Geplante Davis-Cup-Reform: Gegenwind für ITF-Boss Haggerty wird stärker

Von Jörg Allmeroth
David Haggerty muss noch viel Überzeugungsarbeit leisten
© getty

Für David Haggerty und seine Parteigänger rücken die Tage der Entscheidung näher. Am übernächsten Wochenende wird sich klären, was aus dem Davis Cup, dem ältesten Teamwettbewerb der Welt, wird. Und auch, wie es um Haggertys Zukunft bestellt ist. Eins ist klar: Sollte er auch bei diesem Votum scheitern, bliebe ihm nur der Rücktritt von seinem Amt übrig.

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David Haggerty ist viel unterwegs gewesen in den letzten Wochen und Monaten. Bei den großen Tennisturnieren oder Kongressen der regionalen oder kontinentalen Mitgliedsverbände konnte man dem Präsidenten des Weltverbandes ITF kaum entkommen, Überall trommelte der ewig lächelnde Ami für seine angestrebte Davis Cup-Reform und weitere kritische Punkte seiner Agenda

Dem Trupp der Davis-Cup-Umwälzer weht Gegenwind ins Gesicht

Schon einmal hatte Haggerty eine Bruchlandung hingelegt, beim letzten großen Jahresmeeting - damals wollte er unter anderem im Verbund mit seinem getreuen Verbündeten Rene Stammbach aus der Schweiz eine gemeinsame Abschlusswoche für den Davis Cup und Fed Cup installieren. Aber die Delegierten ließen Haggerty auflaufen, die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit wurde verfehlt.

Auch jetzt droht dem Amerikaner wieder ein Fiasko, denn unmittelbar vor dem Wahlgang in Florida bläst dem Trupp der Davis-Cup-Umwälzer heftiger Gegenwind ins Gesicht. Am bittersten dürfte Haggerty aufstoßen, dass sich mit Tennis Australia auch eine der Grand-Slam-Nationen gegen ihn wendet. In einem Schreiben an internationale Verbände und die ITF-Exekutive monieren die Aussies nun unter anderem die fehlende Transparenz bei dem versprochenen Milliarden-Deal mit dem Konsortium namens Kosmos.

Auch Tennis Australia hegt wohl Zweifel an Millionen-Finanzierung

Immer unklarer sei die Kommunikation der ITF-Spitze gegenüber der Basis geworden, offenbar hegen die Australier massiver Zweifel, ob die Geldflüsse von Kosmos jemals zustandekommen. Nicht weniger als drei Milliarden Dollar hatte Kosmos ja für die nächsten 25 Jahre zugesagt, hinter der Holding stecken unter anderem Fußball-Profi Gerard Pique und der Boss des Großkonzerns Rakuten, Hiroshi Mikitani.

Wobei das Vorgehen der abtrünnigen Australier auch nicht wirklich überraschend sein kann: Denn vor wenigen Wochen verbündete sich der Verband mit der zunehmend auf Konfrontationskurs zur ITF gehenden Spielerorganisation ATP, um den gleichfalls umstrittenen World Team Cup zu installieren. Der soll künftig zum Jahresstart in Australien stattfinden, massiv aufgewertet zur früheren Variante im rheinischen Düsseldorf.

Großteil der ATP-Profis sprach sich gegen den anvisierten Davis-Cup-Termin aus

Die Bekanntgabe des Deals bringt die ITF in Nöte, denn ihr Veranstaltungstermin für das einwöchige Davis-Cup-Finale Mitte/Ende November erscheint inzwischen umso fragwürdiger - welche Spieler sollen ernsthaft beide Termine wahrnehmen. Der Großteil der ATP-Profis sprach sich ohnehin schon gegen den neuen anvisierten Davis-Cup-Termin aus.

Kein Wunder, dass die nationalen Tennisverbände immer lauter gegen Haggerty und Co. murren. Tennis Europe, das rund 50 kontinentale Verbände vertritt, äußerte in einem Schreiben an die ITF ebenso wie Tennis Australia massive Kritik und fragte beispielsweise, ob die Geldflüsse angesichts des absehbaren Boykotts vieler Spieler noch gesichert seien. Inzwischen, so Tennis Europe-Präsident Vladimir Dmitriev, sei auch nur noch von jährlichen Garantien von 41 Millionen Dollar durch Partner Kosmos die Rede - und nicht mehr von 120 Millionen, wie bei der Bekanntgabe der Partnerschaft.

ATP-Deal rund um den neuen World Team Cup hat Situation gewendet

Nach internen Zählungen des Anti-Haggerty-Lagers könnte der Vorschlag der Exekutive knapp scheitern, gegenwärtig seien etwa 160 Stimmen beim Jahresmeeting für die Radikalreform klar - 143 Stimmen votierten dagegen. 100 weitere Stimmen seien offen. Angeblich habe Haggerty viele kleinere Nationen mit diversen Versprechen auf seine Seite ziehen können, dann aber habe der Deal der ATP rund um den neuen World Team Cup die Situation gewendet.

Haggerty sieht sich unterdessen noch einem weiteren Problem gegenüber - und zwar in der Person des französischen Verbandspräsidenten Bernard Giudicelli. Der hatte trotz massiven Widerstands fast aller nationalen Profis ein Votum für die Davis- Cup-Reform daheim durchgeboxt und gilt als einer der engsten Weggefährten des amerikanischen Tennis-Häuptlings.

Diskussionen über den Franzosen Bernard Giudicelli

Doch genau genommen, dürfte Giudicelli gar nicht einen Platz im sogenannten ITF-Board haben, denn im vergangenen September wurde er in einem Gerichtsverfahren wegen übler Nachrede ("Defamation") gegen den früheren Profi Gilles Moretton zu einer Geldstrafe von 10.000 Euro verurteilt. Laut ITF-Statuten hätte er seinen Sitz räumen müssen, aber Haggerty will dem Gallier mit einem Taschenspielertrick zur Seite springen.

Er bringt nämlich nun ein Papier zur Abstimmung auf der Jahresversammlung ein, das es Giudicelli erlauben würde, weiter im Board zu bleiben - danach sei eine juristische Verfehlung nur sanktionsfähig, wenn sie auch in der Mehrheit der Mitgliedsländer ein Vergehen darstelle.

Kritiker schimpfen über "FIFA-Niveau" in der ITF

Kritiker erlaubten sich da einen wenig schmeichelhaften Vergleich und sprachen von "FIFA-Niveau", das im Tennis-Weltverband Einzug halte. Die Opposition gegen Haggerty zeigte sich allerdings auch überzeugt, dass diese Statutenänderung vor dem CAS, dem Internationalen Sportgerichtshof, keinen Bestand haben werde.

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