Lob vor Tadel

Von Marco Kühn / tennis-insider.de
Trainer, Schüler, Training
© getty

Kritik vom Trainer drängt den Schüler in eine Ecke. Dieser will sich dann verteidigen, der Lerneffekt wird unterbrochen. Aber es geht auch anders.

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Kritik erregt Unmut. Überall im Leben und erst recht auf dem Tennisplatz. Im Training wird von den Schülern Leistung gefordert. Doch je mehr ungesunder Druck in Form von Mißbilligung und Kritik aufgebaut wird, desto schlechter wird sich dies auf die Leistungsfähigkeit der Schüler auswirken. Ständige Kritik und Aufbau von Angst bewirken, dass der Schüler mit geringerer Aufmerksamkeit zuhört. Eine Verbesserung der Fähigkeiten ergibt sich auf diese Weise nicht. Jeder, der schon einmal versucht hat total verunsichert einen guten zweiten Aufschlag zu spielen, weiß das.

Kritik vom Trainer drängt den Schüler in eine Ecke. Dieser will sich dann verteidigen. Der Lerneffekt wird unterbrochen. Kritik erregt Unmut, die sich nicht sofort zeigt. Unbehagen steigt auf. Der Schüler sehnt sich nach Anerkennung; und nicht nach Mißbilligung.
Kritik ändert nichts an dem vergangenen Fehler. Stattdessen greift sie den Stolz des Schülers an und verunsichert ihn für die weitere Übung und die weiteren Schläge.

Eine kleine Geschichte

Luisa ist 16 Jahre jung. Sie spielt bereits seit neun Jahren Tennis. Ihre Spielstärke ist gut, doch ist sie von Natur aus nicht sehr selbstbewusst. Luisa ist vielmehr zögerlich und ängstlich auf dem Platz. Obwohl ihr Trainer genau weiß, dass sie dazu eigentlich gar keinen Grund hat. Im Training verliert ihr Trainer deswegen schnell seine buddhistische Ruhe. Luisa macht im Training wenig Fehler. Doch wenn es um die Übungen geht, bei denen aggressiv und mit Tempo gespielt werden soll, kommt das Zögerliche von Luisas Charakter zum Vorschein.

Wenn ihr Trainer Luisa in diesen Momenten mit herber Kritik und verletzenden Worten entgegentritt, wird wohl was passieren? Richtig. Luisa fühlt sich persönlich angegriffen. Ihre eh ängstliche Grundeinstellung wird nur noch weiter genährt. Luisa wird die Übung dadurch noch ängstlicher spielen. Machen wir an dieser Stelle einen Sprung und schauen, wie sich das Verhalten des Trainers auf eine konkrete Matchsituation von Luisa auswirken kann.

Steht Luisa in einem wichtigen Match auf dem Platz, wird automatisch das abgerufen, was Luisa zuvor im Training gespielt und vor allem gehört hat. Das Unterbewusstsein speichert jeden Gedanken. Je enger das Match ist, desto größer wird die innere Anspannung. Zu dieser unangenehmen Belastung gesellt sich jetzt die vom Trainer verursachte, zusätzliche Verunsicherung. Luisa fällt es im Match dementsprechend schwer, irgendeinen positiven Anhaltspunkt zu finden. Einen Effekt, der ihr in dieser komplizierten Matchsituation helfen würde, ist meilenweit entfernt.

Aufrichtig anerkennen und großzügig loben

Luisa kann durch ihren Trainer aber auch positiv im Training für ein Match beinflusst werden. Wenn der Trainer sich dafür entscheidet erst zu loben, um dann die gewünschten Veränderungen und Ansprachen vorzunehmen. Wird zunächst etwas positives angesprochen und der Schüler gelobt, so hat der Trainer die volle Aufmerksamkeit seines Schülers. Die Basis für die dann folgende Ansprache ist eine andere, eine wesentlich gesündere.

Anstatt nach einem leichten Fehler bei der Vorhand zu sagen

"Luisa, verdammt. Du sollst nicht offen zum Ball stehen. Wie oft muss ich dir das noch sagen?! Stell dich seitlicher zum Ball, komm dann mehr aus den Beinen!"

sollte der Coach anders vorgehen:

"Der Spin im Schlag war sehr gut Luisa. Du hast den Ball früh genommen, spitze. Wenn du dich jetzt noch seitlicher zum Ball stellst, kannst du noch mehr aus den Beinen heraus kommen. So wirst du deine Fehlerquote reduzieren."

Im ersten Beispiel wird Luisa nach einem Fehler weiter unter Druck gesetzt. Bereits nach dem ersten Satz des Trainers wird Luisa in Gedanken mit eigenen Vorwürfen und Zweifeln beschäftigt sein. Im zweiten Beispiel wird durch das sofortige Lob zu Beginn der Ansprache des Trainers Luisas Aufmerksamkeit geweckt, um anschließend die erforderlichen Verbesserungen und Korrekturen vorzunehmen. Luisa geht aus dieser Ansprache wesentlich glücklicher heraus.

Und hat für das nächste enge Match einen positiven Anker im Unterbewusstsein, der einen hilfreichen Effekt bewirken wird.

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