Neuauflage des Kampfes der Titanen

2099 konnte Rafael Nadal das Endspiel für sich entscheiden
© getty

Womit im vergangenen Jahr keiner der beiden legendären Tennis-Asse rechnen mochte, wird am Sonntag bei den Australian Open zur Realität: Roger Federer und Rafael Nadal treffen sich noch einmal in einem Grand-Slam-Finale.

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Im letzten Herbst besuchte Roger Federer auf Mallorca den Tennis-Unternehmer Rafael Nadal. Federer war der prominenteste Ehrengast bei der Eröffnung der Nadal-Akademie, einer imponierenden Ausbildungsstätte für ambitionierte Talente. Es war auch ein leicht sentimentales Wiedersehen der beiden Superstars, die wohl die größte Rivalität dieses Jahrhunderts auf die Centre Courts gezaubert hatten. Federer gerade mittendrin in einer sechsmonatigen Verletzungsauszeit, Nadal mal wieder in einer Comeback-Mission - kein Wunder, dass sich der Maestro und der "Stier von Manacor" ehrlich fragten, ob sie jemals wieder in einem großen Match auf dem Platz stehen würden. "Wir haben gesagt: Lass uns wenigstens mal wieder ein Schaumatch machen", erinnert sich Nadal an jenen sonnigen Tag auf seiner Heimatinsel, es war der 19. Oktober.

Um mehr als die Goldenen Ananas

Doch wenn zwei verrückte Australian Open-Wochen am Sonntagabend ihre rauschende Schluss-Aufführung erleben werden, im Finale der Herren-Konkurrenz, dann stehen sich - unglaublich, aber wahr - in der ausverkauften Rod-Laver-Arena von Melbourne genau jene beiden schillernden Großmeister der Vergangenheit Augen in Auge gegenüber. Nadal gegen Federer, es geht keineswegs um harmloses Vergnügen in einem Showakt, es geht nicht um die berühmte Goldene Ananas. Es geht - im ewiggrünen Klassiker zwischen dem perfekten Stilisten und dem Ausnahme-Fighter - noch einmal um einen Grand-Slam-Titel. Um Nummer 18 für Federer. Oder um Nummer 15 für Nadal.

Jener Nadal, der nach jahrelanger Verletzungspein fast schon abgeschrieben war in den Kalkulationen der Experten und Fans, folgte Federer Freitagnacht in einer seiner legendären Kraftanstrengungen ins Endspiel nach, machte das weltweit herbeigesehnte Rendezvous mit Federer perfekt. Welch ein Sieg, welch ein Drama, welch ein Marathon aber war es: Vier Stunden und 56 Minuten brauchte der 30-jährige, um den fünf Jahre jüngeren Bulgaren Grigor Dimitrov mit 6:3, 5:7, 7:6 (7:4), 6:7 (4:7) und 6:4 in einem der größten Australian-Open-Matches aller Zeiten niederzuringen und erstmals seit den French Open 2014 wieder ein Major-Finale zu erreichen. "Ich bin sehr müde, aber auch sehr glücklich", sagte Nadal nach dem auszehrenden Marathonsieg.

Ein Tag weniger Pause

Welche Auswirkungen dieser knapp fünf Stunden währende Extremsport auf allerhöchstem Niveau hatte, war die naheliegende Frage. Vor acht Jahren hatte Nadal einmal einen ähnlichen Halbfinal-Klassiker gegen seinen Landsmann Fernando Verdasco gewonnen, auch damals ging die Partie erst weit nach Mitternacht zu Ende. Alle rechneten mit einem Einbruch von Nadal, zwei Tage später im Endspiel gegen einen gewissen Roger Federer, doch Nadal erwischte alle Untergangspropheten auf dem falschen Fuß - mit dem Pokal im Gepäck verließ er Melbourne. "Ich hoffe, dass ich mich bis zum Sonntag erholen kann", sagte der Spanier, "ich will gerüstet sein für dieses Match." Schon am Donnerstag hatte Federer, der Gewinner des innerschweizerischen Duells gegen Stan Wawrinka, angekündigt, er werde "absolut alles in diesem Endspiel rauslassen, auch wenn ich danach fünf Monate nicht mehr laufen kann."

Ganz gleich, was noch passieren wird in diesem Nostalgie-Finale, bei diesem Zurück-in-die-Zukunft-Drehbuch der Australian Open 2017 - Federer und Nadal, die beiden Hauptdarsteller, hatten alle im Wanderzirkus schon mal auf dem falschen Fuß erwischt. Nicht zuletzt aber auch sich selbst. "Ich hätte nicht viel gewettet auf mich", sagte Nadal kopfschüttelnd nach dem Finaleinzug, der ihm genau so unwirklich und bestaunenswert vorkam wie Federer 24 Stunden zuvor. "Schlicht der Wahnsinn" sei die 35. Auflage des Giganten-Kampfs, dieser Showdown von Melbourne, gab TV-Mann Boris Becker zu Protokoll: "Diese Story hätte man sich nicht besser ausdenken können."

Freund und größter Karriere-Gegner

Immerhin schon drei Jahre liegt das letzte Grand-Slam-Duell des Duos zurück, das sich in der ersten Dekade dieses Jahrhunderts die großen Titel und die Macht im Welttennis fein säuberlich aufgeteilt hatte - 2014 bei den Australian Open siegte Nadal in drei Sätzen in der Vorschlussrunde. Auch der Titel beim letzten Grand-Slam-Finalfight ging an den Matador, 2011 bei den French Open. Überhaupt hat Federer gegen keinen anderen Weggefährten eine schlechtere Bilanz als gegen Nadal, 11:23 lautet der Vergleich aus seiner Sicht. Aber das zähle "überhaupt nicht", meinte Nadal Freitagnacht, "wir starten am Punkt Null. Es wird hoffentlich eine tolle Erfahrung."

Gegen Dimitrov erlebte Nadal einen stilistischen, wohl auch dramaturgischen Vorgeschmack, was ihn am Sonntag erwartet. Der Bulgare trägt nicht zu Unrecht den Spitznamen "Baby-Fed", er gleicht in vielen Aktionen dem berühmten Maestro, aber bisher fehlte ihm oft die Zähigkeit und der Punch, die Federer auch auszeichnen. Doch in diesem Duell mit Nadal kündigte er sich trotz seiner bitter-unglücklichen Niederlage wie nie zuvor als kommender Champion an, leistete bis zur allerletzten Sekunde des Krimis erbitterte Gegenwehr. Bei einer 4:3-Führung im fünften Satz und 40:15 hatte er zwei Breakbälle zum wegweisenden 5:3, aber in jenem Moment der Bedrängnis zeigte Nadal das Big Point-Tennis alter Tage. Nervenstark glich er zum 4:4 aus, nahm dem geschockten Gegner den Aufschlag zum 5:4 ab - und servierte das Spiel nach Hause. Sein Traum von spätem Grand Slam-Ruhm lebt noch weiter. So wie der von Federer, dem Freund und größten Karriere-Gegner.

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