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Top 10: Die wichtigsten Erkenntnisse aus Woche 12 in der NFL

SPOX-Redakteur Adrian Franke blickt zurück auf Woche 12 in der NFL.
© getty

Woche 12 in der NFL brachte das womöglich letzte Matchup zwischen Mahomes und Brady - mit dem besseren Ende für Mahomes. Doch warum wurde es eigentlich nochmal so eng? Außerdem: Der komplette Quarterback-Wahnsinn in Denver, ein knallharter Realitäts-Check für die Cardinals, neue Machtverhältnisse in der AFC South - und wer sind die Raiders wirklich? SPOX-Redakteur Adrian Franke bringt Euch am Montag auf Stand mit seinen zehn wichtigsten Punkten und Einschätzungen zum vergangenen NFL-Sonntag, alle Recaps vom Sonntag gibt es hier.

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Top 10 - die Takeaways zu Week 12 in der NFL

1. Der komplette Irrsinn in Denver

Selbst unter der unbestreitbaren Prämisse, dass es eine in jeder Hinsicht ungewöhnliche Saison ist - das, was da in Denver am Sonntag passierte, setzt allem bisher noch die Krone auf. Am Samstagabend wurde bekannt, dass die Broncos gegen die Saints ohne ihre vier Quarterbacks Drew Lock, Jeff Driskel, Brett Rypien und Blake Bortles auskommen müssen. Driskel war am Donnerstag positiv auf Corona getestet worden, die anderen drei wurden am Samstag als Hochrisiko-Kontaktpersonen identifiziert und entsprechend der NFL-Protokolle isoliert.

Ein Einsatz am Sonntag wurde damit unmöglich, und Denver hätte auch keine Chance gehabt, noch einen Quarterback kurzfristig zu verpflichten und den dann einzusetzen. Auch hierfür müssen entsprechende Protokolle befolgt und mehrere negative Corona-Tests absolviert werden, bis zum Spiel am Sonntag war dafür schlicht nicht genug Zeit.

Vor allem aber waren verschiedene Seiten im Zuge der jüngsten Entwicklungen nur zu schnell bereit, uninformierte Takes in die Social-Media-Stratosphäre zu feuern: Die Liga würde die Ravens - deren Spiel gegen Pittsburgh wegen inzwischen 20 Spielern auf der Covid-19-Liste bereits zum zweiten Mal verschoben wurde - bevorzugen; Denver dagegen müsse ohne Quarterbacks antreten.

Man kann die Protokolle der Liga kritisieren, der Liga aber keine Bevorzugung vorwerfen: In den eigenen Protokollen ist die NFL konstant. Die Ravens (inzwischen auch die Steelers) hatten noch bis zum Spieltag selbst neue positive Tests - Driskels positiver Test in Denver kam am Donnerstag. Informationen von The Athletic zufolge waren Denvers Quarterbacks in den Gesprächen, um die Kontakte zu Driskel offenzulegen, zunächst aber nicht ehrlich. Erst später kam - so die Berichte - heraus, dass Denvers Quarterbacks längere Zeit ohne Masken und ohne die Tracking-Devices zusammen waren. Das würde auch die Verspätung im gesamten Prozess erklären.

Sollte sich das bestätigen, werden die Broncos dafür hart bestraft werden - zu Recht. Und auch die Ravens werden bestraft werden, der Ausbruch in Baltimore geht offenbar ebenfalls auf eine Verletzung der Maskenpflicht zurück. Die Liga hat gerade die Saints und Patriots bestraft. Die Broncos mussten am Sonntag aber spielen, weil der positive Test drei Tage vor Kickoff war, während die Ravens am Donnerstag und am Sonntag weiter positive Tests hatten.

Es geht nicht darum, Baltimore Aufschub zu geben, weil Lamar Jackson positiv getestet wurde - der könnte auch am Dienstag nicht spielen. Es geht darum, halbwegs sicher zu stellen, dass die Ravens als Auswärtsteam reisen können, ohne dass ansteckende Spieler mit dem Rest des Teams reisen. In Denver war man anhand der Kontaktüberprüfung davon überzeugt, dass zwar die Quarterbacks isoliert werden müssen, der Rest des Teams jedoch nicht gefährdet ist. Das ist der krasse Gegensatz zur Situation in Baltimore, die längst außer Kontrolle ist. Wann die Ravens wieder "sicher" reisen können ist noch immer unklar.

Im Endeffekt sind die Broncos - so die Berichte stimmen - komplett selbst dafür verantwortlich, dass sie dieses Spiel ohne einen ihrer etatmäßigen Quarterbacks spielen mussten. Aus Team-Sicht, weil sie keinen der vier (!) Quarterbacks generell vom Rest isolierten - und natürlich die Spieler, weil sie offenbar der Meinung waren, dass die ganze Masken- und Contact-Tracing-Sache für sie nicht so wichtig ist. Umso wichtiger, dass Vic Fangio nach dem Spiel ein klares Statement dazu abgab, das man nur unterschreiben kann.

