NFL

Jadeveon Clowney und die Houston Texans: Elite ist anders

Von Jan Dafeld
Jadeveon Clowney verbuchte für die Texans in der Vorsaison 9 Sacks.
© getty

Jadeveon Clowney und die Houston Texans stehen vor einer unsicheren Zukunft. Der Defensiv-Star will wie einer der besten Spieler der Liga bezahlt werden, konnte diese Qualitäten allerdings noch nicht restlos unter Beweis stellen. Houston will ihn halten, doch der Blick in die Zukunft offenbart weitere Probleme.

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21. Oktober 2018: Die Jacksonville Jaguars empfangen die Houston Texans. Beide Teams haben drei der ersten sechs Saisonspiele gewonnen. Die AFC South scheint - mal wieder - völlig offen, es ist ein Spiel mit richtungsweisendem Charakter für den weiteren Saisonverlauf.

Bei den Gastgebern läuft allerdings vom Kickoff an kaum etwas zusammen. DeAndre Hopkins entscheidet sein Privatduell mit Jalen Ramsey für sich und Lamar Miller zeigt sein bis dato wohl bestes Saisonspiel, doch es ist vor allem die Jaguars-Offense, die überhaupt kein Bein auf den Boden bekommt. Blake Bortles steht immer wieder unter Druck, trifft in der Pocket teilweise wahnsinnige Entscheidungen und leistet sich zwei böse Fumbles. In Halbzeit zwei muss der Jaguars-Quarterback auf die Bank, Backup Cody Kessler übernimmt

Der größte Garant für die Dominanz der Texans-Front an diesem Nachmittag: Jadeveon Clowney. Trotz zahlreicher Double-Teams ist der damals 25-Jährige immer wieder in Quarterback-Nähe zu finden. Im vierten Viertel lässt er bei einem Inside-Rush dank starker Handarbeit AJ Cann stehen und verbucht seinen ersten Sack des Spiels. Nummer zwei folgt nur wenige Minuten später, als er Left Tackle Josh Walker mit einem Speed-Rush völlig verloren wirken lässt. Clowneys Stat-Line am Ende des Spiels: sieben Tackles, zwei Sacks, ein Fumble recovered.

Jadeveon Clowney: Gut, aber nicht in der Elite?

Es ist ein Auftritt, der geradezu sinnbildlich für Clowneys beinahe grenzenloses Potenzial steht. Er verfügt über Speed, Power und Finesse, sowohl gegen den Run als auch gegen den Pass. Die abgelaufene Saison war seine bislang beste als Profi. Clowney verbuchte 9 Sacks und spielte 84,3 Prozent aller Defensiv-Snaps, mehr als je zuvor. Seine Run-Stop-Percentage von 9,9 Prozent zählte zu den zehn besten auf seiner Position, in puncto Quarterback-Pressures knackte er die Top 20.

Aber: Sind das elitäre Statistiken? Gehört Clowney in die kleine Riege der besten Edge-Defender der NFL? Wer sich genauer mit ihm und seinem Spiel beschäftigt, könnte diesen Schluss bezweifeln.

Jadeveon Clowney: Seine Statistiken in der NFL

SaisonSpieleTacklesSacksQB HitsForced Fumbles
201447000
201513404,580
201614526171
201716599,5212
201815479211

Der 26-Jährige zählte in der vergangenen Saison zwar ligaweit tatsächlich zu den stärksten Run-Defendern auf seiner Position, die wichtigste Verantwortung von Edge-Defendern, die Qualität, für die NFL-Teams Unsummen zu zahlen bereit sind, ist und bleibt allerdings der Pass-Rush. In diesem Bereich machte Clowney in der vergangenen Saison zwar wieder einmal einen kleinen Schritt nach vorne, bleibt allerdings immer noch ein bis zwei Klassen hinter den Khalil Macks und Von Millers dieser Welt zurück.

Clowney ist ein guter, allerdings bisweilen auch inkonstanter Outside-Pass-Rusher. In der Folge setzten ihn die Texans in der vergangenen Saison mehr und mehr als Inside-Rusher ein, teilweise sogar aus der Rolle eines Off-Ball-Linebackers heraus. Diese Vielseitigkeit ist durchaus ein Pluspunkt, sie erlaubt Houston defensiv unberechenbar zu bleiben, flexibel reagieren zu können und Matchups besser zu kontrollieren. Allerdings ist sie - zumindest in Teilen - eher aus der Not geboren, dass Clowney bis heute nicht zu dem dominanten Edge-Rusher geworden ist, den man vor Augen hatte, als man ihn 2014 an Position eins im Draft auswählte.

Clowney verzeichnete in den vergangenen drei Saisons jeweils mindestens 58 Quarterback-Pressures (Top 20 auf seiner Position) und wurde in diesen Spielzeiten immer in den Pro Bowl gewählt - und doch konnte er seinem Status als vielleicht größtem Defensiv-Talent seiner Generation nicht gerecht werden.

