Guinness erkennt Rekord nicht an

Dennis Heitmann und Christian Masurenko stellten einen neuen Rekord im Dauertennis auf - so dachten sie jedenfalls.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 25.10.2012, 16:17 Uhr

Von Christian Albrecht Barschel

11 Stunden und 5 Minuten - so lange dauerte das längste Profimatch der Tennisgeschichte. Aufgestellt haben diesen RekordJohn IsnerundNicolas Mahutin der ersten Runde des Wimbledonturniers 2010. Es könnte ein Rekord für die Ewigkeit sein. Das Marathonmatch zwischen Isner und Mahut zog sich über drei Tage hin undendete mit 70:68 im fünften Satz.

Jährliche Rekordjagd

Verglichen mit dem längsten Tennismatch im Amateurbereich sind die 11:05 Stunden von Isner und Mahut nur eine kleine Nummer. Bei den Amateuren geht es weitaus länger zur Sache. Seit 2003 wird der Rekord im Dauertennis, der offiziell im Guinness-Buch der Rekord geführt wird, jährlich verbessert. Deutsche, US-Amerikaner, Niederländer und Briten trieben den Rekord innerhalb von einem Jahrzehnt in die Höhe. 2003 stand die Bestmarke noch bei 25 Stunden und 25 Minuten. Mittlerweile ist der Rekord mehr als doppelt so lang.

Der aktuelle Rekord wird derzeit gehalten von den US-Amerikanern Sam Angel und Katie Martens, die 60 Stunden, 59 Minuten und 58 Sekunden spielten. Diesen Rekord wollten die Deutschen Dennis Heitmann (30 Jahre) und Christian Masurenko (43 Jahre) vom 26. bis 29. Juli 2012 auf der Anlage des TSG Herford (Nordrhein-Westfalen) auf unfassbare 77 Stunden verbessern. Heitmann und Masurenko zählen bereits zu den alten Hasen im Dauertennis. 2009 spielte Masurenko mit seinem Cousin Thorben Orlowski 33 Stunden, 33 Minuten und 33 Sekunden. Doch der Rekord bekam nicht die Anerkennung durch das Guinness-Buch der Rekorde, da er in der Prüfungszeit bereits übertroffen wurde.

Ein Jahr Vorbereitung auf den Rekord

Vom 6. bis 8. August 2010 wollten Masurenko und Orlowski einen erneuten Versuch auf den Rekord starten. Doch dieser scheiterte beinahe, weil sich Orlowski am Tag des Rekordbeginns an der Bandscheibe verletzte. So sprang Heitmann kurzfristig ein. Es klappte! Heitmann und Masurenko spielten 55 Stunden, 55 Minuten und 55 Sekunden und bekamen einige Wochen später die offizielle Anerkennung ihres Rekords aus der Zentrale von "Guinness World Records" in London.

Die beiden Rekordmänner hatten aber noch nicht genug. Da ihr Rekord ein halbes Jahr später von zwei Studenten aus den USA verbessert wurde, entschlossen sich beide, 2012 einen erneuten Rekordversuch zu unternehmen. Dafür gaben sich die beiden Herforder ein Jahr Vorbereitungszeit mit dem Ziel: 77 Stunden Dauertennis. Vom 26. bis 29. Juli setzten Heitmann und Masurenko ihr Vorhaben in die Tat um - und hielten durch. Nach 77 Stunden fielen sich die beiden überglücklich in die Arme. 266 Sätze wurden gespielt, mit der Bilanz von 133:132 für Masurenko.

Angeblich zwei Regelverstöße

Was noch fehlte, war die offizielle Bestätigung und Anerkennung des Rekords durch "Guinness World Records". Aber die kam nicht, stattdessen teilte "Guinness World Records" den beiden Deutschen per E-Mail mit, sich in zwei Punkten nicht an die Regeln gehalten zu haben. Punkt eins: Die beiden hätten auf zwei Plätzen gespielt. Erlaubt sei jedoch nur einer. Heitmann und Masurenko waren zwischenzeitlich wegen Regens in die Halle ausgewichen. Zweitens: Die Satzpausen von zwei Minuten seien nicht erlaubt gewesen.

Als kleiner Trost bleibt den beiden der Stolz auf die erbrachte Leistung sowie über 20.000 Euro Spendengelder, die während des Rekordversuchs eingenommen wurden. Der größte Teil des Geldes geht an das Cochlear Implant Centrum in Hannover, ein Institut an dem Hörgeschädigten geholfen wird. Masurenko wählte diese Organisation als Spendenempfänger, da sein Sohn Malte gehörlos geboren wurde. Neben dem Guinness-Rekord im längsten Tenniseinzel gibt es noch den Rekord im längsten Tennisdoppel. Dieses spielten vier Australier im Jahr 2010 mit 56 Stunden, 37 Minuten und 13 Sekunden. Daneben gab es auch eine dritte Kategorie im Dauertennis, ein festes Doppel gegen ständig wechselnde Doppelpaare. Dieser Rekord wurde aber von "Guinness World Records" aus dem Programm genommen. Der letzte Rekord lag bei 33 Stunden, 33 Minuten und 33 Sekunden, aufgestellt von zwei Deutschen.

