Wimbledons Dilemma mit der Spielansetzung

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Der "Manic Monday" in Wimbledon ist für die Tennisfans ein Festtag. Doch für die Veranstalter bringt er auch Probleme mit sich, unter anderem bei der Spielansetzung der Damen- und Herrenmatches.

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Von Christian Albrecht Barschel aus Wimbledon

Als Roger Federer am gestrigen "Manic Monday" um 18:50 Uhr Ortszeit sein Achtelfinalmatch gegen Grigor Dimitrov beendet hatte, war der Spielbetrieb auf dem Centre Court für den Tag beschlossen, und die Veranstalter in Wimbledon standen vor einem Dilemma. Zur gleichen Zeit auf Court 1 waren Rafael Nadal und Gilles Müller zugange, es stand 4:4 im fünften Satz. Im Anschluss sollte noch das Achtelfinale zwischen Novak Djokovic und Adrian Mannarino folgen. Es hätte alles ganz schnell gehen auf Court 1 können, wenn Müller um kurz nach 19 Uhr einen seiner zwei Matchbälle genutzt hätte.

Sicherheit hat Vorrang

Doch die Partie entwickelte sich von Minute zu Minute immer mehr zu einem der epischsten Matches in der Turniergeschichte. Da kein Ende abzusehen war, stellte sich die große Frage: Was tun mit Djokovic gegen Mannarino? Der Centre Court war frei, dank des Flutlichtes hätte dort bis 23 Uhr gespielt werden können (wegen Ruhestörung für die Anwohner darf es nicht noch länger gehen). Wäre dies die beste Lösung gewesen? Im Pressezentrum schauten die Journalisten gespannt auf die Ereignisse auf Court 1 und diskutierten kontrovers über die Möglichkeiten. Sollten Djokovic und Mannarino auf Court 1 beginnen und später auf den Centre Court wechseln, wenn die Dunkelheit einbrach? Hätte das Match sofort auf den Centre Court verlegt werden sollen? Wer hätte dann Zutritt gehabt? Nur die jeweiligen Centre-Court-Kartenbesitzer am Tag oder wäre es frei für alle auf der Anlage gewesen? Nadal gegen Müller ging immer munter weiter, um 20 Uhr stand es 10:10, und die Veranstalter hatten noch immer keine Lösung für Djokovic gegen Mannarino gefunden bzw. weder den Journalisten noch den Zuschauern kommuniziert.

Um 20:32 Uhr verwandelte Müller schließlich seinen fünften Matchball. Kurz danach stand auch fest: Djokovic gegen Mannarino wird am "Manic Monday" nicht mehr gespielt und auf Dienstag verschoben. Nach dem Zögern der Veranstalter gab es Kritik von allen Seiten. "Sie hatten die goldene Möglichkeit zu handeln, aber sie taten es nicht. Das war ein Fehler", sagte John McEnroe. Wenig später kam ein offizielles Statement von Wimbledon, in dem das zögerliche Handeln erklärt wurde. "Die Sicherheit von allen Zuschauern der Championships hat die oberste Wichtigkeit. Die Priorität war es, Djokovic gegen Mannarino wie geplant auf Court 1 zu spielen. Als dies keine Option mehr war, wurde festgelegt, dass dieses Match nicht auf den Centre Court hätte verlegt werden können wegen der vielen Zuschauer, die noch auf der Anlage waren. Um 20:30 Uhr waren immer noch 30.000 Menschen auf der Anlage. Die Verlegung des Matches hätte daher ein gravierendes Sicherheitsproblem kreiert."

Widerstand gegen Spielplan in Wimbledon

Die Entscheidung der Veranstalter ist absolut nachvollziehbar, denn es handelte sich nicht um irgendein Match, sondern um einen dreimaligen Wimbledonsieger. Der Andrang wäre vermutlich viel zu groß gewesen. Der Leidtragende dieses Zögerns ist Djokovic. Denn nach dem Sieg gegen Mannarino muss er zwei Best-of-five-Matches in zwei Tagen spielen, während Viertelfinalgegner Tomas Berdych ausgeruht in das Match am Mittwoch gehen kann. Der Widerstand gegen die eigenwillige Spielplansetzung in Wimbledon formiert sich immer mehr. Vielen Spielerinnen, Journalisten und Zuschauern stößt es sauer auf, dass die Männer im Spielplan klar bevorzugt werden. Auf dem Centre Court werden an den ersten sieben Turniertagen, bis einschließlich des "Manic Monday", zwei Herrenmatches und nur ein Damenmatch angesetzt. Und auch auf Court 1 wird an den meisten Tagen genauso verfahren.

