Tatjana Maria: "Ich weiß, dass viele Gegnerinnen mein Spiel nicht mögen"

Von Ulrike Weinrich
Tatjana Maria, Wimbledon
© getty

Tatjana Maria hat gut eine Woche nach ihrem ersten Turniersieg auf der WTA-Tour auch zum Auftakt des Wimbledon-Turniers überrascht. Die 30-Jährige bezwang die Weltranglistenfünfte Elina Svitolina (Ukraine), blieb sich aber auch im Moment des Triumphs treu.

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Von Ulrike Weinrich aus Mallorca

Dass für Tatjana Maria besondere Zeiten angebrochen sind, bewies schon der Blick auf die Liste der Interviewanfragen. Die New York Times hatte sich um ein exklusives Gespräch mit der Weltranglisten-57. bemüht. Und die auch in Tenniskreisen hoch angesehene Zeitung bekam am Montagabend um 22.20 Uhr in Raum 4 dann auch den ersehnten Termin mit Maria.

Ein großer Sieg - aber Töchterchen Charlotte durfte nicht rein

Zuvor hatte sie nach der verdienten Dusche und einer Massage schon den deutschen Medienvertretern verraten, wie gut sich dieser 7:6 (7:3), 4:6, 6:1-Erfolg gegen Svitolina anfühlte. Es war der erste Erfolg der gebürtigen Schwäbin gegen eine Kontrahentin aus dem illustren Kreis der Top 5.

Und das unter erschwerten Bedingungen, wenn man so will. Töchterchen Charlotte (4) hatte draußen bleiben müssen, denn anders als bei anderen Tournaments sind in Wimbledon erst Kinder ab fünf Jahren auf den Rängen der Courts erlaubt. Da die Betreuung des Nachwuchses der Profis aber um 20 Uhr die Schotten dicht machte, hatten Tatjana Maria und ihr Ehemann Charles, der gleichzeitig ihr Coach ist, ein kleines Problem.

Der Coup von Mallorca als Dosenöffner

"Der Cousin musste dann mit Charlotte draußen bleiben und warten", berichtete die deutsche Nummer drei über die Begleitumstände, die sie nicht von einem ihrer größten Erfolge abhalten konnten. Allerdings hatte "Tadde" schon gut eine Woche zuvor bei den Mallorca Open in Santa Ponsa angedeutet, was sie auf Rasen zu leisten im Stande ist.

Ihren ersten Turniersieg holte sich Maria im Finale gegen Anastasija Sevastova (Lettland), die im Ranking 37 Plätze vor ihr notiert ist und als Titelverteidigerin auf die Sonnensinsel gereist war. Dass der Coup von Mallorca wie ein Dosenöffner wirken könnte, das merkte Maria bereits in Wimbledon.

Der neu erworbene Respekt half auch gegen Svitolina

"Persönlich hat sich durch den Sieg auf Mallorca nicht viel verändert. Aber die anderen Spielerinnen sehen einen ein bisschen anders und haben mehr Respekt. Ich glaube, dass mir das gegen Svitolina teilweise auch geholfen hat", sagte Maria, die die Ukrainerin mit ihren geschnittenen Bällen (nicht selten auch mit der Vorhand) schier zur Verzweiflung brachte.

Symptomatisch der Matchball, dem ein klassischer Angriffsball der Außenseiterin mit der Slice-Rückhand vorausgegangen war. Maria bildet mit der Rumänin Monica Niculescu den angenehmen Kontrast zu den Powerspielerinnen der aktuellen Generation. Und mit ihrem feinen Händchen nervt sie die ein oder andere Kontrahentin offenbar tierisch. "Das merke ich manchmal schon, bevor wir auf den Platz gehen. Ich weiß, dass viele mein Spiel nicht mögen, es ist einfach anders als das normale", meinte Maria.

Ursachenforschung für Niederlagenserie uferte nicht aus

Gerade auf Mallorca sei ihr klar geworden, dass ihre ungewöhnliche Vorgehensweise "nicht allen liegt". Überraschungsmomente gibt es etliche, wenn Maria auf dem Court steht und die "Geschosse" ihrer Gegnerinnen entschärft. Die "Hau-drauf"-Taktik vieler erweist sich gegen die quirlige Bad Saulgauerin mit Wohnsitz Florida oftmals als Bumerang.

Dabei hatte die bisherige Saison für Maria bis Mitte Juni deutlich mehr Schatten als Licht. 15 Niederlagen standen auf der WTA-Tour nur drei Siege gegenüber. Doch die Ursachenforschung uferte nicht aus. "Ich war eigentlich nie frustriert. Es kamen Ereignisse zusammen, die mich nicht wirklich runtergezogen haben. Ich habe immer gesehen, es gibt einen Grund, aber wenn ich weiter daran arbeite, wird sich das irgendwann drehen", beschrieb Maria die sportlich schwierige Phase, in der sie allerdings die deutsche Mannschaft ins Fed-Cup-Halbfinale führte.

Maria weiß die Dinge einzuordnen: "Für mich ist meine Familie das Wichtigste"

Die 30-Jährige ruht in sich selbst, das merkt man. Was auch daran liegt, dass sie die Dinge einzuordnen weiß. Sowohl die positiven als auch die negativen. "Es war natürlich schön, den Titel in Mallorca zu gewinnen, aber für mich ist meine Familie das Wichtigste. Das Allerwichtigste ist, dass wir zusammen reisen, und meiner Tochter geht es gut." Die zuckersüße Charlotte spielt auch schon Tennis: "Wenn sie mich gewinnen sieht, dann ist es auch schön für alle", erzählt Maria.

Die Nummer 57 im Ranking weiß nur zu gut, wie wichtig es ist, glückliche Momente zu genießen. Vor rund zehn Jahren hatten Ärzte nur durch Zufall eine lebensbedrohliche Thrombose in ihrem Bein entdeckt. Die Folge waren operative Eingriffe und eine mehrmonatige Rehabilitation. Im gleichen Jahr verstarb ihr Vater, Heinrich Malek, ein ehemaliger polnischer Handball-Nationalspieler.

Der Mythos Wimbledon: "Man sieht überall Grün"

Tatjana Maria hinterfragte ihre Tennis-Karriere - fand durch sie aber ihre große Liebe. "Ohne Charles hätte ich das wahrscheinlich nicht durchgestanden", hat sie einmal über den Umgang mit den Schicksalsschlägen gesagt. Ihr Mann und Coach saß natürlich auch am Montagabend in der Box.

Wohlwissend, dass seine Frau den vielzitierten Wimbledon-Mythos deutlich spürt. "Es ist eines meiner Lieblingsturniere. Es ist unglaublich, wenn man auf die Anlage kommt. Das Gefühl ist komplett anders als bei anderen Events. Man sieht überall grün und fühlt sich einfach wohl", berichtete Maria, die sich auch gerne mal einfach nur auf den Rasen setzt - und genießt.

Am Mittwoch wartet nun die ehemalige Stuttgart-Finalistin Kristina Mladenovic (Frankreich) auf die Deutsche. Bleibt zu hoffen, dass es kein Abend-Match ist und die Kinderbetreuung auf der Anlage an der Church Road noch geöffnet hat - denn: Tochter Charlotte wird erst am 20. Dezember ihren für Wimbledon so relevanten fünften Geburtstag feiern.

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