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Top 5: Die wichtigsten Erkenntnisse der Wildcard Round: Wie geht es weiter für die Verlierer?

SPOX-Redakteur Adrian Franke blickt nach der ersten Playoff-Runde vor allem auf die Verlierer - und deren Prognose für die Zukunft.
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4. Dallas Cowboys: Playoff-Aus als Warnsignal

Dieses komplett wahnsinnige Ende überstrahlte natürlich erstmal alles in Dallas. Wie kann man auf die absurde Idee kommen, ohne übrige Timeout von der gegnerischen 41-Yard-Line 14 Sekunden vor dem Ende einen Quarterback Draw zu laufen? Der absolute Best Case hier wäre gewesen, dass Prescott zehn bis 15 Yards näher rankommt, der Spike gelingt und man dann einen einzigen Shot Richtung Endzone hat.

Warum nicht von der 41-Yard-Line mit 14 Sekunden lieber zwei Shots versuchen? Vielleicht sogar drei? Gegen eine Defense, die anfällig ist für Pass-Interference-Strafen? Die Wahrscheinlichkeit war so oder so gering, aber ich nehme die Chance mit Prescott doch lieber so, als Gefahr zu laufen, gar keine Chance auf den Game Winner zu haben.

Wir müssen auch über die Ausführung sprechen, natürlich. Warum gibt Prescott oder ein anderer Spieler dem Ref nicht direkt den Ball, damit der selbigen spotten kann? Wie kann man als Team hier so unorganisiert und planlos auftreten? Und als Gegenfrage: Sollte uns das bei diesem Team wirklich überraschen?

Denn das sloppy Auftreten bei diesem letzten Play eignet sich hervorragend auch als Überleitung auf das Big Picture. 14 akzeptierte Strafen für 89 Yards kassierte Dallas in diesem Spiel. Vier First Downs schenkten die Cowboys den Niners per Strafe.

Mehr noch, die Szene beim Fake Punt war einem professionellen Team nicht würdig: Nachdem Dallas per Fake Punt zu Beginn des Schlussviertels ein First Down gelungen war, waren die Cowboys offensichtlich nicht darauf vorbereitet, direkt die Offense wieder mit einem Play-Call aufs Feld zu bringen. Laut McCarthy wollte Dallas eigentlich ein zweites Play mit dem Punt-Team direkt noch umsetzen, statt direkt die Offense wieder drauf zu schicken.

Diese Sequenz dauerte so lange, dass Dallas eine Delay of Game Strafe kassierte, aus dem Erster-und-15 wurde Dritter-und-Neun und letztlich nur ein Field Goal bei Vierter-und-Sieben.

Garoppolo erinnert alle daran, wer er ist

All diese Szenen - und selbstredend war es nicht das erste Mal in dieser Saison, dass Dallas undiszipliniert und unsauber spielte - zeichnen das Bild eines schlecht gecoachten Teams. Dazu zählen auch einige der In-Game-Entscheidungen von McCarthy, wie der Punt bei Vierter-und-Zwei an der eigenen 33-Yard-Linie bei 16 Punkten im Rückstand.

Es waren gravierende Fehler von Jimmy Garoppolo, die Dallas überhaupt erst im Spiel hielten. Aiyuk verfehlte er komplett frei für ein potenzielles Big Play, die Interception war ein deutlicher Overthrow und so wurde es erst ein One-Score-Game.

Das ist Garoppolo. Er war über weite Strecken ein exzellenter Game Manager und Ballverteiler, der die Offense gut umsetzte, der dann aber den Gegner mit mehreren individuellen Fehlern wieder ins Spiel brachte, und Garoppolo ist nicht der Quarterback, der so ein Spiel dann wieder an sich reißt.

Deshalb haben die Niners auch all das in Trey Lance investiert, und letztlich erwarte ich auch deshalb - aber auch aus Cap-Gründen - dass San Francisco sich in der kommenden Offseason von Garoppolo trennen wird. Das Spiel gegen Dallas war eine Erinnerung an seine Qualitäten und an seine Schwächen.

2022 als Make-or-Break-Jahr für die Cowboys

Wenn wir sagen, dass "das Garoppolo ist", dann ist es aus Sicht der Cowboys auch fair zu sagen, dass "das Mike McCarthy ist". Von irgendeiner neu erfundenen Version des alten Packers-Coaches kann man sich denke ich verabschieden, ein Überflieger in puncto Game Management wird er eher nicht werden.

