfeld über viele Dinge, und da bin ich natürlich nicht derjenige, der ihm zum Fußball Tipps gibt. Da weiß Flo selbst sehr gut Bescheid. Aber wir sprechen viel über Strukturen, über Herangehensweisen, die dazu führen, dass die Erfolgswahrscheinlichkeiten größer werden. Und diese Rolle habe ich bei Werder Bremen auch inne gehabt. Ich habe versucht, den Menschen im Verein den Blick von außen anzubieten, von jemandem eben, der auch aus dem Sport kommt. Ich habe mir die Strukturen angeschaut, wo es um Gesundheit oder Athletik geht, auch um die Ausbildung junger Spieler, die irgendwann einmal in der ersten Mannschaft spielen sollen. Da habe ich angeboten, darüber nachzudenken, wo man etwas besser machen kann.

"Wir haben von den ersten zwölf Matches acht verloren"

tennisnet: Wenn Uli Hoeneß anruft und Sie um dasselbe bittet, würden Sie aber nicht abheben?

de Witt: Ja, das würde ich nicht tun. Das heißt, der Uli kann ruhig anrufen, mit dem würde ich mich freundlich unterhalten, aber ich würde ihm dann freundlich absagen. weil das, was ich da bei Werder mache, das ist eine Herzensangelegenheit.

tennisnet: Zum Tennis. Ihre Zusammenarbeit mit Nikoloz Basilashvili hat sensationell mit dem Sieg in Hamburg begonnen.

de Witt: Da muss ich Ihnen widersprechen, denn wir haben eigentlich nicht super angefangen. Wir haben nämlich von den ersten zwölf Matches, die wir gemeinsam gespielt haben, acht verloren. Die Arbeit war inhaltlich vom ersten Tag an sehr konstruktiv, wir haben sofort Fortschritte gemacht, aber bis sich das in den Ergebnissen widergespiegelt hat, hat es doch sechs bis acht Wochen gebraucht.

tennisnet: Also dann doch wieder recht schnell.

de Witt: Naja, keine lange Zeit eigentlich im Tennis. In anderen Sportarten schon. Schauen Sie etwa zum Fußball, Alexander Nouri in Ingolstadt hat die ersten vier Spiele verloren. Da sieht das schon ganz schlecht aus. Aber gut, wir haben uns recht schnell verbessert. Aber in Hamburg haben wir sieben Matches in neun Tagen gespielt, von denen wir fünf auch verlieren hätten können. Das war alles mit viel Emotionen, mit viel Kampfgeist, nicht nur mit spielerischen Mitteln, wo Niko gezeigt hat, dass er Matches auch gewinnen kann, wenn es nicht ganz rund läuft. Und viele Fortschritte sind danach erst gekommen.

"Niko muss nicht bei jedem Ballwechsel ein Loch durch den Gegner schießen"

tennisnet: Welche Fortschritte sind das genau?

de Witt: Niko schlägt anders aus, er retourniert anders. Wir haben einen geringfügig anderen Ansatz gegen die meisten Gegner gefunden, wobei der Ansatz natürlich der bleibt, dass wir Nikos unheimliche Stärken, seine Geschwindigkeit und seine Wucht, zu nutzen. Aber das vielleicht mit einem etwas geduldigeren Ansatz. Ich muss ja nicht in jedem Ballwechsel ein Loch durch meinen Gegner schießen.

tennisnet: Sie haben davor mit Gilles Simon einen komplett anderen Spieler trainiert, der es eher taktisch angelegt hat. Auch für Sie eine schwierige Umstellung?

de Witt: Das ist sehr anspruchsvoll. Auch weil ich glaube, dass Niko und Gilles sehr weit in dem auseinanderliegen, wie sie geführt werden müssen, und wie die generelle Herangehensweise ist. Grundsätzlich müssen wir Trainer Respekt davor haben, dass wir nicht geeignet sind, jede Situation zu lösen. Und das heißt auch, nicht in jeder Situation für einen Spieler der passende Trainer zu sein. Wenn man jetzt so lange wie ich auf diesem hohen Niveau arbeitet, dann haben wir natürlich auch ein gesundes Selbstbewusstsein. Ich weiß, was ich tue. Und ich weiß, was dieser Spieler braucht, um erfolgreich zu sein. Das heißt aber noch lange nicht, dass ich auch in der Lage bin, das dem Spieler zu vermitteln.

tennisnet: Wie haben Sie sich mit Nikoloz Basilashvili zu einer Kooperation zusammengefunden?

de Witt: Wir haben zweimal gegen ihn gespielt, in Shanghai und bei den French Open. Und wir haben relativ häufig miteinander trainiert, weil der Umgang ist schon sehr respektvoll auf der Tour. Trotzdem hat man seine Leute, mit denen man lieber übt. Und da war Niko einer davon. Günter Bresnik würde sagen: Der taugt mir. Man sieht Niko immer an, was bei ihm los ist. Und er kann auch eine klare Ansage vertragen. Das ist Niko viel lieber, als wenn jemand nur drum herumredet. Dass der Tennis spielen kann, da war ich nicht der einzige, der das gesehen hat. Und ich habe eine klare Vorstellung gehabt, was ich mit Niko machen möchte. Das, was jetzt passiert, ist keine Überraschung für mich. Überraschend ist, wie schnell das alles kommt. In Peking gegen del Potro im Finale auf den Platz zu gehen und von Beginn an bis zum Ende auszustrahlen, ich hau Dich weg - da ist die Entwicklung schon sehr schnell gegangen.

"Ich finde nicht, dass Novak Djokovic unbesiegbar ist"

tennisnet: Nun ist Ihr Schützling jemand, der auf dem Platz selten Emotionen zeigt. Ist das der Plan?

de Witt: Ich glaube, dass Niko ruhiger geworden ist. Unser Ansatz ist: Wir machen unser eigenes Ding. Und der Junge ist ganz bei sich und macht sein Ding. Bei Niko ist es so, dass er auch eine gewissen Fehlertoleranz braucht, der macht Fehler, so offensiv er spielt. Die Emotionen sind natürlich da, und im Profisport geht es viel darum, mit diesen Emotionen umzugehen. Ich würde mir auch manchmal wünschen, dass er bei guten Punkten eine positive Reaktion zeigt. Aber: Man muss ihn wirklich loben. Der Junge ist unglaublich gut, wenn es um die Wurst geht. Und das hat damit etwas zu tun, dass Niko mit seinen Emotionen in diesen Situationen sehr gut umgehen kann. Er lässt sich eben nicht runterziehen, wenn er im Tiebreak zwei Punkte gespielt hat, wo man sich denkt, das musste jetzt nicht sein zu versuchen, die Linie zu treffen. Und das wollen wir kultivieren, damit wir das eines Tages auch in großen Finals schaffen: Unser Ding zu machen.

tennisnet: Niemand macht derzeit sein Ding besser als Novak Djokovic. Ist der im Moment unbezwingbar?

de Witt: Finde ich nicht. Ich finde ihn auch noch nicht so gut wie damals, als er am besten war. Klar, er ist auf dem Weg dorthin. Ich glaube, dass Nole sogar noch besser spielen kann, als wir jetzt gesehen haben. Aber wie man ihn schlagen kann, das möchte ich dann doch besser für mich behalten. Ich habe Djokovic schon mit drei verschiedenen Spielern geschlagen. Aber es ist halt eine extrem schwierige Aufgabe.

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