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Third and Long: Was macht Brady - und wie stoppten die Vikings Drew Brees?

SPOX-Redakteur Adrian Franke blickt in seiner wöchentlichen Kolumne zurück auf die Wildcard-Runde.
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Wie stoppte die Vikings-Defense Drew Brees und die Saints?

Es war ohne Frage die größte Überraschung am Wildcard-Wochenende: Die Vikings waren nicht nur bei den Buchmachern der deutlichste Außenseiter am vergangenen Wochenende - die realistischste Formel für einen Sieg schien darin zu bestehen, dass Minnesotas Offense einen Shootout gewinnt.

Zu gut war die Saints-Offense über die zweite Saisonhälfte und konkret die letzten Wochen, als dass man es der Vikings-Defense zutraute, ein Low-Scoring-Game zu kreieren.

Und doch stand Drew Brees am Ende bei 177 Net Passing Yards, die Saints knackten die 100 Rushing-Yard-Marke nicht und abgesehen von Taysom Hill, der als Allzweckwaffe und am schwersten berechenbarer X-Faktor New Orleans überhaupt erst im Spiel hielt, hatten die Saints keinen einzigen individuellen Run über mehr als acht Yards.

Wie konnte das passieren?

Die Atlanta Falcons als Vorlage für die Vikings

Vikings-Coach Mike Zimmer gab nach der Partie ganz offen zu, dass er sich in der Außenseiter-Rolle im Vorfeld der Partie wohlgefühlt hatte: "Ich habe jede Menge Respekt vor den Saints, vor Drew Brees, vor den tollen Spielern, die sie haben, und vor Sean Payton. Wir hatten heute das glücklichere Ende. Aber ja, es fühlt sich gut an, wenn an dir gezweifelt wird und man dann mit einem Sieg antworten kann."

Glück spielte sicher auch eine Rolle, in fast jedem Playoff-Spiel ist das eine auffällige Komponente. Doch waren die Vikings auch der verdiente Sieger, und Linebacker Eric Kendricks brachte es etwas zutreffender auf den Punkt: "Es war ein kritischer Punkt, dass unsere Defensive Line gewinnen konnte. Manchmal haben wir mit nur vier Spielern attackiert, dafür werden sie bezahlt - und sie sind die Besten auf diesem Gebiet."

Dieses Spiel zumindest liefert Kendricks' Aussage gute Argumente. Brees wurde in der Regular Season in 24,9 Prozent seiner Dropbacks unter Druck gesetzt, der Liga-Tiefstwert. Eine Mischung aus einer exzellenten Offensive Line und einem Passspiel, das darauf ausgelegt ist, dass Brees den Ball schnell loswerden kann, sind die beiden Schlüssel dafür.

Minnesota gelang es, Brees in 27 Prozent seiner Dropbacks unter Druck zu setzen. Klingt nach einem kleinen Sprung, doch stand Brees, wie Arif Hasan für The Athletic herausgearbeitet hat, in dieser Saison nur zwei Mal derart unter Druck: Bei der Shootout-Niederlage gegen San Francisco - und bei der überraschenden Pleite gegen Atlanta, als die Falcons ebenfalls aus dem 4-Men-Rush heraus die Offensive Line der Saints überraschend komplett dominierten.

Dieses Spiel war ein Grund für Minnesotas Sieg am Sonntag. Edge-Rusher Danielle Hunter bestätigte nach der Partie, dass das Falcons-Tape der Ausgangspunkt für die Vikings war; Atlanta hatte Brees sechs Mal zu Boden gebracht, und dabei kam der Druck fast immer durch die Mitte. "Das war der Plan die ganze Woche über", erklärte Hunter, "wir wussten, dass wir in der Mitte das bessere Matchup haben. Also haben die Coaches uns dorthin gestellt, um mehr Druck zu kreieren. Wenn er (Drew Brees, d. Red.) Druck spürt, werden die Pässe ungenau."

Vikings: Unerwartete Coverage, unerwartete Formationen

Und tatsächlich: Die Vikings blitzten Brees bei elf von 37 Dropbacks - und hatten damit kaum Erfolg. Die allermeisten Pressure-Plays der Defense resultierten aus einem 4-Men-Rush, Brees warf für 5,8 Yards pro Pass, wenn er nicht geblitzt wurde und wenn er unter Druck stand, brachte er ganze drei Pässe für 24 Yards an den Mitspieler.

Das kam auch in Kombination mit unerwartet guter (und teilweise auch schlicht unerwarteter, wie etwa Safety Andrew Sendejo als Slot-Corner) Coverage - ein Gebiet, in dem Minnesota das ganze Jahr über Probleme hatte. Brees wurde den Ball im Schnitt gewohnt schnell los, und wenn der Pass in unter 2,5 Sekunden erfolgte, brachte er 17 von 18 Pässen an, legte seinen Touchdown auf und kassierte keinen Sack.

Schafften es die Vikes aber, ihn aus der Pocket zu treiben und in Coverage standzuhalten, sodass Brees den Ball 2,5 Sekunden oder länger halten musste? Dann stand diese Stat-Line zu Buche: 9/15, Interception, alle drei Sacks.

