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NFL: Quarterback Alexander Honig im Interview: "Warum sollte man einem deutschen QB vertrauen?"

SPOX hat mit dem deutschen Quarterback-Talent Alexander Honig über seine Zukunft und seine College-Entscheidung gesprochen.
© Schwäbisch Hall Unicorns
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Und wenn Sie das Quarterback-Training eh ansprechen: Gibt es einen Aspekt, der Ihnen besonders wichtig ist? Was ist die wichtigste Quarterback-Eigenschaft?

Honig: Das wichtigste Quarterback-Attribut sind eindeutig die Füße. Die Bewegung mit den Füßen. Patrick Mahomes ist jetzt kein gutes Vorbild, wenn es darum geht, in der richtigen Wurfposition zu sein, (lacht) aber wenn die Füße richtig stehen, dann klappt auch der Wurf. Patrick Mahomes hat eben die Fähigkeit, aus Plays noch etwas zu machen, bei denen es nicht so aussieht, als könnte das noch was werden. Athletik spielt denke ich in der modernen Zeit auch eine Rolle. Fußarbeit ist der wichtigste Part, aber heutzutage ist es ganz wichtig, dass man athletisch ist und aus jeder Position den Ball werfen kann. Es bringt nichts, sich gegenüber zu stellen und einander den Ball zuzuwerfen. Man muss Druck bekommen, man muss in blöde Situationen kommen, blöde Schritte machen und aus allen Positionen den Wurf akkurat anbringen. Man sieht das bei Baker Mayfield, bei Patrick Mahomes. Die können den Ball aus jeder Position perfekt an den Mann bringen. Der Quarterback muss sich selbst in die Position bringen können, dass er den Ball zum Receiver bringt, auch wenn er vor einem Pass-Rusher wegläuft. Das wird sich denke ich auch revolutionieren. Es sind keine Spieler mehr, die 120 Kilo wiegen, in der Pocket stehen und den Ball 80 Yards weit werfen können. Ich will so breit wie möglich aufgestellt sein, dass ich auf verschiedene Situationen reagieren kann und keine Defizite habe. Ich arbeite jetzt dementsprechend auch bewusst an der Athletik und werfe so viel wie möglich, dass diese Dinge in die Muscle Memory übergehen.

Haben Sie sich in dem Zusammenhang auch mit grundlegenden Schemes befasst? Gibt es da etwas, das Ihnen eher zusagt?

Honig: Generell passt mir eher eine Spread-Offense, mit dem Quarterback nicht under Center sondern fünf Yards hinter der Line of Scrimmage. Das ist alles ein bisschen schneller, mit weniger Play Action und dergleichen. Spread-Offenses sieht man denke ich sowieso häufiger. Michigan spielt häufiger das Gegenstück, die Pro-Style-Offense. Mir gefällt die Spread besser, da kann ich auch meine Athletik zeigen und man kann das Spiel beherrschen, wenn man schnell an der Line ist, wenn man No-Huddle spielt und wenn man die Defense überrascht. Das gefällt mir am meisten, eine schnelle Offense, mit schnellen, kurzen Pässen und gelegentlich dem langen Ball. Das ist auch die aktuellste Offense würde ich sagen. Dieser eher altmodische Ansatz, bei dem man seine größten Jungs rein stellt und versucht, einen Lauf durch die Mitte zu schieben, das sieht man ja immer seltener.

In der NFL wird das vermutlich dieses Jahr von Arizona mit Kliff Kingsbury und Kyler Murray besonders intensiv getestet ...

Honig: ... Ja, bei Arizona wird es sehr spannend sein zu sehen, die könnten tatsächlich eine College-Spread-Offense spielen. Bisher war es bei den NFL-Umsetzungen meistens so, dass ein paar Oldschool-Elemente mit dabei waren. Kliff Kingsbury kommt ja von Texas Tech und mit Kyler Murray musst du es schaffen, dass er bei jedem Spielzug als Läufer und als Passer eine Gefahr darstellt. Das gibt Kyler Murray eine große Freiheit, aber bei Oklahoma hat man ja auch gesehen, dass er häufig die richtige Entscheidung getroffen hat, wenn es darum ging, wann er passt und wann er losläuft. Und manchmal hat man dann einen 70-Yard-Touchdown-Run von seinem Quarterback.

Und die nimmt jeder Coach am Ende gerne mit! Woher kommt eigentlich Ihre Begeisterung für Football? Wann haben Sie selbst den Sport für sich entdeckt? Das war schon recht früh, oder?

Honig: Darüber spreche ich in jedem Interview, und jedes Mal muss ich überlegen, wann genau das war. (lacht) Vor sieben oder acht Jahren, also für deutsche Verhältnisse relativ früh. Das kam über meinen Vater, der hat früher Linebacker in der Nationalmannschaft gespielt und dann nochmal Offensive Lineman für die Nürnberg Rams. Da habe ich also zugeschaut und wollte dann auch selbst anfangen. Zuerst hieß das: Football mit meinem Bruder im Garten spielen! Außerdem haben wir die Videos von meinem Vater gesehen, die DVDs mit zusammengeschnittenen Highlight-Videos, das war noch bevor es so etwas auf YouTube gab, und Football-Filme, die er aus den USA mitgebracht hat. Dann habe ich selbst angefangen, erst mit Flag Football, wie es ja hier in Deutschland typisch ist, was sehr gut war, um meine Grundlagen auszubilden. Vor zweieinhalb Jahren etwa bin ich nach Schwäbisch Hall gekommen. Das Interesse kam zunächst über meinen Vater, aber ich konnte dann gar nicht mehr aufhören, weil es mir so viel Spaß gemacht hat. Ich durfte beim Flag Football auch verschiedene Positionen spielen, Defense und Offense, und durfte alles Mögliche ausprobieren. Das hat mir viel mehr Spaß gemacht als Fußball, und dann hab ich irgendwann nur noch Football gespielt.