Saints: Wie geht es weiter mit Taysom Hill?

Practice-Squad-Receiver Kendall Hinton sprang also als Notfall-Quarterback ein. Hinton hatte mehrere Jahre im College für Wake Forest Quarterback gespielt, ehe er in seiner letzten Saison auf Slot-Receiver umschulte. Einen Antrag der Broncos, Offensive Quality Control Coach Rob Calabrese (Ex-UCF-Quarterback) als Quarterback starten zu lassen, lehnte die Liga am Sonntag ab. Kompletter Wahnsinn.

Das Spiel lief dann in etwa so, wie man es sich erwarten konnte. Die Broncos konnten durch die Luft überhaupt nichts machen, spielten aber gleichzeitig auch nicht ansatzweise in dem Ausmaß eine Option-Offense, wie man es sich vielleicht vorgestellt hätte - was Hinton auch gelegen und ihn deutlich entlastet hätte. Gleichzeitig hatte Denver natürlich auch quasi keine Zeit, derartige Spielzüge irgendwie ausgeprägter einzustudieren, das sollte man nicht vergessen. Die Broncos hatten offensiv erwartungsgemäß keine Chance, die 112 Offense-Yards bedeuten den fünftniedrigsten Wert in der Franchise-Geschichte.

Aber nicht unerwähnt in dem gesamten Broncos-Chaos sollte die Vorstellung von Taysom Hill bleiben. Gegen die Falcons war er zweifellos eine positive Überraschung, aber selbst letzte Woche schien der Hype übertrieben. Gegen eine deutlich bessere Broncos-Defense wurde Hills extrem langsamer gesamter mentaler Prozess in der Pocket deutlich. Mehrfach war er spät mit seinen Reads, hielt den Ball zu lange. Antizipation fehlt häufig komplett und im Laufe des Spiels wurde er dann auch mehr als Power-Runner als als Passer eingesetzt.

Seine Limitierungen sind deutlich sichtbar, auch wenn es im Endeffekt gegen ein desolates Falcons-Team sowie gegen diese Broncos keinen Unterschied ausmachte. Bisher musste er nur relativ wenig "Quarterback spielen". Vielleicht bieten die Falcons im zweiten Spiel eine bessere Prüfung, um mehr über Hill zu erfahren. Bisher hat er unter dem Strich nicht viel zeigen müssen, aber er hat auch wenig gezeigt, das eine steile Quarterback-Entwicklung vermuten lassen würde.

Skepsis bleibt hier angebracht, angesichts seines Vertrags für 2021 werden wir aber noch weitere Kostproben und damit zumindest weitere Datenpunkte erhalten.

2. Die Chiefs - der einzige Titelanwärter?

"Machtdemonstration" wäre fast noch zu nett ausgedrückt für das, was die Chiefs im ersten Viertel mit Tampa Bay machten. 17:0 stand es, und Kansas City, mehr oder weniger ohne den Versuch, gegen die starke Bucs-Run-Defense den Ball überhaupt zu laufen, zerlegte Tampa durch die Luft komplett.

Von "Man Coverage ohne Safety-Hilfe dahinter. Das sehen wir nicht allzu häufig", sprach Patrick Mahomes nach der Partie ganz unverblümt. Gemeint war vor allem der arme Carlton Davis, dem Mahomes und Tyreek Hill Albträume für mehrere Nächte bescherten, wann immer Davis alleine gegen Hill stand.

Tampa war offensichtlich mit dem Plan in die Partie gegangen, Davis einen Versuch auf dieses Eins-gegen-Eins-Matchup zu geben, um im Idealfall so viel mehr defensive Flexibilität außerhalb dieses Matchups zu erhalten. Doch wer das gegen KC testet, kann eben schnell mehrere Big Plays eingeschenkt bekommen. Hill ging noch im ersten Viertel über 200 Receiving-Yards, Mahomes warf Big Play auf Big Play, es war eine Show.

Die Chiefs kamen von Anfang an mit der gewohnten Menge Kreativität in den Play-Designs raus und waren wieder einmal unheimlich gut darin, jede Schwäche und jedes Matchup zu attackieren, das die Defense im jeweiligen Moment bot. Es war Wasser auf die Mühlen von all denjenigen, die sagen, dass es so etwas wie eine dominante Defense - über den Zeitraum einer Saison gedacht - in der heutigen NFL gar nicht mehr gibt. Und es fällt schwer, hier dagegen zu argumentieren.