Und wie sah das jetzt konkret aus? Als Musterbeispiel habe ich diese Brees-Incompletion bei 3rd&6 ausgesucht:

Hunter und Everson Griffen, das exzellente Edge-Rusher-Duo der Vikings, hatten jeweils vier Quarterback-Pressures. Griffen spielte am Sonntag vier Snaps auf Defensive Tackle - wo er sich bis dahin in der gesamten Saison nicht ein Mal aufgestellt hatte, dazu kamen sieben Snaps als "innen" postierter Right End. Hunter spielte sieben Snaps auf der gleichen Position auf der linken Seite; so viele Snaps hatte er dort seit Woche 13 nicht mehr absolviert.

In der oben dargestellten Szene sind beide innen postiert und rot markiert. Beide attackieren jeweils die Guards, und vor allem Griffen (rechte Seite) kommt dabei so schnell durch, dass er Brees dazu zwingt, erst auszuweichen und dann den Ball zu werfen, ehe sich Alvin Kamara von Kendricks lösen konnte.

Auch sonst zeigt es sehr gut, was Minnesota in diesen offensichtlichen Passing-Situationen versuchte. Es ist Man Coverage, mit einem der beiden Safeties (hier: Harrison Smith) als freier Verteidiger, während der andere Safety dem Cornerback gegen Michael Thomas hilft, um so eine Double Coverage zu kreieren.

Thomas möglichst aus dem Spiel zu nehmen und Brees unter Druck zu setzen, das waren - simpel formuliert - die Schlüssel für Minnesota. Überraschend war vor allem, das sie das so konstant umsetzen konnten.

Diese Szene zeigt ein zusätzliches Design von Zimmer, offensichtlich spezifisch für dieses Spiel. Minnesota bewegte Griffen und Hunter nahezu ausschließlich in offensichtlichen Passing-Downs in die Mitte, genau so eine Situation haben wir hier bei 3rd&11.

Hunter bewegt sich dabei auf Ansage von Griffen Pre-Snap vom linken Defensive Tackle Spot rüber direkt neben Griffen, sodass die beiden Edge-Rusher den Guard und den Center attackieren. In diesem Fall bekommt Brees eine saubere Pocket, eine enge Coverage verhinderte die First-Down-Conversion.

Minnesota spielte darüber hinaus auch äußerst diszipliniert, wie dieser First-Down-Sack von Griffen früh im dritten Viertel zeigt.

Die Vikings, in einer Cover-1-Variante, registrieren dabei den Play-Action-Versuch sehr schnell, lediglich Kendricks als Underneath-Zone-Verteidiger macht einen halben Schritt nach vorne.

Das Play-Design zieht den Right Guard als Pull-Blocker auf die Backside des angetäuschten Run-Plays, doch weil Minnesotas Front nicht darauf reinfällt, ist es unter dem Strich ein pullender Guard, der einen Edge-Rusher Eins-gegen-Eins blocken muss.

Das ging dann in etwa so aus, wie sich dieser Satz liest.

Ausblick: Was bedeutet das für die 49ers?

Der überraschende Sieg in New Orleans beschert den Vikings jetzt einen Trip zum Nummer-1-Seed nach San Francisco. Und auch wenn die Niners-Offense in vielerlei Hinsicht eine ganz andere Aufgabe darstellt, gab es doch auch positive Erkenntnisse aus dem Saints-Spiel, die Minnesota für San Francisco Hoffnung machen dürfen.

Minnesota erkannte am Sonntag etwa Jet Sweeps und Misdirection-Plays meist sehr gut, ein kritisches Element im Run Game der 49ers. Mehrfach war zu sehen, wie die Vikings auch Outside-Zone-Runs exakt richtig lasen und dann gelegentlich sogar einen Stop deutlich im Backfield - Anthony Barr etwa schaffte das - hinlegten.

Zum Teil spielten die Vikings auch mit einer Front, die insbesondere die Rams-Offense bestens kennt, wenn Teams versuchen, das Outside Zone Run Game wegzunehmen.

Das ist die sogenannte 6-1-Front: Sechs Spieler stehen an der Line of Scrimmage, um zusätzliche Hilfe gegen Outside-Runs bereitzustellen. Dahinter agiert ein Linebacker als "Lückenstopfer" - deshalb 6-1. In dem Fall war es ein Musterbeispiel aus defensiver Sicht; die Saints wollten tatsächlich in einen Outside Zone Run gehen, Minnesota stoppte das Play. Und noch eine Parallele: Auch die Niners, nicht zuletzt durch den Ausfall von Center Weston Richburg, sind im Zentrum ihrer Offensive Line verwundbarer als außen.

Dieses eine Spiel hat die gesamte Stimmung rund um die Vikings verändert. Wo vorher noch Gerüchte kursierten, dass für Zimmer bei einer deutlichen Niederlage in New Orleans vielleicht sogar Schluss sein und er ein Kandidat bei den Cowboys sein könnte, sitzt er jetzt gefühlt so sicher im Sattel wie seit eineinhalb Jahren nicht mehr.

Zimmer selbst gab nach dem Spiel zu, dass er sogar für seine Verhältnisse im Vorfeld der Partie mehr Zeit mit Tape-Analysen verbrachte als gewohnt - und das Resultat auf dem Feld spiegelte das wieder. Die gute Nachricht für die Vikings? Die Situation vor dem 49ers-Spiel dürfte ganz ähnlich sein, mit Minnesota als relativ klarer Außenseiter. Doch die Niners sollten gewarnt sein.