Gab es denn eine andere Position, die Sie ebenfalls gereizt hätte? Defense vielleicht, wenn Ihr Vater auch Linebacker war?

Honig: Ich habe früher offensiv Receiver und Running Back gespielt und war zudem der Backup-Quarterback, und in der Defense habe ich Linebacker gespielt. Auf Linebacker war ich früh Starter, obwohl ich noch jünger war als die anderen. Ich hatte da vergleichsweise schnell ein gutes Spielverständnis - aber ich war eben 12, die meisten waren 15. Als es dann ans Tackling ging, war ich eigentlich absolut furchtbar. Leider gibt es die Videos auch noch im Internet. Da stand ich als Middle Linebacker, der Lauf kommt und ich werde einfach vom Pulling Guard über den Haufen gerannt. Aber: Der Defensive Coordinator hat immer gesagt, dass ich der einzige Spieler war, der die Spielzüge der Offense richtig gelesen hat. Jedoch war ich eben zu klein. Eigentlich wollte ich auch immer Linebacker werden, ich war damals ein riesiger Ray-Lewis-Fan. Aber als ich dann Quarterback spielen durfte, hat mir das extrem gut gefallen und da wurde ich schnell auch besser - und wenn man etwas richtig gut macht, will man natürlich auch nicht aufhören. Erst habe ich beides noch gemacht, aber irgendwann kann, oder sollte, man nicht mehr beides machen und dann bin ich beim Quarterback geblieben.

Ein paar Sachen sind schon durchgeklungen, trotzdem die Frage: Wie aktiv verfolgen Sie jetzt schon die NFL? Gibt's jeden Sonntag die RedZone, oder ist dafür zwischen Schule und eigenem Training nicht die Zeit?

Honig: Ich schaue schon regelmäßig während der Saison Spiele, ja. Ich bin jetzt auch in einer Fantasy-Liga mit ein paar Freunden und durch Twitter und Instagram bekommt man ja während der Saison einfach auch viel mit. Ich bin Patriots-Fan und vor allem von Tom Brady. Von den Football-Filmen, die ich vorhin erwähnt hatte, die mein Vater aus den USA mitgebracht hat, hat mich einer am meisten geprägt: Ein einstündiger Zusammenschnitt vom Super Bowl 2004, den die Patriots gewonnen haben. Dadurch bin ich Patriots-Fan geworden. Ich würde nicht sagen, dass ich ein Hardcore-NFL-Fan bin, aber ich bekomme viel mit und bin immer auf dem neuesten Stand. Auch wenn ich vielleicht nicht überall in die Details gehen kann. College-Football ist leider etwas weniger, College-Football finde ich schwieriger zu verfolgen durch die Masse an Teams. Da verfolge ich eher die Spiele der größten Teams oder der Teams, die mich interessieren - so wie jetzt natürlich TCU.

Was ich mich abschließend noch gefragt hatte: Wäre nicht auch ein Jahr an der High School eine Option gewesen, um dort auch in den USA schon zu spielen?

Honig: Ich habe darüber nachgedacht, das auf jeden Fall. Aber als ich dann bei den ersten Camps war und mich vergleichen konnte, habe ich gemerkt, dass ich da mithalten kann, wenn ich hart arbeite. Ich hätte noch nach der 12. Klasse auf eine Prep School gehen können, um so ein Auslandsjahr zu machen, so hatte ich es eigentlich mal geplant. Aber auch durch PPI habe ich den Mut bekommen, hier bleiben zu können und mich hier vorzubereiten. Das war natürlich mit ein bisschen - ich würde sagen, sehr viel Selbstbewusstsein, zu sagen, dass ich als Quarterback auf die Spielerfahrung verzichte. Aber am Ende hat es sich für mich gelohnt. Ich glaube, die meisten überlegen zumindest, auf eine High School zu gehen und manche wählen ja auch diesen Weg, der dann auch funktionieren kann.

Und der Strom an Spielern aus Europa wird auch konstant größer, oder?

Honig: Ja, sowohl an die High Schools als auch an die Colleges. High Schools sind eben immer so eine Sache. Ich würde lieber hier für ein gutes GFL-Nachwuchsteam spielen und nebenbei in Deutschland zur Schule gehen, als auf eine High School zu gehen, nur damit man an der High School ist. Mich haben sehr viele Coaches angeschrieben und mich gebeten, an ihre High School zu kommen. Und da wurde ich dann schon stutzig: Wenn der Trainer mir sagt, dass ich einen Platz sicher habe, ohne dass er mich auch nur ein Mal getroffen hat, dann habe ich da auch nicht so Lust drauf. Dazu kann ich hier mein Abitur in Deutschland machen, und das ist mir auch wichtig, damit ich ein Standbein in Deutschland habe.