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NFL: Arizona Cardinals winkt seltener Sweep gegen Seattle Seahawks - Wachablösung in der NFC West?

Kyler Murray besiegte die Seahawks bereits im Heimspiel in dieser Saison.
© getty

Während Russell Wilson gemeinhin als einer der besten Quarterbacks der Zukunft angesehen wird, rückt mit Kyler Murray ein direkter Division-Konkurrent der Seattle Seahawks langsam in diese Riege vor. Nun treffen beide zum zweiten Mal in diesem Jahr aufeinander. Den Arizona Cardinals könnte dann sogar schon eine Art Wachablösung gelingen. (Das Spiel Seahawks vs. Cardinals seht Ihr am Freitag ab 2.20 Uhr live auf DAZN!)

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Vor Saisonbeginn schien in der NFC West alles für einen spannenden Zweikampf zwischen den San Francisco 49ers und den Seattle Seahawks hinauszulaufen - mit den L.A. Rams und Arizona Cardinals als hoffnungsvolle Verfolger. Vor Woche 11 nun muss diese Sicht etwas revidiert werden. Die 49ers sind durch schier unglaubliches Verletzungspech raus aus dem Division-Rennen, die anderen drei Teams jedoch mittendrin - und sogar mit 6-3 exakt gleichauf!

Zu verdanken ist diese aktuell hochspannende Konstellation vor allem der Tatsache, dass die Seahawks nach Raketenstart zuletzt in Buffalo unter die Räder kamen und dann auch noch im direkten Duell bei den Rams unterlagen. Zudem entrissen die Cardinals am vergangenen Sonntag eben jenen Bills durch den "Hail Murray" am Ende einen sicheren Sieg. Umso brisanter wird nun das Aufeinandertreffen der Seahawks und Cardinals zum Auftakt von Woche 11 (In der Nacht zum Freitag, ab 2.20 Uhr live auf DAZN).

Ausgerechnet die Cardinals hatten den Seahawks vor wenigen Wochen deren erste Niederlage beigebracht und damit überhaupt erst das nun vorherrschende sportliche Tief - drei Pleiten in den vergangenen vier Partien - eingeleitet. Nun wiederum könnte den Cardinals ein seltener Sweep gegen den Division-Rivalen gelingen. Ein Kunststück, das den Cardinals zuletzt 2009 - mit Hall-of-Famer Kurt Warner - geglückt war.

Ein solcher Sweep in dieser Saison würde als Ausrufezeichen gewertet werden können. Arizona zöge an den Seahawks - und womöglich auch an den Rams, die vor einer schweren Aufgabe gegen Tampa Bay stehen - vorbei und wären damit gewissermaßen in der Pole Position, was den Division-Endspurt angeht.

Seahawks: Keine Losing Season seit 2011

Seattle war in den vergangenen zehn Jahren die große Konstante im Westen der NFC. Seit 2010, Head Coach Pete Carrolls erstem Jahr in Washington, gewann das Team acht mal die Division, stand zweimal im Super Bowl und gewann jenen nach der Saison 2013. Zudem gab es seit 2011 (7-9) keine "Losing Season" mehr. Ein Hauptgrund dafür war und ist freilich Quarterback Russell Wilson, der neben einer zu Beginn der Carroll-Ära überragenden Defense die große Stärke dieses Teams verkörperte. Die Defense hat seither Federn gelassen, Wilson jedoch wurde im Grunde immer besser und spektakulärer.

Auch in diesem Jahr begann er bärenstark und war lange der Favorit in der MVP-Diskussion. Nach ein paar schwächeren Auftritten und 10 Turnovers in den vergangenen vier Spielen jedoch dürfte seine Kandidatur gelitten haben. Dabei war alles eigentlich zu seinen Gunsten gelaufen. Wilson durfte in diesem Jahr erstmals von Beginn an zeigen, was er kann. Stichwort "Let Russ cook", sprich: Legt das Spiel schon früh in seine Hände.

Konkret ging es darum, dass die Seahawks unter Carroll und Offensive Coordinator Brian Schottenheimer seit Jahren das Prinzip verfolgten, den Run zu etablieren und damit das Geschehen zu kontrollieren. Sie liefen gebetsmühlenartig in early Downs und setzten erst dann auf den Pass, wenn es bei dritten Versuchen eigentlich schon zu spät war. 2020 jedoch wurde alles anders.

2020 setzten die Seahawks in 60 Prozent der Fälle auf Pässe in early Downs (1st, 2nd). Nur die Chicago Bears (61 Prozent) werfen den Ball noch häufiger in early Downs! Und diese Herangehensweise ist sogar von Erfolg gekrönt, denn Seattle führt die Liga mit 0,174 EPA/Play in early Downs an. Wichtig ist hier zu erwähnen, dass hier das gesamte Spiel betrachtet wird, also auch sogenannte "2-Minute-Drills", in denen ohnehin eher gepasst wird.

