"Die Spieler müssen mehr von sich geben"

Michael Stich hat sich 1991 zum Wimbledon-Champion gekrönt
© getty

Er gewann 1991 das Wimbledon-Finale gegen Boris Becker und war einst die Nummer 2 der Welt: Michael Stich. Im Interview spricht der 48-Jährige über die rasante Entwicklung von Alex Zverev, das Comeback von Roger Federer, Probleme mit der Identifikation der Fans und die Herausforderungen eines Turnierdirektors. Stich fordert zudem, in Zukunft wieder größere Unterschiede zwischen den Belägen zu schaffen.

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tennisnet.com: Herr Stich, der letzte Eindruck des Tennisjahres 2016 war das dramatische Davis-Cup-Finale in Zagreb. Dennoch gibt es Bestrebungen, etwas am bekannten Format zu ändern. Wie sehen Sie den aktuellen Zustand des Davis Cups, was würden Sie ändern?

Michael Stich: So ein Davis-Cup-Finale zeigt natürlich genau, was für Geschichten dieser Wettbewerb schreibt. Das ist es, was ihn ausmacht. Die Belastung, die die Spieler monieren, die dafür vier Wochen im Jahr opfern müssen, um für ihr Land zu spielen, kann ich bedingt nachvollziehen. Da ging es uns nicht anders. Für uns war der Davis Cup aber immer eine der wichtigsten Veranstaltungen, weil wir für unser Land spielen konnten. Ich persönlich habe das selten als Mehrbelastung empfunden. Wenn man natürlich über das Jahr hindurch sehr erfolgreich und damit auch viel gespielt hat, war es eine größere Herausforderung. Aber ich bin mir nicht sicher, ob es möglich ist, den Modus nachhaltig zu verändern, ohne die Historie zu verwässern.

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tennisnet.com: Bis 2015 hat es für Siege im Davis Cup Weltranglistenpunkte gegeben. Könnten Sie einer Rückkehr dazu etwas abgewinnen?

Stich: Von dieser Idee bin ich kein Freund, weil ich das aus der Sicht des Turnierveranstalters sehe. Und ich sehe, dass, wenn die Spieler überall wie bei Olympischen Spielen und im Davis Cup Punkte bekommen können, natürlich die Notwendigkeit immer mehr abnimmt, die großen Turniere zu spielen. Ich wäre für etwas ganz anderes, nämlich dafür, dass es bei Turnieren wieder Bonuspunkte dafür gibt, wenn ein Spieler, der an Position 30 steht, die Nummer zwei der Welt schlägt. So, wie es früher der Fall war. Bonuspunkte für Siege gegen Top-Spieler, das ist ein zusätzlicher Anreiz und Motivation für die Spieler, die etwas niedriger stehen.

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tennisnet.com: Sie haben als Turnierveranstalter der German Open in Hamburg 2016 unter der gleichzeitigen Ansetzung des Davis-Cup-Viertelfinales aufgrund der Olympischen Spiele sehr gelitten. Wie lassen sich derartige Terminkonflikte in den kommenden Jahren vermeiden?

Stich: Ich habe versucht, mit allen Beteiligten zu sprechen und meine Sichtweise darzulegen. Die Probleme wären sicherlich vermeidbar gewesen, weil man vier Jahre lang Zeit hatte, sich mit der Situation auseinanderzusetzen. Das heißt, es wäre eine grundsätzliche Überlegung, ob man in Jahren mit Olympischen Spielen den Davis Cup überhaupt spielt oder ob man aussetzt. Ich weiß allerdings nicht, ob das nicht einen zu großen Einschnitt bedeuten würde. Nur: So, wie es in diesem Jahr für uns war, sollte es sich auf keinen Fall wiederholen. Bei uns haben von 24 Spielern, die gemeldet hatten, zwölf kurzfristig abgesagt. Und das ist für ein ATP-500-Turnier und für das, was wir investieren, inakzeptabel. Ich glaube auch, dass die ATP-Regeln so ein Verhalten nicht hergeben. Aber da gibt es unterschiedliche Interpretationen. Grundsätzlich sollte ein Spieler nicht ein Turnier melden können, um dann zwei Tage vor Turnierbeginn wieder rauszuziehen - und dann ein anderes Turnier zu spielen. Diese Regel muss definitiv geändert werden. Zumal die meisten Spieler sechs Wochen vor dem Davis Cup höchstwahrscheinlich ja auch schon wissen, ob sie nominiert werden oder nicht.

tennisnet.com: Wie sehen Sie denn die mittelfristige Zukunft der German Open in der Sportstadt Hamburg - gerade auch in Hinblick auf die vielen Probleme finanzieller Natur, die etwa den Hamburg Freezers oder dem HSV Handball zum Verhängnis geworden sind?

Stich: Man kann natürlich jetzt alle Probleme nennen. Man kann aber auch sagen: es gibt die German Open am Rothenbaum, das Spring- und Dressur-Derby, es gibt den Triathlon, es gibt den Marathon, es gibt die "Cyclassics", es gibt so viele Sportevents in dieser Stadt, die toll und erfolgreich sind. Wir dürfen uns nicht immer nur an den zwei, drei Negativbeispielen aufhängen. Es gibt ein ganz klares Bekenntnis der Stadt Hamburg zum Tennisturnier und auch zur Sportart Tennis. Ich glaube auch, dass wir mit unserer langen Tradition und Geschichte, 2017 ist es die 111. Auflage, auch ein großes Alleinstellungsmerkmal haben. Wir tragen die Marke Hamburg nach außen in die Welt, von daher stellen wir auch für die Menschen in unserer Stadt eine große Bereicherung dar.

tennisnet.com: Alleine der Austragungszeitpunkt ist ein Problem.

Stich: Der Kalender ist, wie er ist. Dadurch, dass Wimbledon eine Woche zurückgegangen ist, wurde die historische Sommer-Sandplatz-Saison verkürzt. Das ist sehr schade. Alle wissen aber, dass sich bei weitem nicht alle europäischen Spieler in Washington auf die Hartplatz-Saison vorbereiten. Von den Top-Leuten spielen die wenigsten in Washington. Wir stehen also gar nicht in direkter Konkurrenz zu diesem Turnier. Es ist einfach ganz allgemein eine Frage des Kalenders.