Wie du ein Match drehen kannst

Von Marco Kühn/tennis-insider.de
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© GEPA

Selbst wenn du ein Match am Anfang vollkommen aus der Hand gegeben hast, ist noch nichts verloren.

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Robert hat in seinen Mannschaftsspielen immer ein großes Problem. Sobald er von seinem Gegner in die Defensive gedrängt wird, verliert er in acht von zehn Fällen den Punkt. Robert kommt nicht mehr aus der Falle heraus. Sein Abstand zur Grundlinie wird von Schlag zu Schlag größer. Parallel dazu werden seine eigenen Schläge immer kürzer. Ein Teufelskreis entsteht. Eigentlich ist Robert ein offensiv ausgerichteter Spieler, der gerne selbst Druck ausübt und den Gegner mit schnellen Schlägen von dessen eigenem Spiel abbringt. Das Problem ist, dass Robert auf sein eigenes Spiel angewiesen ist. Kann er dieses nicht wie gewünscht aufziehen, bekommt er massive Probleme. An manchen Tagen hat Robert kein gutes Gefühl in seinen Schlägen. Ihm fehlen die Sicherheit und das Timing. Wenn Robert an diesen Tagen ein wenig von seinem Spiel abweicht und mit weniger Druck spielt, gerät er schneller in die Defensive. Dies wiederum ist Gift für seine eigene Sicherheit, die er für sein aggressives Spiel von der Grundlinie aber dringend benötigt.

Keine Antworten auf zu viele Fragen

Im letzten Heimspiel der Saison läuft für Robert in seinem Einzel nichts zusammen. Es steht 0:3 nach zwölf Minuten. Seine Schläge finden fast nie den Weg über die T-Linie. Sein Gegner spielt dazu eine hervorragende Vorhand aus dem Halbfeld, die Robert immer wieder zusetzt. Genau diese Vorhand ist es, die Robert in nahezu jedem Ballwechsel in die Defensive drängt. Trotz des eher langsamen Sandplatzes kommt Robert, wenn er einmal in die Defensive geraten ist, nicht mehr aus dieser heraus. Auch mental macht sich der Spielverlauf bei Robert bemerkbar. Er hadert mit sich und seinen Schlägen und führt viele destruktive Selbstgespräche. Robert scheint keine Antworten auf zu viele Fragen zu haben. Wie könnte man Robert in dieser Situation helfen? Was könnte man ihm bei 0:3, auf der Bank beim Seitenwechsel, sagen? Lass uns verschiedene Hinweise durchgehen:

"Robert, du spielst immer die gleichen Bälle, wenn du weit hinter der Grundlinie stehst. Du versuchst immer einen Konterschlag zu spielen. Dies ist riskant und du hast nicht genug Selbstvertrauen für diese Schläge. Dazu spielst du deinem Gegner zu oft auf die Vorhand. Versuche es mal mehr über die Rückhand"

Das taktische Konzept über die Rückhand scheint aufzugehen. Robert kommt besser in die Ballwechsel und kann diese zunächst länger gestalten. Dadurch erhält Robert langsam aber sicher mehr Sicherheit für sein eigenes Spiel. Dennoch gelingt es ihm noch nicht das Match zu kippen. Sein Gegner dominiert immer noch mit der Vorhand aus dem Halbfeld. Zwar kann sich Robert jetzt in vielen Ballwechseln näher an der Grundlinie aufhalten. Doch sobald er zwei bis drei Schritte hinter die Grundlinie gedrängt wird, geht der Punkt an den Gegner. Es steht nun 1:4 aus der Sicht von Robert.

