NHL

Der unzerstörbare Mr. Hockey

Von Adrian Franke
Howe ist mit 801 Toren hinter Gretzky der zweiterfolgreichste Torschütze in der Geschichte der NHL
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Der "Gordie Howe Hattrick"

Zu dieser Zeit hatte sich Howe, der 1946 sein NHL-Debüt für die Red Wings gegeben hatte, allerdings in der Hockey-Welt bereits einen Namen gemacht. Von 1950 bis 1954 war er in jedem Jahr der Topscorer der Liga, in 22 aufeinanderfolgenden Jahren war er in der Top Ten. Gleich in seiner ersten Saison in der NHL verlor Howe beide oberen Schneidezähne, ein weiterer Zahn wurde ihm mehrere Zentimeter hoch ins Zahnfleisch geschoben - eine Verletzung, die bis heute sichtbar ist.

Dazu kamen mehrere Nasenbrüche, doch der Youngster verschaffte sich schnell Respekt. Howe war bekannt für seine knallharten Ellbogenschläge und der "Gordie Howe Hattrick" beschreibt bis heute einen Treffer, eine Vorlage und einen Fight innerhalb eines Spiels: "Es gab nicht viele Großmäuler damals, weil du deinen Worten Taten folgen lassen musstest. Ich selbst habe auf dem Eis nie viel gesagt. Aber wenn doch, habe ich es auch so gemeint."

Der ruppigen Spielweise kam es zweifellos zugute, dass es in den 50er Jahren nur einen Schiedsrichter auf dem Eis gab. "Wenn du einem Typ etwas klarmachen wolltest, musstest du nur schlau genug sein, um zu warten, bis der Schiedsrichter mit etwas anderem beschäftigt war. Du musstest nur auf den richtigen Moment warten", grinste Howe: "Manchmal hat das lange gedauert. Aber so sind viele Sachen neben dem Spiel passiert. Heute würde man damit niemals davonkommen."

"Mr. Hockey" und das vermeintliche Ende

Doch auch spielerisch bestach der starke Skater mit Vielseitigkeit und Finesse: "Ich konnte schon immer die meisten Dinge mit der linken oder der rechten Hand machen, also schätze ich, ich bin beidhändig. Ich denke nicht wirklich darüber nach, ob ich etwas mit rechts oder mit links mache, das passiert einfach."

Auf dem Eis ein enormer Vorteil und zweifellos eine Hilfe bei den 801 Toren und 1.850 Scorerpunkten, die der vierfache Stanley-Cup-Sieger in seiner Karriere verzeichnete. Seine Vielseitigkeit als harter Hitter und gleichzeitig als guter Forward brachten ihm schon früh den Spitznamen Mr. Hockey ein, mittlerweile ein eingetragenes Wahrenzeichen, genau wie Mrs. Hockey für seine Frau. "Mr. Everything" oder "The King of Hockey" sind nur zwei von vielen weiteren Nicknames.

Aber auch die so geerdete Hockey-Legende sah sich, nach seiner persönlich besten Saison mit 103 Scorerpunkten, in einem Streit mit seinen geliebten Red Wings. Als Howe entdeckte, dass er mit einem Gehalt von 45.000 Dollar intern nur am drittmeisten verdiente, kam es zu Uneinigkeiten. Sein Gehalt wurde schließlich auf 100.000 Dollar erhöht, doch das Verhältnis bröckelte. Ein chronisches Problem mit dem Handgelenk zwang ihn schließlich 1971, zwei Jahre später und nach 25 Jahren bei den Wings, seinen Rücktritt zu verkünden.

Rückkehr, Schlägereien, Olympia

Doch Howe wäre nicht Howe, hätte er sich davon unterkriegen lassen. Nach einer Operation am Handgelenk bekam er von den Ärzten grünes Licht und ging 1973, im Alter von 45 Jahren, in die WHA zu den Houston Aeros, wo seine beiden Söhne Mark und Marty bereits spielten. Howe gewann mehrere Titel und wurde 1974 als MVP ausgezeichnet, doch vor allem die Besonderheiten der noch jungen Liga sind ihm im Gedächtnis geblieben.

