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Kontrolliertes Chaos und designte Shots: So kreieren Offenses Big Plays

Wie kreieren NFL-Teams in dieser Saison Big Plays? SPOX geht in die Analyse.
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Die Arizona Cardinals: Kontrolliertes Chaos

Play-Caller in der NFL haben den Ruf, gigantische Kontrollfreaks zu sein. Jedes Play wird bis ins kleinste Detail geplant, und die Offense - angefangen mit dem Quarterback - soll dieses dann auch exakt nach Plan umsetzen. Arizona stellt über die ersten beiden Spiele die Frage in den Raum: Wie viel unplanbares Chaos parallel zum strukturierten Teil der Offense kann funktionieren?

Ein "wichtiges Thema" seien die Scramble-Drills gewesen, betonte Cardinals-Coach Kliff Kingsbury nach dem Sieg über die Minnesota Vikings am Sonntag, "letztes Jahr, und dann in der Offseason. Wenn man sich einige der Top-Offenses anschaut, Mahomes, Rodgers, Lamar, Josh Allen - diese Jungs kreieren, in der zweiten Phase des Plays. Nichts im Football ist schwieriger zu verteidigen als ein Broken Play."

Über die ersten beiden Spiele wandern die Cardinals auf dem schmalen Grat dazwischen: Mit einem Quarterback, der spektakuläres Big Play auf spektakuläres Big Play kreiert, was Arizonas Offense unvorhersehbar und teilweise nicht zu verteidigen macht.

Diese Big Plays gleichzeitig kommen mit einem Preis; einerseits wird das Risiko auf negative Plays erhöht, andererseits kann es aus offensiver Sicht schwer sein, eine schematische Baseline zu kreieren, auf die man notfalls zurückfallen kann, und es ist generell umso schwieriger, schematisch eine Identität aufzubauen, in der Plays ineinandergreifen, wenn der Quarterback derartige kreative Freiheiten hat.

Scramble Drill: Wie viel Chaos funktioniert noch?

Deshalb ist es ein schmaler Grat, und eine "mal damit gewinnen, mal damit verlieren"-Situation.

Murray beschrieb den spektakulären 77-Yard-Touchdown zu Rondale Moore nach dem Vikings-Spiel so: "Das sind alles Reaktionen, alles Instinkt, da raus zu kommen, zu verstehen, welche Konzepte wir laufen und wo die Jungs sind, wenn ich scramble. Wir arbeiten jede Woche am Scramble Drill, und es freut mich, dass sich das auszahlt. Der Touchdown zu Hop war ein Scramble, der Touchdown zu Rondale war ein Scramble. Das ist etwas, wo man gut sein muss, wenn man einen mobilen Quarterback hat."

Die Cardinals haben die improvisierten Plays ein Stück weit in ihr Playbook mit aufgenommen. Das sind einerseits die - so weit das möglich ist - einstudierten Scrambles; eines von Murrays spektakulärsten Plays gegen die Titans, als er mehreren Pass-Rushern quer über das Feld auswich und dann Moore fand, war ebenfalls bei einem Scramble und auch beim ersten Touchdown zu DeAndre Hopkins in Woche 1 ging er vielleicht etwas zu früh aus der Pocket, fand so aber seinen Star-Receiver mit etwas Verspätung.

Arizona gibt Murray aber auch mehr Freiheiten - und Rushing-Gelegenheiten - aus Empty, insbesondere in der Red Zone. Murray hatte laut den Stats von Sharp Analysis letztes Jahr nur neun Dropbacks aus Empty in der Red Zone, sowie keinen einzigen Run aus Empty in der Red Zone. Quarterback-Runs, und davon gab es auch 2020 einige, waren in erster Linie Option-Plays, dieses Jahr ist das anders.

Die Cardinals haben ihre Offense für Murray mehr geöffnet, sie geben ihm mehr Freiheiten, auch an der Line of Scrimmage. Bereits zwei Mal in den ersten beiden Partien identifizierten Murray und der neue Center Rodney Hudson Pre-Snap einen aggressiven Blitz, Murray wählte sein Matchup Pre-Snap - in beiden Fällen war es Christian Kirk aus dem Slot mit einer vertikalen Route - und bestrafte die Defense.

Kyler Murrays einfache Gesamtrechnung

"Das ist das dritte Jahr im System, und wir geben ihm die Freiheit an der Line, Dinge zu verändern, je nachdem, was er sieht", bestätigte Kingsbury nach dem Titans-Spiel. "Und ich denke, er fühlt sich damit zunehmend wohler."

Die Cardinals spielen eine Art "Playmaker-Offense". Die Big Plays kommen aus einer Mischung aus vorteilhaften Matchups - Kirk im Slot, A.J. Green Eins-gegen-Eins, DeAndre Hopkins je nach Situation und Gegenspieler -, Pre-Snap-Recognition und entsprechenden Anpassungen, sowie Kyler Murrays Kreativität.

In dieser Kombination ist die Offense brandgefährlich. Und es sollte nicht der Eindruck entstehen, dass Arizona ausschließlich über Murrays Kreativität Big Plays kreiert; in beiden Spielen hatte Arizona mehrere Big Plays, auch in kritischen Momenten, die komplett innerhalb der Struktur der Offense stattfanden. Auch Arizonas Screen Game, ein wichtiger Bestandteil in Kingsburys Offense, ist bislang deutlich effektiver als letztes Jahr: 9,8 Yards pro Screen-Pass, auf die ganze Saison letztes Jahr betrachtet waren das 3,8 Yards pro Pass, einer der schwächsten Werte in der NFL.

Aber das, was die Offense unberechenbar macht, und ihr in jedem möglichen Spiel die Elite Upside geben kann, ist Murrays individuelle Qualität. Innerhalb der Struktur, aber eben auch wenn er selbst kreiert. "Es ist nicht alles so chaotisch, wie es aussieht", stellte Kingsbury weiter klar. Ich denke nicht, dass das deine Basis sein kann. Aber es kann eine Waffe sein."

Dafür nimmt man die Fehler, die unweigerlich mit diesem Spielstil einhergehen, auch in Kauf. Kingsbury wurde nach dem Vikings-Spiel mit Blick auf Murrays zweite Interception gefragt, ob Murray manchmal etwas konservativer spielen müsse - seine klare Antwort: "Nein, er spielt aggressiv, er spielt, um zu gewinnen. Wir wollen, dass er aggressiv ist, wir wollen, dass er sein Spiel spielen kann. Ich werde es ihm niemals vorwerfen, wenn er etwas sieht und tief geht."

Und so ist die Gleichung letztlich relativ simpel, um es in Murrays Worten vom Sonntag zu sagen: "Am Ende des Tages geht es darum, sich nicht selbst im Weg zu stehen. Wenn wir punkten, fühlt es sich leicht an und macht Spaß. Und wenn wir Turnover haben, negative Plays, dann fühlt es sich mies an."

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