Clowney bleibt hinter Donald, Mack und Co. zurück

Clowney ist 2019 nicht der beste Spieler seiner Draft-Klasse. Er ist nicht mal der beste Edge-Defender. Besonders harte Kritiker könnten ihn nicht einmal zu den zehn stärksten Spielern seines Jahrgangs zählen, auch weil Clowney sich in den vergangenen Jahren bereits an beiden Knien Eingriffen unterziehen musste.

Clowneys damalige Draft-Konkurrenz hat mittlerweile riesige Verträge unterschrieben. Aaron Donald, Khalil Mack und DeMarcus Lawrence sind, basierend auf ihrem durchschnittlichen Jahresgehalt, die drei teuersten Verteidiger der Liga. "Ich bin mit diesen Jungs in die Liga gekommen. Natürlich will ich zu der gleichen Klasse wie sie gehören", so Clowney, der von den Texans in diesem Sommer mit dem Franchise Tag gehalten wurde.

Der 26-Jährige möchte in den gleichen Sphären bezahlt werden wie die Liga-Elite. Die Beispiele von Trey Flowers und Frank Clark, die (noch) nicht zur absoluten Spitzenklasse der NFL zählen, auf dem offenen Markt aber ähnlich bezahlt wurden, zeigen: nicht zu Unrecht.

Houston Texans stehen vor einer schwierigen Entscheidung

Die Texans bringt dies allerdings in eine wenig beneidenswerte Lage. "Sie bieten ihm einen langfristigen Vertrag mit Linebacker-Gehalt an und er will einen Vertrag wie ein Defensive End haben", meint der ehemalige Texans-Receiver Cecil Shorts. "Das ist der große Unterschied in den Verhandlungen zwischen den beiden."

Für Houston stellt sich dabei nicht die Frage, ob sie Clowney im Team haben wollen oder nicht. Ob man ihn nun zur Liga-Elite zählen mag oder nicht, seine Leistung liegt in jedem Fall deutlich über dem eines durchschnittlichen NFL-Spielers. "Jadeveon ist ein großer Teil von dem, was wir hier aufgebaut haben", lobt ihn auch Head Coach Bill O'Brien. "Wenn er sich gut fühlt und bereit ist zu rocken, ist er hart in den Griff zu bekommen. Aber wir werden sehen, wie es weitergeht."

Das Problem der Texans: Sie verfügen aktuell zwar über eine ordentliche Menge an Cap Space, allzu lange wird dieser Status aber nicht mehr anhalten. Quarterback Deshaun Watson spielt nur noch zwei Saisons unter seinem geradezu lächerlich niedrigen Rookie-Gehalt. Wide Receiver Will Fuller dürfte im kommenden Jahr um ein Vielfaches teurer werden, zudem laufen die Rookie-Verträge von Startern wie DJ Reader und Nick Martin aus. In Anbetracht dieser Umstände stellt sich die Frage, ob Houston mit einer oder zwei Saisons mit Clowney unter dem Franchise Tag nicht besser dastehen würde.

Houston Texans müssen den Deshaun-Watson-Bonus nutzen

Klar ist in jedem Fall: Watson hat bereits zwei seiner günstigen vier Rookie-Jahre absolviert, das Fenster, in dem die Texans von großen Cap-Freiheiten profitieren, geht somit bald wieder zu. Eine bessere Chance, in den Kreis der Contender vorzustoßen, wird die Franchise so schnell wohl nicht mehr bekommen.

Neben seinem Quarterback mit einem Rookie-Vertrag verfügt Houston über den vielleicht besten Wide Receiver der NFL, sowie zwei herausragende Defensive Linemen. Die Eckpfeiler eines absoluten Top-Teams sind somit bereits vorhanden, allerdings erkennt man in Houston einmal mehr einfach zu große Baustellen. Die Secondary wirkt anfällig, sowohl auf der Cornerback- als auch auf der Safety-Position gibt es nach den Abgängen von Kareem Jackson und Tyrann Mathieu Fragezeichen. Die größte Problemzone bleibt allerdings, wie schon seit Jahren, die Offensive Line.

Dass Left Tackle Matt Kalil hier ein Upgrade darstellen soll, sagt eigentlich schon alles. Die große Unterstützung via Free Agency blieb aus, eine Soforthilfe sind die Rookies Tytus Howard und Max Scharping wohl auch nicht. Nach der Genesung von Seantrel Henderson sollte die Line zwar besser als in der Vorsaison sein, das könnte dann allerdings auch schon das höchste der Gefühle gewesen sein.

Trotz ihrer Probleme ist die Lage der Texans aufgrund der Cap-Struktur eindeutig: Houston muss versuchen, seine Chancen mit Deshaun Watson und seinem Rookie-Vertrag zu maximieren, ähnlich wie es auch die Eagles oder die Rams in den letzten Jahren versuchten. Der Trade für Demaryius Thomas Mitte der letzten Saison zeigt, dass General Manager Brian Gaine dazu durchaus bereit ist. Auch in dieser Saison könnte die Franchise erneut ein Kandidat für einen Mid-Season-Trade sein.

Houston scheut nicht davor zurück, Risiken einzugehen. Doch kann es in dieser Saison tatsächlich für die Ligaspitze reichen? Aktuell spricht wohl nicht allzu viel dafür. Das gilt auch für Clowney - aber es gilt vor allem für die Texans.

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