Tollster Tag, schwärzester Tag

Alexander Zverev blieb nur die faire Gratulation
© getty

Angelique Kerber hatte Siegchancen, ebenso Alexander Zverev - am Ende mussten sich die beiden besten deutschen Tennisprofis am Montag allerdings aus Wimbledon verabschieden.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Von Jörg Allmeroth aus London

Es ist der größte Tag der Saison, der Manic Monday von Wimbledon. Doch für das deutsche Tennis wurde er an diesem 10. Juli 2017 zu einem der schwärzesten, frustrierendsten Grand Slam-Tage der letzten Jahre. Erst kassierte Angelique Kerber trotz ihrer besten Leistung in dieser Spielzeit eine gallenbittere 6:4, 4:6, 4:6-Niederlage gegen die Spanierin Garbine Muguruza, die auch ihren Sturz vom Tennisgipfel markierte. Und dann verspielte im Abendlicht auf Court 2 des All England Club, dort, wo auch Kerbers Hoffnungen zerschellt waren, Alexander Zverev eine 2:1-Satzführung und verlor noch mit 6:4, 5:7, 6:4, 5:7 und 1:6 gegen den kanadischen Aufschlag-Kanonier Milos Raonic. Welch ein Schlamassel: Erst hatten die deutschen Nummer-Eins-Spieler kein Glück - und dann kam auch noch Pech hinzu.

Kerber verlor Platz eins in der Weltrangliste ausgerechnet an einem Tag, an dem sie wieder wie die Nummer eins spielte und weit entfernt davon war, wie eine Krisenfigur zu erscheinen. Als nach 138 Minuten ein Vorhandball der Kielerin an der Netzkante kleben blieb und in ihr Feld zurückfiel, war dennoch eine der bittersten Niederlagen ihrer Karriere besiegelt - und ein Tennis-Drama beendet, das Fans im All England Club und an den Bildschirmen weltweit fasziniert und gefesselt hatte. In diesem Thriller erzielten beide Spielerinnen jeweils 101 Punkte in zermürbenden, aufreibenden Schlagabtäuschen, aber ein Unentschieden gibt es nicht im Tennis. Es war Kerber, die schließlich in diesem fabelhaften Duell die grausame Niete zog.

Vollgas am Manic Monday

Oft hatte man bei Kerbers wichtigen Auftritten in dieser Saison von vornherein den Eindruck und das Gefühl, dass sie verlieren würde. Doch vom ersten Moment der Partie gegen Angstgegnerin Muguruza strahlte die 29-jährige eine positive Mentalität aus, sie war gekommen, um zu bleiben im wichtigsten Wettbewerb des Jahres. "Es war die alte, die richtig gute Angie, die ich gesehen habe", sagte Bundestrainerin Barbara Rittner später, "es ist so schade, dass sie nicht die Belohnung für dieses tolle Match bekommen hat." Es war auch zum ersten Mal in diesem oft verfluchten 2017, dass Kerber mit der Größe der Herausforderung wuchs und sich gewaltig steigerte, wenn sie dazu aufgefordert war. Am Manic Monday, diesem größten Tag im Welttennis, startete Wimbledon so richtig durch - und Kerber gab Vollgas. Fast buchstäblich sogar: Auf schnellen, flinken Beinen verteidigte Kerber gegen die schlaggewaltige Spanierin mit riesiger kämpferischer Leidenschaft und geradezu artistischen Einlagen.

Aber obwohl sie sich kaum leichte Fehler in dieser hochklassigen Partie erlaubte - es waren nur 12 in 2:18 Stunden Spielzeit -, reichte es nicht für den Sieg. Schlicht und ergreifend deshalb, weil Muguruzas Hochrisiko-Spiel mit Schlägen serienweise an die Linie am Ende einen Hauch wirksamer war als Kerbers erstklassige Defensive. Ende schlecht, aber nicht alles schlecht. Zum ersten Mal in dieser Saison konnte Kerber aus einer Niederlage Mut schöpfen und Hoffnung ziehen, ganz anders als zuletzt nach dem frappierenden Erstrunden-Aus bei den French Open. "Ich bin wieder auf dem richtigen Weg", sagte Kerber hinterher, als Verliererin an diesem Tag tatsächlich auch eine Gewinnerin

Nerven und Konzentration verloren

Zverev verpaßte es nach einem späten Leistungseinbruch, ein dickes Ausrufezeichen am verrückten Montag zu setzen und seinen wertvollsten Karriereerfolg bei einem der vier Majors festzuschreiben. Was ihm auch entging, war ein Viertelfinal-Rendezvous mit Maestro Roger Federer - und damit die Revanchemöglichkeit für die kürzliche Endspielniederlage bei den Gerry Weber Open in Halle. Bis zum 5:5 im vierten Satz hatte man eigentlich nie den Eindruck, dass Zverev diesen Vergleich mit dem harten Aufschläger Raonic verlieren könnte, der Deutsche machte bis dahin den selbstbewußteren, entschlosseneren Eindruck - trotz einer Schwächephase im zweiten Satz. Doch den Triumph vor Augen, verlor der junge Hamburger erst die Konzentration, dann die Nerven und schließlich auch das Spiel. Alle Kunst und Stärke des deutschen Spitzenspielers war dann im fünften Satz, im Moment der Bewährung, verschwunden, gleich zwei Breaks musste Zverev hinnehmen, er verlor dann 1:6.

Artikel und Videos zum Thema