Dabei sollte darauf sein Hauptaugenmerk liegen. Kellen Moore ist der offensive Play-Caller, Dan Quinn für die Defense verantwortlich. Sicher, unter der Woche arbeiten alle am Game Plan, aber am Spieltag selbst ist das In-Game-Management und alles was dazugehört die primäre Aufgabe von McCarthy, und wenn wir das als Prämisse in den Raum stellen, ist das Urteil umso desolater.

Das wiederum bringt dann endgültig auch die Situation in Dallas in den Vordergrund. Ein sichtlich niedergeschlagener Jerry Jones sagte nach dem Spiel: "Wenn man diese Gruppe an Spielern hat, muss man erfolgreich sein." Den Division-Titel dürfte er damit kaum gemeint haben, und so stellt sich die Frage, ob McCarthy in Dallas wackelt? Ich denke, dass Jones vorerst loyal bleibt, aber McCarthy muss angezählt in die kommende Saison gehen.

Cowboys: Auch Prescott und Moore verdienen Kritik

Und ich hatte es zuletzt bereits gesagt, die Offense auch außerhalb von McCarthy - und es ist ja auch nicht seine Offense, die Dallas spielt, sodass der In-Game-Management-Part umso schwerwiegender wirkt - verdient Kritik. Das Play-Calling on Kellen Moore wirkte seit Wochen eindimensional und vorhersehbar, Prescott spielte nicht gut und selbst die Offensive Line schwächelte zuletzt.

Ich sehe hier ein übergreifendes Problem: Kellen Moore hat gute Play-Designs, und wenn die ineinander greifen, sieht die Offense fantastisch aus. Aber er hat es bisher in meinen Augen nicht geschafft, der Offense eine übergreifende schematische Baseline zu geben, etwas, worauf die Offense zurückfallen kann, die Kernidentität gewissermaßen. Ich finde auch nicht, dass er sonderlich gute Arbeit dahingehend geleistet hat, die Offense über ihre besten Spieler aufzuziehen, sprich, Amari Cooper und CeeDee Lamb zum klaren Mittelpunkt der Offense zu machen.

Hieraus resultiert auch diese Diskrepanz zwischen einigen perfekt gecallten und ausbalancierten 8-Play-Touchdown-Drives auf der einen, sowie vorhersehbaren, eindimensionalen Sequenzen auf der anderen Seite. Wenn die Play-Designs greifen, ist es fantastisch; wenn nicht, liegt zu viel auf den Schultern von Prescott, den man nach dieser Saison denke ich eher in das zweite Quarterback-Tier verorten muss.

Rein vom Kader her sollte Dallas dennoch eines der gefährlichsten Teams der Liga sein, und vereinzelt hatte man im Laufe der Saison auch den Eindruck, dass wirklich alle Puzzleteile zur gleichen Zeit ineinandergreifen könnten. Die individuelle Qualität ist nach wie vor hoch, trotzdem frage ich mich, ob Dallas 2022 ein ähnlich starkes Team an den Start bringen wird.

Ich würde davon ausgehen, dass die Defense nach einer Big-Play-Saison dann etwas Regression erleidet, während gleichzeitig die Offense potenziell Michael Gallup verliert. Tyron Smith wird nicht jünger, und Prescott griff nicht nur nach dem Spiel gegen San Francisco daneben, auch rein sportlich hatte er keine gute zweite Saisonhälfte. Prescott muss konstanter spielen, Moore muss sich verbessern, McCarthy muss sich verbessern, die Receiver müssen dominanter auftreten.

2022 wird ein Make-or-Break-Jahr für die Cowboys in ihrer aktuellen Zusammensetzung, da bin ich mir relativ sicher. Jones hat schon gesagt, dass McCarthy bleibt. Doch ein weiteres Jahr mit derart vielen kritischen Fehlern in den entscheidenden Momenten der Saison, dann wäre vermutlich selbst Jones' Loyalität und Geduld aufgebraucht.

Er sprach nach dem Spiel davon, dass er sich "nicht erinnern" könne, wann er das letzte Mal so enttäuscht war. Und mit seiner Analyse nach dem Spiel hat er durchaus Recht: Dieses Team ist zu talentiert, um sich auf diese Art und Weise in die Offseason zu verabschieden.