Kerber und Zverev: Inspiriert und eingebrochen

Angelique Kerber
© getty

Während Angelique Kerber mit einer Glanzleistung ins Achtelfinale einzog, kam für Alexander Zverev das Aus in Runde drei - mit der Höchststrafe zum Schluss.

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Von Jörg Allmeroth aus London

Als sich Angelique Kerber gerade mit dem ein oder anderen Fan zu einem Selfie nahe des Centre Court-Ausgangs aufstellte, ging noch einmal ein Beifallssturm über die Hauptwiese Wimbledons. Der Applaus galt allerdings nicht mehr der strahlenden Siegerin aus Deutschland, sondern den englischen WM-Kickern und ihrem 2:0-Halbfinalsieg im russischen Samara gegen Schweden. Es war die letzte, nun hörbare Kollision zwischen Tennis und Fußball an diesem denkwürdigen 7. Juli, nachdem zuvor bei Kerbers glattem 6:2, 6:4-Drittrundensieg gegen die Taiwanesin Naomi Osaka viele Plätze auf dem berühmtesten Tennisplatz der Welt leer geblieben waren.

Ganz ähnlich war das Bild auch bei Alexander Zverevs Knockout: Vor schwach gefüllten Rängen startete Zverev gut in die Partie gegen den ehemaligen Top Ten-Mann Ernests Gulbis, geriet dann in Schwierigkeiten, verlor nach einer wahren Achterbahnfahrt schließlich mit 6:3, 6:7 (3:7), 7:5, 3:6 und 0:6 und verpasste so den zweiten Einzug in die Runde der letzten 16 im Südwesten Londons.

Kerber trotz dem Favoritinnensterben

Wer seine teuren Tickets auf dem Centre Court voll ausnutzte, sah Kerber in Glanzform auf dem Weg ins Achtelfinale, in die zweite, alles entscheidende Turnierwoche: Hochkonzentriert, aggressiv, couragiert, dominierend von der ersten bis zur 63. Minute. "Ich bin superzufrieden mit diesem Auftritt. Es war genau das, was ich mir gewünscht habe", sagte die Deutsche, die sich damit auch dem allgemeinen Favoritinnensterben beim wichtigsten aller Grand Slam-Höhepunkte widersetzte. Am Samstag schied auch die Weltranglisten-Erste Simona Halep nach einem Drei-Satz-Krimi gegen die Taiwanesin Hsieh Su-Wei aus, damit ist von den Top Ten nur noch die Tschechin Karolina Pliskova im Turnier verblieben. Hinter Pliskova sind Kerber und Julia Görges - sie hatte bereits am Freitag das Achtelfinale erreicht - die beiden höchstgesetzten Spielerinnen, die noch im Titelrennen sind.

"Ich schiele aber nicht auf die Ergebnisse der anderen", sagte Kerber, "ich konzentriere mich ganz auf mich selbst." Am Montag wird Kerber eine äusserst heikle Herausforderung bevorstehen, dann tritt sie gegen die wiedererstarkte Schweizerin Belinda Bencic an. Die "neue Miss Swiss" ist nach längeren Verletzungsproblemen und privaten Krisen genau zum Wimbledon-Turnier wieder in Form gekommen. Bencic gilt als eine Art Angstgegnerin von Kerber, die bisher alle drei zurückliegenden Vergleiche verloren hat, zuletzt beim Fed Cup-Duell zwischen der Schweiz und Deutschland im Februar 2016 - unmittelbar nach Kerbers Australian-Open-Triumph.

"Magisches Gefühl" für Kerber

Kerber sammelte allerdings gegen Osaka genügend Selbstvertrauen ein, um die schwarze Serie gegen die 21-jährige Eidgenossin durchbrechen zu können. Gegen Osaka hatte sie 2017 bei den US Open eine vernichtende Niederlage einstecken müssen, es war das bittere Ende einer ohnehin verkorksten Grand Slam-Saison. Doch dass sich die ehemalige Weltranglisten-Erste von diesem Seuchenjahr erholt hat, neu aufgestellt ist mit ihrem veränderten Betreuerteam und wieder bereit ist zu Großtaten, zeigte sie imponierend am Ende der ersten Wimbledon-Woche.

Kerber spielte vor den Augen von Fußball-Legende Bobby Charlton, der tapfer in der Royal Box ausharrte, durchgehend vorwärtsorientiert, verfiel in der Partie nie in eine Vorsichtshaltung, auch nicht im etwas umkämpfteren zweiten Satz. "Der Auftritt hier auf dem Centre Court hat mich auch inspiriert. Es ist einfach eim magisches Gefühl, hier spielen zu können", sagte die 30-jährige später. Kerber sei in dieser Verfassung erst recht zu den Titelanwärterinnen zu zählen, sagte bei der BBC die Grande Dame des Frauentennis, Martina Navratilova: "Das erinnerte an ihre Matches aus dem Jahr 2016." Damals, zur Erinnerung, gewann Kerber nicht nur zwei Grand Slam-Turniere, sondern erreichte auch das Damenfinale von Wimbledon.

Zverev machte es gegen Gulbis, den unberechenbaren Letten, gewohnt spannend. Bei einem 3:5-Defizit im dritten Satz startete der Hamburger eine furiose Aufholjagd, vermied mit vier gewonnenen Spielen zum 7:5 zunächst den Rückstand. Aber Sicherheit und Selbstbewußtsein zog er aus diesem Comeback nicht, verlor dann die letzten beiden Sätze sang- und klanglos.

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