"Es gab blaue Pucks, weiße Schlittschuhe und merkwürdige Schläger. Aber am meisten erinnere ich mich an die erste Nickel-Beer-Night in Houston. Es gab auf der Tribüne mehr Schlägereien als auf dem Eis. Die Fans sind sogar aufs Eis gesprungen, um sich mit den Schiedsrichtern in den Pausen anzulegen", erzählte Howe: "Ich musste in der Pause zu den Refs gehen und ihnen versprechen, dass es nicht mehr vorkommen würde."

Seine Rückkehr in den Profisport bescherte ihm sogar 1974 die Olympia-Teilnahme, die er 1972 im zwischenzeitlichen Ruhestand verpasst hatte. Nach wie vor ärgert es Howe, dass er nicht mehr Gelegenheiten hatte, für Kanada auf Medaillenjagd zu gehen. Doch für Profis war es früher unmöglich, an den Olympischen Spielen teilzunehmen: "1974 bekam ich endlich meine Chance. Und wir haben den Russen einen großen Kampf geboten."

Als 52-Jähriger spielte er 1980, mittlerweile wieder in der NHL für die Hartford Whalers, schließlich seine letzte Saison - nur um 17 Jahre später noch einen letzten Einsatz für die Detroit Vipers in der IHL abzuliefern. Howe ist damit der einzige Hockeyspieler, der über sechs Jahrzehnte als Profi im Einsatz war. Selbst der große Wayne Gretzky, mit dem Howe im 1979er WHA-All-Star-Game tatsächlich zusammenspielte, sagte einst: "Howie wird immer der beste Spieler aller Zeiten bleiben."

Das Wunder nach der Tragödie

Durchhaltevermögen und die Fähigkeit, gegen Widerstände zu kämpfen, haben die Karriere von Mr. Hockey maßgeblich geprägt. Prägende Eigenschaften, die im vergangenen Jahr erneut auf eine harte Probe gestellt wurden: Howe erlitt 2014 zwei Schlaganfälle und gegen Ende des Jahres schien der inzwischen 86-Jährige kurz vor dem Tod.

Die Ärzte rieten der Familie bereits, sich zu verabschieden, doch auch hier gab er nicht auf: Howe ging in einem aufwendigen Prozess nach Mexiko, um sich einer experimentellen Stammzellentherapie zu unterziehen - und plötzlich ging es ihm rasant besser. Zu Beginn der Therapie hatte Howe seine Arme und Beine nicht mehr bewegen können, innerhalb von neun Stunden konnte er eigenständig stehen.

"Dass Dad wieder laufen und hier sein kann, ist unglaublich. Er ist ein stolzer Mann und ich hoffe, er kann die Ehrungen, die er heute erhält, voll genießen, denn das bedeutet ihm sehr viel", betonte Sohn Mark im Rahmen eines Sport-Prominenten-Dinners in Saskatoon Anfang Februar, bei dem Howe überschwänglich gefeiert wurde. Ein Termin, zu dem Howe schon vor Monaten zugesagt und den er in keinem Fall versäumen wollte.

Auch die Demenz macht Howe inzwischen deutlich stärker zu schaffen. An den Tod seines Bruders Vic, der Anfang des Jahres verstorben war, erinnert er sich nur manchmal. Der Zahn der Zeit hat auch vor dem einst so unverwüstlichen Mr. Hockey nicht Halt gemacht, dessen Leben schon vor über 60 Jahren nach dem Spiel gegen die Leafs am seidenen Faden hing. Seine Reaktion im Übrigen damals: In der folgenden Saison gelangen ihm 86 Scorerpunkte, 20 mehr als dem Zweitbesten. Nein, aufgeben war noch nie die Sache von Gordie Howe.

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