Eine phantastische Erfolgsgeschichte

Turnierdirektor Ralf Weber (re) und sein Zugpferd Roger Federer
© gerry weber open

Ralf Weber, Turnierdirektor der Gerry Weber Open, spricht anlässlich des 25. Turnierjubiläums über die Geschichte des ATP-Events in Halle/Westfalen und Glücksfall Roger Federer.

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tennisnet: Herr Weber, gehen wir mal auf eine Zeitreise zurück. Zurück in das Jahr 1993. Die ersten Gerry Weber Open stehen vor der Tür - wie ist da Ihre Gefühlslage gewesen?

Ralf Weber: Es war schon eine Wahnsinns-Herausforderung. Eine Zeit des eigenen Lebens, die man nicht vergisst. Baustellen gab es überall, buchstäblich. Wir mussten zum ersten Mal den Rasen präparieren, da gab es auch einige bange Momente, wie das klappen würde. Wir verließen uns in punkto Rasen ganz auf den neuen Greenkeeper Jim Thorn, den uns Wimbledon empfohlen hatte. Der Stress war enorm, aber es war ein positiver Stress, die Arbeit an einem tollen Projekt. Wir wurden auf den letzten Drücker fertig, aber es war eine große Genugtuung dann.

tennisnet: Sie mussten auch mit einem Handicap kämpfen: Im ersten Jahr fehlten die Wimbledon-Champions Boris Becker und Michael Stich.

Ralf Weber: Wir bekamen keine Einigung hin, auch die Verhandlungen mit Boris scheiterten noch. Aber wir sagten uns: Wir brauchen große Namen. Und die holten wir dann: Andre Agassi und Michael Chang. Es war toll, diese beiden Weltstars dann bei uns in Halle zu sehen.

tennisnet: Sie waren damals 28, in Ihrer Lebensplanung war der Job als Chef eines Tenniswettbewerbs wohl kaum vorgesehen.

Ralf Weber: Ganz und gar nicht. Ich wollte damals noch ein Auslandssemester an mein Betriebswirtschafts-Studium dranhängen. Aber dann sagte ich mir: Wenn du bei diesem Tennisprojekt mitmachen willst, kannst du jetzt hier nicht weg. Und so begann ich meine Arbeit schon 1992, wir reisten damals mit einem Modell unserer Anlage zu verschiedenen Schauplätzen der Tour, auch nach Wimbledon.

tennisnet: Gab es mal Zweifel, ob das alles klappen würde?

Ralf Weber: Es blieb gar keine Zeit zum Zweifel, zum Nachdenken in dieser aufregenden Pionierzeit. Alle arbeiteten bis ans Limit, alle wollten ein tolles Produkt präsentieren - aber es gab eben einen entscheidenden Vorteil: Die professionelle unternehmerische Erfahrung, die es insbesondere von den Initiatoren des Turniers gab, von meinem Vater Gerhard und von Udo Hardieck.

tennisnet: Was ist das Schöne und was das besonders Herausfordernde bei dieser Arbeit gewesen?

Ralf Weber: Das Schöne war diese Herausforderung selbst. Diese Aufbaujahre hatten ihren eigenen faszinierenden Reiz, wir konnten so viel gestalten. Die Prioritäten waren immer klar: Eine totale Orientierung an unseren Kunden, also den Zuschauern. Und eine Orientierung an den Wünschen der Profis, soweit das alles finanziell machbar und notwendig war. Es gab viele Bedenkenträger auf allen Ebenen, aber wir hatten den unbedingten Willen, es zu schaffen.

tennisnet: Die Familie Weber hat mehr als nur das Turnier etabliert - es wurde ein erfolgreiches Tennisteam beim TC Blau-Weiss Halle gegründet, das mehrfach deutscher Meister wurde. Sie haben Profispieler wie Nicolas Kiefer gemanagt, es gibt bis heute das international aktive Gerry Weber BreakPoint-Team. Wie kam es eigentlich zu diesem Faible für den Tennissport?

Ralf Weber: Mein Vater und ich sind leidenschaftliche Tennisspieler bis heute. Und deshalb lag es nahe, sich im Tennis zu engagieren. Früh haben wir eine Akademie in Halle geschaffen, jungen Talenten eine Plattform geboten. Wir waren lange vor der Turniergründung ein wichtiger Player in der Szene. Nicht zu vergessen: Steffi Graf war ganz früh ein Testimonial der Gerry Weber International AG. Ich denke, viele werden sich noch an die Werbespots mit ihr erinnern. Insgesamt erlebte das Unternehmen einen riesigen Popularitäts- und Bekanntheitsschub durch das Tennisengagement. Plötzlich kannte man uns in Dubai, Moskau, Singapur oder Rio.

tennisnet: Haben Sie jemals bereut, auch diesen Weg als Turnierdirektor eingeschlagen zu haben?

Ralf Weber: Nein. Ganz im Gegenteil: Diese Arbeit als Turnierdirektor, dieses ganze Aufbauprojekt - das hat mich persönlich stark geprägt. Es hat mir geholfen, mich beruflich weiter zu entwickeln, bis hin zu meiner jetzigen Vorstandstätigkeit der Gerry Weber Gruppe. Als Direktor des Turniers kannst du dich nicht verstecken. Du bist gefordert, stündlich, minütlich Entscheidungen zu treffen. Auch unbequeme, unangenehme Entscheidungen.

tennisnet: Sie haben bis heute eine TV-Präsenz im öffentlich-rechtlichen Fernsehen beim Turnier. Wie wichtig ist das?