Seahawks: Kein komplettes Team

Dass es in den vergangenen Wochen dennoch bergab ging mit der Formkurve, ist in erster Linie der Tatsache geschuldet, dass die Seahawks eben kein komplettes Team sind. Ihre Defense lässt zu wünschen übrig. An der Front ist der Pass Rush zu schwach ohne zu blitzen, in der Secondary ist man weit weg von der "Legion of Boom" von einst. Und so muss Wilson schon sehr heiß "kochen", um sein Team in der Erfolgsspur zu halten. Manchmal dann eben zu heiß.

Wilson ist ein herausragender Deep-Ball-Werfer, seine tiefen Pässe kommen auch in der Regel bei seinen Playmakern D.K. Metcalf und Tyler Lockett an, doch zuweilen übertrieb er es mit diesen riskanten Pässen auch. Das führte dann zu nunmehr 10 Interceptions in nur neun Spielen.

Auf der anderen Seite steht mit Kyler Murray vielleicht die Zukunft auf dieser Position. Murray ist Wilson insofern ähnlich, als dass er auch kaum 1,80 Meter misst, dafür aber wieselflink ist und ebenfalls einen sehr guten Arm vorweist - NFL-Network-Moderator Chris Rose vergleicht ihn als Läufer nicht grundlos mit dem einstigen Return-Spezialisten Dante Hall. Und wie Wilson war auch er ein ausgezeichneter Baseballspieler auf dem College. Mit 10 Touchdown-Läufen führt er indes alle Quarterbacks an.

Rein statistisch gesehen sind auch die Cardinals eines der besten Teams, was Produktion in early Downs betrifft. Mit 0,131 EPA/Play liegen sie auf Rang 5 der Liga. Und das, obwohl sie die siebtwenigsten Pässe in early Downs (53 Prozent) versuchen. In Sachen Dropback EPA liegen sie mit 0,267 sogar über dem Wert der Cardinals (0,248) in early Downs, was unterstreicht, wie gut Murray tatsächlich spielt.

Schaut man sich das MVP-Rennen aktuell an, wären zwar beide nicht die Topfavoriten, doch während Wilson gerade eher auf dem absteigenden Ast unterwegs ist, steigen die Aktien von Murray deutlich.

Seahawks vs. Cardinals: Big Plays vorprogrammiert

Unterm Strich führen allerdings beide explosive Offenses an, die jederzeit zu Big Plays in der Lage sind. Was die jeweiligen Defenses angeht, kommt Arizona deutlich effizienter daher. Laut Football Outsiders stellen sie die neunteffizienteste Defense der Liga (-5,1 Prozent DVOA), während die Seahawks mit all ihren Lücken (7,2 Prozent DVOA) nur Rang 23 belegen. Ein Grund für den großen Unterschied in dieser Betrachtung ist zweifelsohne die Passverteidigung. Während die der Cardinals immerhin über Durchschnitt agiert (0,5 Prozent DVOA, Platz 13), ist selbige bei den Seahawks eine größere Schwachstelle (22,1 Prozent DVOA, Platz 26).

Nun treffen beide Teams erneut aufeinander. Im ersten Duell in der Wüste brauchte es eine wilde Aufholjagd der Cardinals, um sich in die Overtime und dort 15 Sekunden vor Schluss durch ein 48-Yard-Field-Goal zum Sieg zu retten. Das unter tätiger Mithilfe von Wilson, der 3 Interceptions geworfen hatte. Murray allerdings war nicht wahnsinnig viel besser, fumblete zweimal - ohne Ballverlust - und warf selbst eine Interception. Und beide QBs sorgten mit Pässen und Läufen zusammengerechnet jeweils für mehr als 400 Yards, was nochmals unterstreicht, wie explosiv die beiden allein schon sein können.

Gelingt den Cardinals nun tatsächlich ein so seltener Sweep über den Konkurrenten aus dem Nordwesten, könnte die Wachablösung in dieser Division anstehen. Wilson und seine wichtigsten Nebenleute sind zwar noch keineswegs alt, aber Murray und die Cardinals unter der Führung von Head Coach Kliff Kingsbury wirken insgesamt frischer und besser aufgestellt für die nahe Zukunft, speziell aufgrund der Tatsache, dass ihr QB noch nicht teuer bezahlt werden muss. Zudem hat Arizona auf Sicht verlässlichere Spieler auf den (defensiven) Skill-Positionen im Team - auch wenn Chandler Jones in diesem Jahr nicht mehr mitwirken wird.

Die Cardinals haben die große Chance, schon jetzt, vielleicht ein, zwei Jahre früher als eigentlich geplant, den entscheidenden Schritt nach vorn zu machen, um sich ganz oben zu etablieren. Und das wäre indes auch eine Parallele zu den Seahawks, die vielleicht 2013 auch noch keiner im Super Bowl erwartet hätte seinerzeit. Den Super Bowl, den die Cardinals im Übrigen 2009 - nach ihrem letzten Sweep über Seattle - letztmals erreichten.