Dennis, 77 Stunden Tennis gespielt, aber der Rekord zählt nicht. Wie fühlt sich das an?

Das ist eines der größten emotionalen Erlebnisse meines Lebens! Die vier Tage auf der Anlage der TSG Herford waren einfach gigantisch, da organisatorisch alles funktioniert hat. Man darf nicht vergessen, dass wir tagsüber durchgehend Rahmenprogramm geboten haben. Ein Jahr lang haben über 50 Ehrenamtliche daran gearbeitet. Ohne Worte! Klasse! Das war die Beschreibung des Event. Wenn man dann drei Wochen lang sehr präzise die Unterlagen für Guinness fertigstellt (8 DVD's plus 30 Seiten Matchreport plus notarielle Beglaubigungen plus Zeugenaussagen usw.), wo 15 Schiedsrichter und ein IT-Experte mitgearbeitet haben, und man sich sicher ist, den Rekord geknackt zu haben, ist das sehr bitter!

Was wird euch genau von "Guinness World Records" vorgehalten?

Punkt eins: Wir beiden hätten auf zwei Plätzen gespielt. Erlaubt sei aber nur einer. Bei Regen sind wir in der Pause in die Halle gegangen. Da gab es die offizielle Uhr, Kameras, Schiedsrichter, alles wie draußen. 2010 haben wir das genauso gemacht und es war in Ordnung. Punkt zwei und wohl ausschlaggebender: Die Zwei-Minuten Satzpausen seien nicht erlaubt gewesen.

Was sagt ihr zu diesen Gründen?

Das ist pure Willkür von Guinness und eine bodenlose Frechheit! Denn die Regeln, die wir von Guinness zugeschickt bekommen haben, waren identisch zu denen aus 2010. Da diese Regeln aber unklar formuliert sind bzgl. der ATP-Regeln, haben wir nachgefragt und SCHRIFTLICH bestätigt bekommen, dass ATP-Regeln angewendet werden dürfen. Das heißt zweiminütige Satzpausen sind erlaubt. Das haben wir dann in 2010 gemacht und kamen ins Guinness-Buch. Und nun haben wir die EXAKT identischen Regeln angewendet und nun wird uns wird vorgeworfen, dass wir die Zwei-Minuten Satzpausen gemacht hätten, was nicht erlaubt sei.

Habt ihr euch selbst irgendwelche Vorwürfe zu machen, dass der Rekord nicht anerkannt wurde?

Wir haben uns keinen Vorwurf zu machen. Das Thema wurde ausgiebig diskutiert, aber dass Guinness intern die Regeln ändert, kann kein Mensch ahnen.

Ihr habt euch ein Jahr auf den Rekordversuch vorbereitet. Was habt ihr dafür alles getan?

Wir haben mit Ärzten, Mentaltrainern und Ernährungsberatern zusammengearbeitet. Des Weiteren haben wir ein Sportprogramm absolviert. Neben meinem Job habe ich fast meine gesamte Freizeit geopfert, um mich fit zu halten und organisatorisch mitzuwirken.

Ihr habt über 20.000 Euro an Spenden eingenommen. Ist das ein kleiner Trost für euch oder herrscht nur noch die pure Enttäuschung?

Wir freuen uns! Dass wir die 20.000 Euro gepackt haben, ist klasse! Wenn Sie mich fragen, was mir lieber wäre: Guinness Urkunde oder 20.000 Euro für das Cochlear Umplant Centrum, dann antworte ich ganz klar! 20.000.

Wollt ihr einen weiteren Rekordversuch starten? 77 Stunden Dauertennis. Wo liegt die Grenze, was ist noch möglich?

Nein, wir werden keinen neuen Rekord starten. Wir haben gerade in der dritten Nacht ohne Schlaf eine Grenze überschritten, die wir nicht mehr überschreiten werden. Dazu ist die Gesundheit ein zu hoher Preis. Dieses Event war für die Stadt und den Verein einzigartig. Darauf kann der Verein stolz sein, und ich bin mir sicher, dass wir so etwas nicht mehr toppen können! Lassen Sie mich noch abschließend eine Anmerkung machen. Selbst wenn wir noch einmal einen Weltrekord planen würden, machen wir das OHNE Guinness World Records. Mit diesem Unternehmen möchte ich in diesem Leben keinen Kontakt mehr haben.(Foto: privat)

Hier ein paar Impressionen vom Rekordversuch:

von tennisnet.com

Donnerstag
25.10.2012, 16:17 Uhr