Ralf Weber: Wir haben über die Jahre viele starke TV-Partner gehabt. Sport1, nun Eurosport. Das ZDF ist uns vom Start treu geblieben. Wenn ich daran denke, dass ich 1992 in Barcelona mit dem damaligen ZDF-Sportchef Karl Senne per Handschlag die Vereinbarung getroffen habe, unser Turnier zu übertragen, ist dies in der heutigen TV-Vermarktung unvorstellbar. Hinzu kommt, dass in den Jahren 1993 und 1994 das aktuelle Sportstudio aus dem Gerry Weber Stadion gesendet wurde. Millionen schauten zu, als Günther Jauch mit unserem Greenkeeper Jim Thorn plauderte. Es war ein Ritterschlag für uns. Wir halten das immer noch für sehr wichtig, diese Allianz mit dem ZDF. Freuen uns aber selbstverständlich auch, dass Eurosport Bilder über den ganzen Kontinent schickt. Mit unseren aktuellen Fernsehverträgen erreichen wir insgesamt stolze 139 Länder der Erde.

tennisnet: 1993, das erste Turnierjahr, war ein Regenjahr für die Gerry Weber Open. Sie reagierten innovativ und ließen weltweit erstmals ein Dach über einen Centre Court bauen.

Ralf Weber: Das geschah in Rekordzeit, was wir in zehn Monaten errichtet haben. Es war nach den Erfahrungen des ersten Jahres klar, dass wir uns von Wetterkapriolen unabhängig machen wollten. Die Lösung war ein schließbares Dach, für die damalige Zeit eine unglaubliche technische Lösung. Und im nach hinein betrachtet, war es die wichtigste Investition überhaupt. Das Gerry Weber Sportpark Hotel kam auch noch hinzu. Es garantierte uns ein Turnier der kurzen und schnellen Wege. Ein großes Plus bei der Verpflichtung von Spielern. Zudem haben wir nie Investitionen gescheut, wenn sie uns notwendig erschienen. Wie beispielsweise die Entwicklung eines transportablen Rasens, der Einbau eines Rasenföns und letztlich im vergangenen Jahr die Sanierung des Stadiondaches zum Turnierjubiläum.

tennisnet: Wimbledon unterstützte das Turnier und seine Macher nach Kräften. Das war doch sicherlich eine wertvolle Anschubhilfe.

Ralf Weber: Es war von Beginn an eine vertrauensvolle, angenehme Partnerschaft. Wimbledon hat auch gesehen, dass man mit den Gerry Weber Open die Chance hat, Rasentennisturnier weiter zu etablieren. Man versorgte uns mit dem grundlegenden Knowhow, bis hin zu den richtigen Netzpfosten. Später war Wimbledon der Impulsgeber, dass zwischen den French Open und dem Turnier in London die längst überfällige Drei-Wochen-Distanz eingeführt wurde. Wir rückten gemeinsam mit dem Queen's-Turnier in die strategisch günstige Mitte zwischen French Open und Wimbledon. Unser Status wurde zu einem 500er ATP-Event, mit nur 13 Standorten in der Welt. Es war darüber hinaus der Beginn für die Renaissance des Rasentennis.

tennisnet: Wie hat sich das Tennis von den 1990er Jahren bis zur Gegenwart verändert - auch aus der Sicht eines Mannes, der selbst intensiv Tennis spielt?

Ralf Weber: Das klassische Angriffstennis gibt es kaum noch, man muss sich nur anschauen, wie unser Rasen nach einer Woche ausschaut. Am Netz ist der Rasen dann noch ziemlich intakt, teilweise unberührt. Das Spiel ist natürlich auch viel schneller geworden. Und der Rasen in Halle, der ist übrigens sogar noch ein klein wenig schneller als der in Wimbledon.

tennisnet: Roger Federer war und ist die prägende Erscheinung des Turniers. Können Sie sich noch an die allererste Begegnung mit ihm erinnern?

Ralf Weber: Es war ein gemeinsames Essen 1999. Zusammen mit Rogers Freunden Yves Allegro und Marco Chiudinelli, die unserem Gerry-Weber-Breakpoint-Team angehörten. Mein erster Eindruck: Ein stiller, höflicher, sympathischer junger Mann, der genau weiß, was er will. Daraus ist eine Freundschaft entstanden. Ein großer Moment war, als wir einen Lebenszeitvertrag mit ihm 2010 abschließen konnten. So spielt er bis zu seinem Karriereende in dieser Turnierwoche nur bei uns in Halle. Er und seine Familie fühlen sich außergewöhnlich wohl bei uns. Der Turnierdirektor von Queens sagte mir unlängst, dass er all seine Top-Ten-Spieler eintauschen würde, wenn Roger Federer einmal bei ihm antreten würde. Das zeigt, welchen Wert diese Partnerschaft für uns hat.

tennisnet: Wie wollen Sie Roger Federer nach seiner Karriere als Profispieler an das Turnier binden.

Ralf Weber: Als ich ihm im vergangenen Jahr darauf ansprach, war er sichtlich erstaunt: Mensch Ralf, ihr seid den anderen mal wieder weit voraus in eurer Planung. Ich bin für alle Ideen offen. Für die Gerry Weber Open könnten wir uns ihn in einer Botschafterfunktion vorstellen. Oder mit ihm auch in Halle Charity-Schaukämpfe zu veranstalten.

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