Roger Federers Schule des Verlierens

Von Marco Kühn / Tennis-Insider
Roger Federer
© getty

"Ich bin Optimist. Ich glaube das ist es, was mir in schwierigen Momenten am meisten hilft." Zitat: Roger Federer. Denn der ist ein Meister darin, mit Niederlagen umzugehen.

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Jeder Tennisspieler, der aktiv auf dem Platz das Racket schwingt, will sich verbessern. Sei es Novak Djokovic oder der ambitionierte Clubspieler Mitte 40, der soeben das Halbfinale bei den heimischen Vereinsmeisterschaften gegen seinen Teamkameraden verloren hat. Sie alle wollen gewinnen, ihre Schläge und allgemein ihr Tennis verbessern. Alter und Spielstärke spielen keine Rolle. Als Inspiration und Lernhilfe dienen die Profis und Topspieler. Techniken, Spielzüge und taktische Feinheiten werden sich abgeschaut und versucht bestmöglich in das eigene Spiel zu integrieren. Und hier kann man tatsächlich eine Menge lernen, auch wenn es ziemlich durcheinander ist: Wie hat Roger Federer die Situation bei Breakball gegen sich gelöst? Wie schafft es Rafael Nadal immer wieder aus der Defensive zu seinen Punkten zu kommen? Wie spielt Novak Djokovic 120 Mal nacheinander die Rückhand-Cross auf ein- und denselben Punkt?

Dieser Ansatz, sein eigenes Spiel zu verbessern, ist gut. Doch besteigt man dadurch direkt die dritte Sprosse auf der Leiter Richtung sportliche Entwicklung und Erfolg. Die ersten beiden Stufen werden beinahe blind übersprungen - aber dort liegt das Geheimnis. Dabei dient ausgerechnet die Karriere von Roger Federer als hilf- und lehrreiche Schule: Roger Federers Schule des Verlierens. Am meisten kann jeder Vereinsspieler aus den Niederlagen und der entsprechenden Reaktion von Roger Federer lernen. Wir erinnern uns zurück an die Siegerehrung nach dem Finale der Australian Open 2009, als Roger Federer eine unglaublich bittere Niederlage gegen Rafael Nadal einstecken musste und seine Rede nur unter Tränen und Verzweiflung halten konnte.

Die Schule

Aufgrund der überragenden Erfolge des Schweizers bleiben seine Niederlagen eher in schwacher Erinnerung. Das liegt allerdings ausschließlich daran, dass Roger Federer immer seine Niederlagen angenommen und sich weiterentwickelt hat - und nie den Kopf in den Sandplatz steckte. Der Unterschied zwischen Roger Federer und Millionen anderer Spieler liegt nicht nur in seinem Talent. Sondern in der Fähigkeit, mit Niederlagen und Rückschlägen umzugehen, diese zu nutzen und schlussendlich sein Spiel und seinen Charakter auf dem Platz zu formen. Die derzeitige Erfolgsserie gegen seinen ewigen Rivalen aus Spanien ist der fundamentale Beweis für diese einzigartige Fähigkeit, die ihn zum besten Tennisspieler aller Zeiten machen wird. Federer brauchte ein paar Jahre, um einen Schlüssel für das "Nadal-Türchen" zu finden. Resignieren? Auch nach Jahren des Scheiterns? Niemals. Nicht die Vorhand macht Roger Federer zum Besten; es ist genau diese Mentalität. Roger Federer hat die Schule des Verlierens mit einem Meisterdiplom abgeschlossen.

Wie kannst du diese Schule nutzen?

Nach einer Niederlage beschäftigst du dich wahrscheinlich nur flüchtig oder gar nicht mit dem Match. Du nimmst die Niederlage hin, weil der Gegner besser war, du einen schlechten Tag hattest oder der Platz zu langsam war. Stehst du dann im nächsten Match auf dem Platz, willst du aber unbedingt gewinnen und ärgerst dich dann umso mehr, wenn du das zweite Match in Serie verlierst. Auch dann hakst du die Niederlage schnell ab, gehst zurück in deine Komfortzone und kloppst in den nächsten Tagen ein paar Bälle über das Netz. In diesem Fall bist du an der Schule des Verlierens vorbeigelaufen, ohne den Unterricht besucht zu haben. Du hast nichts aus deinen Niederlagen gelernt. Dabei könnte das, was du aus der ersten Niederlage gelernt hättest, das Ergebnis für dein nächstes Match umdrehen - zu deinen Gunsten.

Die Fächer in deiner persönlichen Schule des Verlierens könnten wie folgt lauten:

- Probleme annehmen- Lösungen finden

- eigene Fehler analysieren- Optimismus

- Kritik annehmen, verstehen und umsetzen

- das eigene Ego in der Tennistasche lassen

Eine Niederlage lehrt dich mehr als drei Siege. Es liegt einzig und allein an deiner Einstellung, die du zu deinen Niederlagen findest. Blickst du nach unten und drehst dich weg oder begrüßt du die Niederlage und nimmst alles daraus mit, was dir gegeben wurde? Du kannst dir von Roger Federer nicht nur die Vorhand und den Aufschlag abschauen. Du kannst, wenn du etwas hinter den Vorhang blickst, auch seine Mentalität für dich übernehmen. Am wirkungsvollsten verbesserst du dich, wenn du für dich alleine trainierst, spielst - und denkst.

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