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Third and Long Week 4: Sind die Browns ein Playoff-Team?

Die SPOX-Kolumne blickt zurück auf Woche 4 in der NFL.
© imago images/Trask Smith
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Überraschungen, NFC East, Browns, Colts - Eure Fragen

James Bradawick: Ein Viertel der Saison ist gespielt - was ist für dich bisher die größte Überraschung?

Josh Allen, und es ist nicht wirklich knapp. Ich hatte letzte Woche bereits ein wenig über die Bills-Offense geschrieben - Buffalo hat Allen nicht nur eines der besten Receiver-Trios der Liga sowie eine sehr solide Offensive Line an die Seite gestellt, Offensive Coordinator Brian Daboll etabliert sich auch mehr und mehr in der aktuellen Liga-Spitze unter den offensiven Play-Callern.

Die Umstände also sind nahezu ideal - aber das ist selbstredend keine Garantie für verbessertes Quarterback-Play. Und Allen ist in dieser Hinsicht ein äußerst ungewöhnlicher Fall: Er war nicht sonderlich gut im College, er war nicht sonderlich gut als Rookie, er war nicht sonderlich gut in seiner zweiten Saison - und das ist noch ziemlich freundlich ausgedrückt.

Dass ein Quarterback mit dieser Vorgeschichte im dritten Jahr derart explodiert, und zwar eben nicht nur innerhalb der Struktur einer sehr gut geölten Offense-Maschine, sondern auch darüber hinaus, ist extrem selten. Dass er sich als Passer so signifikant verbessert, plötzlich mit Touch aufwarten kann - extrem selten. Die groben Fehler und die Plays, bei denen er so gar kein Gefühl entweder für die Spielsituation oder für die Defense hat, sind nach wie vor da und wurden bislang vergleichsweise selten bestraft. Aber sie sind auch merklich weniger geworden.

Allen habe ich (noch?) nicht in der MVP-Konversation. Einerseits wegen der noch immer sichtbaren Fehler, andererseits auch weil er eben - bei allem absolut berechtigten Lob - gleichzeitig innerhalb exzellenter Umstände vor allem funktionieren darf. Aber allein die individuelle Entwicklung bei Allen, für die ich keinerlei Anzeichen vor Saisonstart gesehen hatte, ist für mich die mit Abstand größte Überraschung dieser Saison.

moritzm: Für welche Teams ist die Saison bereits nach Week 4 gelaufen?

Ich hatte letzte Woche schon über die damaligen 0-3-Teams (Texans, Vikings, Giants, Jets, Broncos, Falcons) geschrieben, sowie deren geringe Chance, in dieser Saison noch etwas zu reißen. "Gelaufen" würde ich in dem Sinne so interpretieren, dass ich den Teams keine realistischen Playoff-Chancen zugestehe - für diese sechs Teams ist die Einschätzung unverändert, auch wenn Minnesota und Denver je ihren ersten Saisonsieg feierten.

Wen kann man noch dazu zählen? Die Dolphins (1-3) könnten durchaus auf einem vielversprechenden Weg sein - aber sie sind auch noch inmitten ihres Umbruchs, und auch wenn sie es gegen Seattle unerwartet lange eng hielten, wären selbst acht Siege ein echtes Ausrufezeichen.

Das gilt auch für die Bengals (1-2-1), so vielversprechend Burrow bislang auch aussieht. Die Lions (1-3) derweil haben schlicht einen massiven Coaching-Nachteil. Jacksonville (1-3) wird zwar noch einige Teams überraschen, aber mehr als sechs Siege wären doch eine große Überraschung.

Wer muss in dieser Hinsicht über die kommenden Wochen extrem aufpassen? Die Cardinals (2-2) sind noch ein gutes Stück von dem Entwicklungssprung entfernt, den man ihnen auf dem Papier zugetraut hat, und kommen hier keine Anpassungen, könnte es eine frustrierende Saison in der Wüste werden. Chicago (3-1) steht und fällt mit der Hoffnung auf einen Nick-Foles-Run, die Chargers (1-3) mit Herbert machen Spaß, dürften aber auch noch mehr Zeit brauchen.

Auch die Raiders (2-2) mit ihren defensiven Problemen und offensiven Limitierungen sehen stark nach Mittelmaß aus.

justmetrustme, Max Vatter und Christian: Dieses Jahr ist gefühlt fast jedes Spiel ein High-Scoring-Game im Vergleich zum letzten Jahr. Woran könnte das liegen?

Das ist nicht nur gefühlt so, aktuell ist die NFL auf Kurs, den Punkte-pro-Spiel-Rekord (46,8) zu pulverisieren. Drei Aspekte sehe ich hier im Mittelpunkt:

  1. Die Schiedsrichter pfeifen ganz bewusst "lockerer", gerade was etwa Holding-Strafen angeht. Die Spiele haben so einen merklich besseren Fluss - und ultimativ profitiert die Offense selbstredend davon. Das macht sich ganz krass bemerkbar.
  2. Wie schon bei der Lockout-Saison 2011 macht sich wieder einmal bemerkbar: Eine - auf welche Weise auch immer - limitierte Saisonvorbereitung mit weniger echtem Tackling, weniger Kontakt und weniger Einheiten auch gegen andere Teams sind vor allem ein Problem für die Defense. Wir sehen das aktuell einerseits in - Überraschung - schlechtem Tackling, andererseits aber sind Defenses nun einmal per Definition meist in der reagierenden Rolle. Die Gefahr, dass Abstimmungsfehler auftreten, ist infolge der ungewöhnlichen Offseason nochmal erhöht.
  3. Es ist eine Offense-Liga. Diese Aussage muss schon völlig zu Recht mit einer Phrasen-Steuer belegt werden, aber es ist nun einmal die Realität. Und die Auswirkungen auf dem Platz sehen wir mehr und mehr. Es gibt einfach zahlreiche wirklich gute offensive Play-Caller, auch außerhalb der großen Namen wie Shanahan, McVay, Payton oder McDaniels, die meist im Mittelpunkt stehen. Brian Daboll in Buffalo, Arthur Smith bei den Titans, Matt LaFleur in Green Bay hat sich deutlich verbessert, die neue Cowboys-Konstellation funktioniert gut und dass Seattles Brian Schottenheimer inzwischen deutlich unterschätzt ist, hören Leser meiner Kolumnen nicht zum ersten Mal. Und mehr Teams fokussieren sich auch auf die Offense und stecken dort ihre Ressourcen rein - weil es der konstantere Mannschaftsteil ist, weil man hier die Basis für langfristigen Erfolg legt.

Defenses werden sich vermutlich im Laufe der Saison ein Stück weit fangen. Aber insbesondere der dritte Punkt ist eine Entwicklung, die bereits seit einer Weile im Gange ist und sich nun schlicht mehr und mehr bemerkbar macht. Und diese Entwicklung wird zumindest vorerst weitergehen.