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London im Regen – Die Nervenqual des Stop-and-Go-Tennis

Manche Profis nehmen stundenlanges Warten und Untätigkeit stoisch hin, andere reizt das bis zur Weißglut.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 29.06.2016, 14:59 Uhr

Wimbledon - Regen

In den Jahren seiner frühen Wimbledon-Regentschaft war er auch bekannt als Meister der Regenpausen. Dem „Sensations-Teenager“ („The Times“)Boris Beckerkonnten weder hartnäckige Verzögerungen noch Tage mit komplettem Programmausfall etwas anhaben an der berühmten Church Road, später prägte der „rote Baron“ einen Satz, der bis heute nichts von seiner Gültigkeit eingebüßt hat: „Du musst Wimbledon lieben, um es zu gewinnen. Du musst es lieben, auch wenn du dich mitten im Sommer wie im Herbst oder Winter fühlst.“

Viel hat sich im Südwesten Londons seit Beckers starker Epoche Mitte bis Ende der 80er-Jahre verändert, es gibt inzwischen sogar ein Dach überm Centre Court. Aber eins ist geblieben: das durchwachsene Wetter. Der Regen, der mit zuverlässiger Hartnäckigkeit den Turnierablauf durcheinanderwirbelt. Und Spieler, die mit den Unbilden des seltsamen britischen Hochsommers kämpfen, stundenlang, manchmal auch tagelang. „Es ist schon eine große Belastung, wenn das Wetter schlecht ist“, sagt die DarmstädterinAndrea Petkovic, die am Mittwoch in einem der wenigen regenfreien Zeitfenster schnell genug war, um ihren 3:6,-7:5,-6:2-Erstrunden-Sieg gegen die JapanerinNao Hibinosicherzustellen.

Kampf gegen die Zeit und mit den Nerven

Ein von @andreapetkovici gepostetes Foto am<time datetime="2016-06-29T15:04:37+00:00" style=" font-family:Arial,sans-serif; font-size:14px; line-height:17px;">29. Jun 2016 um 8:04 Uhr</time>

Manche Profis nehmen stundenlanges Warten und Untätigkeit stoisch hin, andere reizt das bis zur Weißglut. Und zwar so sehr, dass sie dann Nerven und Matches verlieren im Regenchaos. „Ganz abstumpfen kann man nicht gegen diese Wetterkapriolen, das geht schon an die Substanz“, sagt Englands früherer HeldTim Henman, „man muss sich einfach bestimmte Rituale zurechtlegen. Wissen, was man tun will, wenn es regnet.“ Und doch ist es immer eine schwierige Gratwanderung, wie Nationalspielerin Petkovic weiß: „Du kannst nie völlig abschalten und entspannen. Denn es kann sein, dass du wirklich im nächsten Moment auf den Platz musst“, sagt die Darmstädterin, „sie nutzen hier jede Minute ohne Regen aus.“ Petkovic liest in den Pausen die mitgebrachten Bücher, hört Musik – und verbietet sich bis auf persönliche Kommunikation mit ihren Coaches jegliche Handynutzung: „Ich versuche, so viel Ruhe wie möglich zu finden.“

„Petko“ hat ihren Frieden mit Wimbledon gemacht

Nach dem verregneten Mittwoch gerät der Zeitplan des Turniers schon ordentlich in Schieflage, viele Erstrunden-Partien sind nicht zu Ende gespielt oder haben noch gar nicht begonnen. Das Gros der Profis muss jetzt tageweise in den Arbeitseinsatz, der geliebte Ruhetag zwischen den Matches ist erst einmal gestrichen. „Da ist klar, dass der Stresspegel noch ein bisschen ansteigen wird“, sagt Petkovic, die nach jahrelanger Rasenaversion wenigstens im Großen und Ganzen ihren Frieden mit Wimbledon gemacht hat. Und weswegen? „Als ich nach meinen Verletzungen aus den Top 100 rausrutschte, hat mir Wimbledon als einziges der großen Turniere eine Wildcard gegeben“, sagt die 28-jährige, „so etwas vergisst man nicht. Das war eine bewegende Geste.“ Wann sie das nächste Mal spielen wird, ist noch ungewiss im kühlen, nassen London. Aber ihre Gegnerin steht schon fest, es ist die RussinElena Vesnina. „Das wird hart“, sagt Petkovic. So hart wie diese zehrenden Tage mit Stop-and-Go-Tennis überhaupt.

Hier die Herren-Auslosungen und -Ergebnisse aus London:Einzel,Doppel,Einzel-Qualifikation,Doppel-Qualifikation.

Hier die Damen-Auslosungen und -Ergebnisse aus London:Einzel,Doppel,Einzel-Qualifikation,Doppel-Qualifikation.

Hier der Spielplan.

von tennisnet.com

Mittwoch
29.06.2016, 14:59 Uhr