Wimbledon: Angelique Kerber erreicht Finale nach Zweisatzsieg

Von Ulrike Weinrich
Angelique Kerber, Wimbledon
© getty

Angelique Kerber hat dank einer ganz coolen Vorstellung zum zweiten Mal nach 2016 das Finale von Wimbledon erreicht und greift am Samstag auf dem berühmtesten Centre Court im Tennis-Universum nach ihrem dritten Grand-Slam-Titel. Die Weltranglistenzehnte besiegte im Halbfinale die ehemalige French-Open-Gewinnerin Jelena Ostapenko (Lettland/Nr. 12) mit 6:3, 6:3. Im Endspiel trifft Kerber nun auf Julia Görges (Bad Oldesloe/Nr. 13) oder den 23-maligen Grand-Slam-Champion Serena Williams (USA).

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Von Ulrike Weinrich aus Wimbledon

Nach 1:07 Stunden verwandelte Kerber in ihrem siebten Major-Semifinale seit 2011 den zweiten Matchball und blickte überglücklich in ihre Box, in der unter anderem ihr Coach Wim Fissette und ihre Mutter Beata jubelten.

Coole Kerber "Ein großartiges Gefühl, wieder im Finale zu stehen"

"Das ist so ein großartiges Gefühl, hier wieder im Finale zu stehen. Ich wusste, dass die Partie gegen Jelena schwer wird, aber ich habe mich gut bewegt. Ich bin einfach happy", sagte Kerber. Vor zwei Jahren schon hatte die Linkshänderin an der Church Road das Finale erreicht, dort aber in zwei Sätzen gegen Serena Williams verloren.

Auch Barbara Rittner, Damen-Chefin im DTB, war begeistert von ihrer Nummer eins: "Angie hat das super gemacht. Sie ist ruhig geblieben und hat konstant gespielt. Für mich ist sie hier die beste Spielerin. Ich habe schon nach ihrem starken Saisonauftakt gesagt, dass sie in diesem Jahr Wimbledon gewinnt."

Noch ein Schritt zum Wimbledon-Titel, dem ultimativen Coup im Welttennis

Mit einem Coup im Rasen-Mekka könnte Kerber ihre Sammlung um den wichtigsten Titel im Welttennis aufstocken. Die Kielerin hatte in ihrer Märchensaison 2016 die Australian Open und die US Open gewonnen und war an die Spitze der Weltrangliste gestürmt - als erste Deutsche nach Steffi Graf.

Ostapenko begann vor rund 15.000 Zuschauern gewohnt druckvoll, obwohl ihr gleich zu Beginn ein Doppelfehler unterlief. Vor vier Jahren hatte die Lettin den Wimbledon-Juniorentitel geholt, der French-Open-Triumph 2017 machte sie dann zur Volksheldin. Sogar eine Briefmarke mit dem Konterfei der 21-Jährigen wurde herausgebracht. Am ersten Tag wurden damals bereits 55.000 Stück verkauft.

Ostapenko spielte alles oder nichts - Kerber wartete auf ihre Chance

Den ersten Breakball des Halbfinals erarbeitete sich gleich im ersten Spiel aber Kerber. Doch mit einem Vorhandgewinnschlag begradigte Ostapenko die Sache wieder und holte sich mit einem Ass die Führung. Symptomatisch für ihr riskantes Vorgehen: Nach drei Spielen hatte sie bereits zwölf Winner (!) und acht unerzwungene Fehler (!) auf der Rechnung. Es war deshalb schwierig für Kerber, ihren Rhythmus zu finden. Immer wieder ging ein Raunen durch die Menge, wenn Ostapenko einen ihrer Hammerschläge auspackte.

Die 21-Jährige war ohne Satzverlust in die Runde der letzten Vier eingezogen, Kerber hatte ausgerechnet gegen die numerisch schwächste Gegnerin in der zweiten Runde drei Durchgänge benötigt. Danach hatte sich die ehemalige Nummer eins aber kontinuierlich gesteigert.

"Angie" gelang das ersehnte Break im ominösen siebten Spiel

Kerber wehrte im sechsten Spiel einen Breakball gegen Ostapenko ab - nervenstark mit einem Ass. Unmittelbar danach konnte sie vor den Augen von Ikone Billie Jean King dann endlich ihre insgesamt dritte Chance nutzen, der Lettin im ominösen siebten Spiel den Aufschlag abzunehmen. Wenig später "schenkte" ihr Ostapenko mit ihrem zweiten Doppelfehler den ersten Satz nach 34 Minuten. Die Deutsche blickte entschlossen in ihre Box und zeigte die Siegerfaust.

Während sich Kerber bis dato gerade einmal zwei Unforced Errors erlaubt hatte, kam "Alles-oder-nichts"-Ostapenko auf 19 unerzwungene Fehler (18 Winner). In der Folge wurde die zweimalige Grand-Slam-Gewinnerin immer dominanter, die Lettin baute sichtlich ab und gab ihren Aufschlag zum 0:2 ab. Geschlagen gab sie sich aber noch nicht, obwohl Kerber bei eigenem Aufschlag lange Zeit keine Schwächen zeigte.

Zwar verpasste sie es bei einem 5:1-Vorsprung zunächst, zum Matchgewinn auszuservieren und verlor zwei Spiel in Serie, doch wenig später machte Kerber den Finaleinzug perfekt.

Kerber setzt auf ihre Gewohnheiten und ist auf einer Mission

Kerber hatte am freien Mittwoch keine Experimente gewagt und ihre Routine durchgezogen - unter anderem mit einer über einstündigen Trainingseinheit zur Mittagszeit. Danach ließ sie sich von ihrem Physio André Kreidler behandelt, der bei den Olympischen Winterspielen 2018 schon die deutschen Eishockey-Silberjungs betreut hatte. Am Abend schaute sich Kerber Halbfinale der Fußball-WM zwischen England und Kroatien (1:2) im TV an.

Schon seit Beginn des Turniers wirkt die Fed-Cup-Spielerin extrem fokussiert, als sei sie auf einer Mission. Auch diesmal hat das "Team Kerber" wieder ein Haus ganz in der Nähe der Anlage angemietet. Zumindest dabei setzt "Angie" auf Abwechslung: Es ist in jedem Jahr ein andere Unterkunft. Ansonsten setzt sie auf ihre gewohnten Tagesablauf. Am Donnerstag hatte sich Kerber zusammen mit Coach Fissette von 10.30 bis 11.00 Uhr eingeschlagen. Wie üblich auf Court 14, dem abgeschiedensten Platz auf dem Übungsgelände im Aorangi Park.

Am Donnerstagmittag hat Julia Görges noch die Chance, das erste deutsche Frauen-Finale in Wimbledon seit 1931 perfekt zu machen: Vor 87 Jahren hatten sich Cilly Aussem und Hilde Krahwinkel auf dem heiligen Rasen gegenübergestanden.

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