Natürlich können starke Defenses nach wie vor einzelne Spiele gewinnen und einzelne Gegner dominieren, wenn das Matchup passt - die Bucs selbst im Spiel gegen die Packers wären ja das ideale Beispiel dafür. Aber Defenses sind Woche für Woche eben auch schlicht deutlich abhängiger von ihrem jeweiligen Matchup als Offenses, und wer in der heutigen NFL aus Sicht der Gesamt-Kaderplanung seines Team den Wunsch nach einer dominanten Defense priorisiert, biegt vermutlich hier schon falsch ab.

Doch warum war es am Ende doch so eng? Zwei Gedanken dazu: Kansas City hat in dieser Saison mehrfach die Tendenz gezeigt, innerhalb eines Spiels den Fuß bedenklich weit vom Gaspedal zu nehmen. Zugegeben, wenn es darauf ankommt, konnten sie das Pedal meist doch nochmal durchtreten, aber das ist ein Spiel mit dem Feuer, insbesondere gegen eine Offense mit der individuellen Klasse der Bucs. Brady, der anfangs abermals mehrere Deep Shots deutlich verfehlte, steigerte sich, Tampa nutzte sogar ein wenig mehr Motion und Play Action und wurde prompt dafür belohnt.

Kansas City dagegen wurde in der zweiten Hälfte fahrig. Mahomes warf einen etwas ungenauen Pass auf Mecole Hardman, der den Ball dann fallen ließ, statt zu einem potenziellen 80-Yard-Touchdown in die Endzone zu sprinten. Mahomes selbst machte auch mehr Fehler und warf ein paar "mir egal"-Bälle mit Ryan-Fitzpatrick-Charakter Richtung Secondary. Und Andy Reid selbst wurde passiver, allen voran der Punt bei Vierter-und-Zwei an der eigenen 43-Yard-Line bei 27:10-Führung spät im dritten Viertel war eine sehr fragwürdige Entscheidung.

Und dennoch, mit dem Durchhänger im Hinterkopf, mit den Nachlässigkeiten nach der deutlichen Führung im Hinterkopf - allen voran blieb bei mir ein Takeaway hängen: Die Chiefs sind aktuell mehrere Stufen über dem Rest der NFL und spielen dabei noch nicht einmal konstant am eigenen Limit.

3. Neue Machtverhältnisse in der AFC South?

Erst zwei Wochen ist es her, dass die Colts in Tennessee eine dominante Partie ablieferten, die Titans klar schlugen und das Spiel insbesondere defensiv über weite Strecken komplett kontrollierten. Mit einem Sieg im Rückspiel hätten sie schon für eine Vorentscheidung in der Division sorgen können - stattdessen steht ein 45:26-Sieg für Tennessee, und die Frage: Wie konnte das nur passieren?

Das Spiel war zur Halbzeitpause bereits entschieden. 35:14 führte Tennessee dort, und Derrick Henry hatte 140 Rushing-Yards und drei Touchdowns auf dem Konto. Nur noch 38 weitere Yards kamen nach der Pause dazu. Doch selbstredend war die erste Hälfte die Geschichte dieses Spiels, und auch wenn die Verpflichtung von DeForest Buckner als "fehlendes Puzzleteil" für die Colts-Defense galt - das schien noch untertrieben.

Ohne Buckner sowie ohne Denico Autry in der Defensive Line verloren die Colts die Line of Scrimmage komplett. Wo Henry zuletzt - nicht nur im ersten Spiel gegen Indianapolis - regelmäßig um jeden Zentimeter kämpfen musste, waren plötzlich weit offene Gaps.

Tennessee dominierte hier in der ersten Hälfte komplett, die Titans spielten offensiv absolut simpel, mussten aber eben auch nicht viel mehr machen, als den Ball zu laufen. Für das einzige echte Big Play durch die Luft sorgte A.J. Brown mit einem weiteren äußerst eindrucksvollen Catch-and-Run zum 69-Yard-Touchdown, wieder einmal ein enormer Einsatz nach einem Crosser.

Was macht das jetzt mit dieser Division? Beide Teams bleiben inkonstant, beide sind eher knapp außerhalb der Top 10. Die Titans haben noch einen wirklich schweren Gegner (Green Bay) sowie nächste Woche gegen Cleveland eine potenziell unangenehme Aufgabe. Die Colts müssen noch nach Pittsburgh, zu den Raiders und zwei Mal gegen Deshaun Watson und die Texans ran, Letzteres erwartet Tennessee nur noch ein Mal.

Tennessees Identität ist klar, und wenn diese Physis nicht nur an der Line of Scrimmage, sondern eben auch mit Henry, auch mit Brown punktet, dann hat Tennessee offensiv hohes explosives Potenzial. Die Colts sind das komplettere Team, der unangenehmere Schedule könnte am Ende aber Indianapolis knapp hinter Tennessee rutschen lassen.