"Besser, wenn er gegen Nadal spielt"

Roger Federer
© getty

Fast überall haben sie schon gegeneinander gespielt, in New York soll es einfach nicht sein. Juan Martin del Potro verhinderte diesmal den Klassiker Roger Federer gegen Rafael Nadal.

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Auf der ganzen Welt sind sie sich wieder und wieder begegnet, in großen, überragenden Duellen - die freundschaftlichen Rivalen Roger Federer und Rafael Nadal. 37 Mal gab es diesen Superbowl des Tennis zu sehen, 23 Finals waren darunter, zwölf Partien bei Grand-Slam-Turnieren.

Auch die Saison 2017 begann mit dem Klassiker der beiden Titanen, es war ein anrührendes, nostalgisches Rendezvous im Finale der Australian Open. Federer siegte, Nadal verlor - aber Gewinner waren sie zusammen, beide sportlich auferstanden nach jahrelangen oder aktuellen Verletzungsnöten.

Was hätte besser gepasst zu diesem erstaunlichsten Tennisjahr seit einer kleinen Ewigkeit, als nun auch in New York ein Showdown der beiden größten Alphatiere dieser Epoche? Nie waren sich Federer und Nadal hier begegnet, beim schrillsten aller Grand Slams, auf diesem Terrain, das einmal als "moderne Hexenküche des Daseins" beschrieben worden ist.

Aber als dann in der Nacht zum Donnerstag abgerechnet war im verregneten Flushing Meadows, vor den Toren des Millionen-Molochs, da hatte sich das Schicksal wieder einmal gegen diese Dramaturgie verschworen, gegen das Wiedersehen und die Premiere im Big Apple.

Match der alptraumhaft vergebenen Chancen

Nadal, der gnadenlose Fighter, er hat noch weiter alle Chancen auf einen grandiosen Schlußpunkt hinter dieser Spielzeit. Aber Federer, sein alter Weggefährte, Konkurrent und Kumpel, scheiterte im Viertelfinale mit Grandezza am argentinischen Riesen Juan Martin del Potro.

Es war eine Partie der alptraumhaft vergebenen Chancen für Federer, es war zugleich ein Galauftritt des sympathischen Gauchos - und all das Drama endete noch mit einer denkwürdigen Grußbotschaft des Maestro an del Potro: "Er hat es mehr verdient als ich. Es ist besser, wenn er nun gegen Nadal antritt. Er hat da die größeren Chancen", sagte der 36-jährige nach dem 5:7, 6:3, 6:7 (8:10), 4:6-Knockout unterm geschlossenen Hallendach des Arthur Ashe-Stadions.

"Nie das richtige Gefühl gehabt"

Federer hatte dieser Tennissaison bis zur Jahresmitte mit aller Macht, Wucht und Eleganz immer wieder prägende Momente geliefert, es war ein einziger Verblüffungslauf, den er in den ersten Monaten hinlegte. Der Triumph in Melbourne, der verrückteste Sieg seiner Karriere wie aus dem Nichts, dann die Erfolge in Indian Wells, Miami und Halle, schließlich der Grand Slam-Coup in seinem persönlichen Garten Eden, im All England Lawn Tennis Club zu Wimbledon.

Aber in der Vorbereitung auf die US Open kam der FedExpress ins Stocken, in Montreal zwickte der Rücken, die Schmerzen führten zur Finalniederlage gegen Alexander Zverev. Davon erholte sich der 36-jährige Meisterspieler nicht mehr wirklich, er habe in New York nie "das gute Gefühl" wie bei den Australian Open oder in Wimbledon gehabt, sagte Federer nach dem Aus gegen del Potro.

Federer ackerte sich durch die Auftaktrunden hindurch, er siegte dann auch gegen Rivalen wie den Spanier Feliciano Lopez oder Philipp Kohlschreiber, die noch nie gegen ihn gewonnen hatten. Er wirkte überzeugender, aber er war nicht selbst von sich überzeugt. "Ich hatte wohl nie das Format, um hier zu gewinnen", befand Federer, "dazu fehlte mir die Frische, auch der innere Hunger. Es waren zu viele Probleme, mit denen ich mich herumzuschlagen hatte."

Auch der Traum, beim letzten Grand Slam-Turnier vielleicht auf Platz 1 der Weltrangliste emporzusteigen, platzte in der Nacht des Scheiterns gegen den "Turm von Tandil", diesen selbst unwiderstehlich auftretenden del Potro. Nadal, der versetzte Duellgegner, wird in jedem Fall nach dem Turnier einen komfortablen Vorsprung vor Federer haben, umso mehr, wenn er die US Open am Sonntag auch noch gewinnt, zum dritten Mal in seiner Karriere nach 2010 und 2013.

Del Potro braucht "noch einen größeren Tag"

Nadal ist bisher der zweite große Hauptdarsteller dieser Saison, auch er ein bemerkenswerter Comebacker. Der bullige Mallorquiner dominierte die Sandplatzsaison wie in besten Zeiten, er schaffte auch das Kunststück, den sage und schreibe zehnten French Open-Titel zu holen, La Decima.

Nun steht ihm auf dem Weg zur New Yorker Krone vermutlich nur noch ein Schwergewicht gegenüber, eben jener magisch aufspielende del Potro, der Federer-Bezwinger. Zwei Matchbälle hatte del Potro im Achtelfinale gegen den Österreicher Thiem abgewehrt, danach eine epische Aufholjagd inszeniert.

Und als alle glaubten, dieser Entfesselungsakt a la Houdini müsse ihm alle nötigen Kräfte für die Federer-Prüfung geraubt haben, legte er einen weiteren spektakulären Auftritt hin - mit Präzision und Power, aber vor allem mit der gebotenen Nervenstärke bei den Big Points.

Delpo der Kaiser in der Königsdisziplin

In der Königsdisziplin, dem Spiel um die wichtigen Punkte, war Delpo der Kaiser. "Er rief die großen Shots ab, wenn er sie brauchte", sagte Federer hinterher, wie immer hellsichtig und analytisch klar. Federer gestand auch ein, er sei "nun doch sehr müde", brauche eine "Pause zur Besinnung und zum Ausspannen."

Nadal und del Potro haben dagegen das Schwerste und Härteste noch vor sich, einen Sieg im Halbfinale. Gegen den Mann auf der anderen Seite des Netzes. "Normalerweise gewinnst du ein Turnier, wenn du gegen Roger gewinnst. Aber nach diesem großen Tag brauche ich noch einen größeren Tag", sagte del Potro. Vermutlich stimmt das auch.

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