Dieses Vorgehen führt vor allem am "Manic Monday" zu Problemen, wo alle Achtelfinals der Damen und Herren parallel stattfinden und nicht wie bei den anderen Grand Slams aufgeteilt auf zwei Tage sind. Für viele Tennisfans ist dies der tollste Tag im Jahr, für Journalisten eine große Herausforderung und nervliche Belastungsprobe. Auch in diesem Jahr wurde jeweils nur ein Damenmatch auf dem Centre Court und Court 1 angesetzt. "Wir haben das gleiche Preisgeld, also warum haben wir nicht die gleiche Vertretung auf dem Centre Court und Court 1?", fragte Chris Evert: "Anstatt vier Herrenmatches und zwei Damenmatches würde ich gerne, und wahrscheinlich alle Frauen, drei Herrenmatches und drei Damenmatches sehen, das mit dem gleichem Preisgeld einhergeht."

Kerber überrascht über Ansetzung

Turnierdirektor Richard Lewis reagierte auf die Kritik wie folgt, und nahezu im gleichen Wortlaut wie im Vorjahr. "Ich würde nicht sagen, dass es Bevorzugung ist. Ich würde sagen, es ist das Nehmen der populären Matches." Angelique Kerber wurde nach ihrem Achtelfinal-Aus gefragt, ob sie überrascht war, dass sie, als "das beste Produkt" im Damentennis, also die Weltranglisten-Erste, zum zweiten Mal hintereinander auf Court 2 angesetzt wurde. Die noch amtierende Weltranglisten-Erste zeigte sich überrascht, dass sie nicht auf einem der beiden größten Plätze spielen durfte, nahm es aber recht gelassen zur Kenntnis. Das hochklassige Match zwischen Kerber und Garbine Muguruza, zweier Wimbledonfinalistinnen, hätte sicherlich eine Ansetzung auf dem Centre Court oder Court 1 mehr als verdient gehabt.

Doch man darf nicht verschweigen, dass Kerber nach dem Ausfall von Titelverteidigerin Serena Williams am Dienstag den Spielbeginn auf dem Centre Court eröffnen durfte, ihr Zweitrundenmatch spielte sie auf Court 1. Und ob Kerber tatsächlich derzeit das "beste Produkt" im Damentennis ist? Die Deutsche ist zwar die Nummer eins, hat aber dieses Jahr nicht eine Top-20-Spielerin bezwungen. Am Achtelfinaltag gab es gleichwertige Optionen: Lokalmatadorin und Publikumsliebling Johanna Konta, French-Open-Siegerin Jelena Ostapenko gegen Elina Svitolina, Victoria Azarenka gegen die wahrscheinlich zukünftige Nummer eins, Simona Halep, und Venus Williams gegen die 19-jährige Ana Konjuh. Williams, fünfmalige Wimbledonsiegerin, wurde in den vergangenen Jahren bei der Spielansetzung oft benachteiligt.

Murray will vier Matches

Was also tun in Zukunft mit dem Spielplan in Wimbledon, vor allem am "Manic Monday"? Andy Murray, der dieses Jahr jedes Match auf dem Centre Court spielen durfte, präferiert diese Lösung: "Es wäre viel besser, wenn es vier Matches auf dem Centre Court und Court 1 geben würde. Dann hätte man zwei Damen- und zwei Herrenmatches. Aber ich entscheide nicht über den Spielplan. Wenn man um 13 Uhr beginnt und man nicht unter Flutlicht spielen kann, hat man eine begrenzte Zeitspanne. Vielleicht wäre es besser, wenn man die Matches etwas früher beginnen lässt und sie gleichwertig zwischen Damen und Herren aufteilt. Das ist nicht die schwerste Sache zu tun."

Was gegen vier Matches spricht: Vor allem der Rasen auf dem Centre Court braucht viel Pflege, noch mehr Spielbetrieb könnte daher kontraproduktiv sein. Der spielfreie mittlere Sonntag wird laut Veranstaltern auch benötigt, damit der Rasen auf Vordermann gebracht wird. Und die Briten brechen ungern mit ihren Traditionen. Eine davon ist es, dass der Spielbeginn auf den zwei größten Plätzen später losgeht als auf den Außenplätzen. Turnierdirektor Lewis kündigte jedoch an, dass vier Matches, vor allem am "Manic Monday", in Betracht gezogen werden, aber erst 2019, wenn Court 1 ebenfalls ein Dach und Flutlicht haben wird. "Ich denke, 2019 ist eine Möglichkeit für uns, auf diesen besonderen Tag zu schauen", sagte Lewis. Die Lösung mit vier Matches auf dem Centre Court und Court 1 sollte zügig umgesetzt werden, um die leidige Diskussion bezüglich der Spielansetzung in Wimbledon zu beenden.

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