Lass die Leute reden...

Alexander Zverev überzeugte "Down Under" mit einer ganz starken Leistung gegen Rafael Nadal
© getty

Alexander Zverev hat mit seinen Leistungen bei den Australian Open den nächsten Schritt getätigt - spielerisch und mental. Die mediale Wahrnehmung als Hoffnungsträger einer sich im Halbschlaf befindlichen Tennisnation ist nochmals gestiegen. Der 19-Jährige kann sich vor der Davis-Cup-Partie gegen Belgien (ab Freitag 14 Uhr live und exklusiv auf DAZN) über eines nicht beschweren: Zu wenig Druck. Auch, weil sein Management nicht immer ganz glücklich kommuniziert.

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Ob das nicht alles etwas unfair sei, wollte eine Reporterin aus dem Boulevard wissen. Unfair, dass "Sie die Erwartungen an Ihre Person nur noch erfüllen und selbst eigentlich nicht mehr überraschen können?".

Alexander Zverev zog die Augenbrauen weit nach oben, schaute die Journalistin während der Presserunde am Rande der Charity-Veranstaltung "Petzschner&Friends" in Köln mit großen Augen an - und konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. "Ich denke schon, dass ich in Zukunft auf den Tenniscourts vielleicht noch das eine oder andere Mal überraschen kann."

Es war der einzige öffentliche Auftritt des momentan besten U-21-Spielers der Welt vor der wichtigen Davis-Cup-Partie und dem Mannschaftstreffen in Frankfurt gegen Belgien. Für den Padel-Showkampf und einen guten Zweck (und um die Trendsportart zu promoten) hatte der Teenager seinem Kumpel Philipp Petzschner, der sich gerade in die Doppel-Weltspitze zurückkämpft, zuliebe zugesagt. Trotz Reisestrapazen. Trotz Jetlags von der nur wenige Stunden zurückliegenden Rückkehr aus Australien. Trotz des großen Medienaufkommens, das sich inmitten zahlreicher anderer Stars wie Dustin Brown, Sebastian Kehl, Patrick Owomoyela oder eben Petzschner, nur auf Zverev fokussierte.

Der 19-Jährige war nach intensiven Wochen Down Under müde - das war offensichtlich. Für seine zahlreichen kleinen und großen neuen Fans nahm er sich den Nachmittag dennoch geduldig Zeit, beantwortete jeden Autogramm- und Fotowunsch.

Und beantwortete Fragen der Pressevertreter, waren sie auch noch so - wie oben beschrieben - zugespitzt: "Die Leute dürfen von mir denken, was sie wollen. Denn ihre Erwartungen werden nie höher sein als meine eigenen", beendete Zverev seine Antwort gewohnt selbstbewusst.

"Versuche, wenig auf Euch zu hören"

An Fragen dieser Kategorie hat sich die Nummer 22 der Tenniswelt mittlerweile gewöhnt. Was er dazu sage, dass quasi jeder Topspieler oder Experte ihn als zukünftige Nummer eins und Grand-Slam-Champion sehe. Wie er damit umgehe, der neue Boris Becker zu sein. Wie er der Erwartungshaltung standhalte.

Das Tennis-Panel zum deutschen Davis-Cup-Team

"Ich versuche, relativ wenig auf Euch (Medien) zu hören. Es wird immer viel berichtet und geschrieben", sagte er lächelnd und ergänzte: "Natürlich ist es bemerkenswert, dass sich viele der Topspieler so positiv über mich äußern. Aber Ihr werdet solche Ansagen niemals von mir selbst hören."

Zwischen den Zeilen lesend, war dennoch ein Anspruchsdenken herauszuhören, welches zum einen zu der rasanten Spielweise des hochaufgeschossenen Teenagers passt und zum anderen lange nicht mehr von einem deutschen Spieler ausgestrahlt und angedeutet wurde. "Was ich von mir halte und was mein Team denkt, und vor allem, für welche Ziele wir arbeiten, das wissen wir schon." Und weiter: "Für mich ist glasklar, für was ich diese ganze harte Arbeit mache."

Bekanntheitsgrad außerhalb der Szene steigt rasant

Die Quantität und die Intensivität der Fragestellungen in Köln hatten, das merkte er, nach dem ersten Grand-Slam-Turnier des Jahres ein anderes Ausmaß angenommen. Ein Ausmaß, was für einen gerade 19-Jährigen nicht unbedingt gesund sein muss.

Die Zeiten, in denen lediglich Tennis-Insider seinen Namen kannten, sind längst vorbei. Das waren sie in der Tennis-Szene im Sommer 2014 schon. Da sicherte sich Zverev, gerade 17 geworden und Nummer 665 der Weltrangliste, völlig überraschend den Sieg beim deutschen Challenger-Turnier in Braunschweig, rang dabei im Finale den mehr als 600 Plätze vor ihm liegenden Franzosen Paul-Henri Mathieu nieder. Um in der folgenden Woche, von Turnierdirektor Michael Stich mit einer Wild Card ausgestattet, noch sensationeller das Halbfinale des 500er-Turniers am Hamburger Rothenbaum zu erreichen.

Seitdem hat sich Zverev Schritt für Schritt ein professionelleres Umfeld zugelegt - oder besser gesagt - zulegen lassen. Bereits 2013 entschied die Tennisfamilie (sein Vater und Trainer ehemaliger sowjetischer Profi, die Mutter einst unter den besten 30 Frauen der Welt) und natürlich sein von Verletzungen geplagter und sich im Aufwand befindender älterer Bruder Mischa, dass der Jüngste und Talentierteste im Bunde nach der mittleren Reife alles auf die Karte Profispieler setzt. Seit der sechsten Klasse bereits war er an der privaten Sportschule in Mannheim gemeldet, konnte folglich mit der größtmöglichen Flexibilität unterrichtet werden und mit seiner Familie um die Welt reisen.

Schule oder Profi? "Entscheidungen selbst getroffen"

Aber das, so betonte Zverev auch jetzt 2017 noch, "war immer meine eigene Entscheidung. Ich habe auch Hockey und Fußball gespielt. Ich habe Tennis immer geliebt und war dort am besten." Es sei im Nachhinein schön und von seinen Eltern ganz schön mutig gewesen, diese Entscheidung mitgetroffen und unterstützt zu haben. "Ich bin froh, dass ich heute hier stehen kann."

Der Erfolg in der Juniorenkonkurrenz bei den Australian Open 2014 gab ihnen Recht. Trainiert wurde folglich im Winter in Florida und Australien. Mit der stetigen Entwicklung empor der Weltrangliste wuchs das Team Zverev. Als sich Manager um ihn rangen, schlug vor mehr als zwei Jahren der Chilene Patricio Apey zu, der in der Vergangenheit fast ein Dutzend Profis betreute - der Prominenteste unter ihnen sicherlich Andy Murray.