Mit Geduld und einfachen Mitteln zurück an die Grundlinie

Robert sieht nun zuversichtlicher aus. Seine Körpersprache wirkt selbstbewusster - was auch seinem Gegner nicht verborgen bleibt. Sein Blick sucht jetzt nicht mehr auf dem Boden nach Lösungen. Sein Kinn sucht nicht mehr den Kontakt zur Brust. Seine Schritte zwischen den Ballwechseln sind nun ruhiger und nicht mehr so hektisch. Wie ein taumelnder Boxer hat sich Robert in die Ringecke gekämpft, sich erholt und ist nun bereit das Match mit einer besseren Einstellung und einer weiterentwickelten Taktik anzugehen. Jetzt ist es an der Zeit für neue taktische Hilfsmittel, um Robert endgültig aus der Defensive zu holen und das Match zu drehen.

"Es sieht jetzt schon wesentlich besser aus, Robert. Du findest langsam deine Sicherheit in den Schlägen. Kalkuliere aber trotzdem deinen Einsatz an Risiko richtig. Um das Ding jetzt zu drehen, musst du aus der Defensive rauskommen, wenn dein Gegner Druck macht. Vergiss erst mal die schnellen Konterschläge. Du brauchst Zeit, um wieder zurück an die Grundlinie zu kommen. Gleichzeitig braucht dein Gegner einen unbequemen Ball, mit dem er sich erst mal beschäftigen muss. Versuche hoch und lang cross zu spielen. Mit viel Topspin. Cross ist der Ball etwas länger in der Luft unterwegs. Du bekommst dadurch mehr Zeit. Versuche dies umzusetzen, wenn es für dich weit hinter der Grundlinie brenzlig wird".

Die Wende

Robert verliert zwar den ersten Satz mit 4:6, konnte aber durch die veränderte Taktik und die gewonnene Sicherheit das Momentum im Match auf seine Seite ziehen. Die hohen und langen Cross-Bälle aus der Defensive haben dem Gegner die erhofften Aufgaben gegeben. Sein Gegner hat zunächst versucht, diese hohen Bälle im Aufsteigen zu spielen. Dabei unterliefen ihm aber einige Rahmenbälle und leichte Fehler. Dies verunsicherte den Gegner und die Wende im Match nahm langsam ihren Lauf - zugunsten von Robert. Im zweiten Satz macht sich diese Wende im Match auch endlich auf der Anzeigetafel bemerkbar. Nach einem Vorhand-Winner die Linie entlang stellt Robert auf 3:0 im zweiten Satz. Doch das Match ist noch lange nicht gewonnen. Robert kann jetzt weitere taktische Mittel in sein Spiel integrieren. Dies könnte man ihm jetzt mit auf den Weg zur endgültigen Wende geben:

"Hervorragend, Robert. Jetzt hat sich alles gedreht, merkst du das? Jetzt schlurft dein Gegner, mehr mit sich als mit dem Match beschäftigt, über den Platz. Jetzt wirkt er unsicher und du hast deine Sicherheit endlich gefunden. Zieh ihm jetzt das Heft komplett aus der Hand. Zeig ihm, dass du voller Selbstvertrauen bist und nimm die Bälle, wenn du dich gut fühlst, noch früher um aggressiv zu sein. Wenn dir mal ein Fehler unterläuft, ist das nicht schlimm - du hast nun ausreichend Selbstvertrauen. Streue auch mal einen Stopp ein, feuere dich an nach guten Punkten an."

Der Plan geht auf. Zwar bleibt das Match eng, aber das gewonnene Selbstvertrauen von Robert bleibt ungebrochen und sorgt für die richtigen Entscheidungen in den wichtigen und entscheidenden Matchsituationen. Selbst wenn du ein Match am Anfang vollkommen aus der Hand gegeben hast, ist noch nichts verloren. Es ist wichtig, dass du gründlich analysierst, was schief und gegen dich läuft. Du kannst auch deinen Mannschaftskollegen von außen helfen, indem du das Match genau beobachtest und dann während der Seitenwechsel auf deinen Kollegen einwirkst. Gib niemals auf. Kämpfe immer bis zum Schluss - mit Köpfchen!