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Themenwoche: Chip Kelly und die Oregon Ducks - The Need for Speed

Die Oregon Ducks haben unter Chip Kelly den College-Football revolutioniert.
© getty
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Was aber kann man sich unter einem Chip Kelly Play vorstellen? Wie sah seine Oregon-Speed-Offense abgesehen von Inside-Zone-Run-Game schematisch aus? Die Zone Reads, die mit Robert Griffin III., Colin Kaepernick, Cam Newton und Russell Wilson auch im großen Stil auf die NFL-Bühne stürmten, sind ein guter Ansatz.

Kellys Erklärung ist gewohnt auf den Punkt: "Der Quarterback liest einen Verteidiger und effektiv blockt er ihn so. Wir können also fünf Verteidiger blocken und einen sechsten Verteidiger lesen." Es passt zu seiner grundlegenden Idee: Kellys Philosophie ist - neben der generellen Geschwindigkeit - darauf ausgerichtet, mit einigen Basic-Plays im Blocking oder bei seinen Route-Kombinationen eine Überzahl zu erzeugen.

Dabei ließ er seinen Quarterback nicht nur den Defensive End, sondern auch Tackles, Linebackers und Safeties lesen. Die Defense sollte zu jedem Zeitpunkt auf jedem Level angreifbar sein. Klingt zunächst einmal simpel, vor zehn Jahren aber war es durchaus revolutionär, sich beim Zone Read auf einen Linebacker oder Safety zu konzentrieren, statt den Defensive End zu lesen.

Letztlich wurde Kellys Offense neben Inside Zone, dem hier abgebildeten Outside Zone, Play Action und natürlich dem Zone Read durch diese Basic-Plays geprägt:

Chip Kellys Offense - der Sweep

Wer sich schon länger mit Football befasst, wird hier einige Ähnlichkeiten zu einem der legendärsten Plays der Football-Geschichte überhaupt erkennen: Vince Lombardis Sweep.

Eine große Veränderung Kellys: Der Center wird ebenfalls als Puller eingesetzt.

Kelly setzte dieses Play gerne aus einer Unbalanced Formation ein, mit beiden Tackles auf einer Seite der Formation. Derartige Anpassungen funktionieren glänzend mit seiner Obsession mit Geschwindigkeit, schließlich wird die Defense so gezwungen, sich in wenigen Sekunden an eine ungewöhnliche Formation anzupassen und die entsprechenden Anpassungen vorzunehmen.

"Wir wollen früh im Spiel einige Dinge zeigen, die wir auf Tape gesehen haben und schauen, wie die Defense reagiert", brachte Kellys Offensive Coordinator Mark Helfrich das Vorgehen auf den Punkt. "Defenses haben nicht allzu viel Zeit, um Anpassungen vorzunehmen, wenn man aufs Tempo drückt. Normalerweise bekommt der Quarterback dann auch nach dem Snap die Defense, die sich vor dem Snap andeutet."

Chip Kellys Offense - das Mesh-Wheel-Konzept

Das trifft dann ganz gezielt auch auf die Coverage zu, und hier gibt es ein Pass-Konzept, das Kelly ganz besonders schätzt: Das Mesh-Wheel Konzept. Dabei laufen zwei Receiver Underneath aufeinander zulaufende Crossing Routes und ziehen direkt aneinander vorbei.

Die Folge ist ein Pick-Play-Effekt, sprich in Man Coverage wird es dem Verteidiger erheblich erschwert, seinen Gegenspieler zu verfolgen. Die Wheel-Route des Running Backs soll gegen Man Coverage einen Linebacker oder Safety aus dem Zentrum ziehen, um den Weg für die Mesh-Routes freizuräumen.

Gegen Zone Coverage werden sich die Linebacker unweigerlich in Richtung der Line of Scrimmage bewegen, um die kurzen Routes covern zu können. Das reißt Lücken in den Raum zwischen den Linebackern und den Safeties, wo die tiefere Crossing-Route hineinstößt.

Das gilt umso mehr, da Kellys Oregon-Offenses für die Gefahr eines laufenden Quarterbacks berüchtigt waren. Folgerichtig spielten viele Teams mit einem weiteren Safety in der Box, was die Cover-Vielseitigkeit schon erheblich limitiert und dem Quarterbacks die Reads deutlich vereinfacht.

Chip Kellys Offense - das Dig-Post-Konzept

Insbesondere lange Third Downs - oder anders gesagt: Downs, bei denen die Defense wusste, dass ein Pass kommt - attackierte Kelly hiermit nur allzu gerne.

Die Dig-Post-Mischung findet hierbei auf der rechten Seite statt. Der Slot-Receiver (der zwischen dem Tight End und dem rechten Outside-Receiver postierte Wide Receiver) läuft die Post-Route, der Outside-Receiver rechts daneben die Dig.

Da beide Receiver auf einer Seite tiefe Routes laufen und sich die Laufwege erst spät im Down kreuzen, kommt es hier zu einem kritischen Punkt für die Defense: Der Safety auf der Seite beziehungsweise der einzige tiefe Safety - je nachdem, was die Defense spielt - wird sich im Idealfall auf eine der beiden Routes festlegen müssen. Das öffnet dem entsprechend anderen Receiver die Tür für ein Eins-gegen-Eins-Duell mit dem Cornerback.

Gegen zwei zurückgezogen postierte Safeties ist die tiefe Comeback-Route auf der anderen Seite gedacht. So soll ein Safety auf dieser Seite gebunden werden.

Warum scheiterte die Chip-Kelly-Offense in der NFL?

In Zeiten, in denen jeder in der NFL nach neuen Möglichkeiten sucht, um einen kleinen Vorteil zu erringen und Teams gegenüber College-Einflüssen immer offener werden - warum war Kellys Scheme unter diesen Voraussetzungen in der NFL nicht nachhaltig erfolgreich, sondern eher ein Strohfeuer?

Vereinfacht gesagt gelang es dem als Offense-Genie in die NFL gekommenen Kelly nicht, sich an die Anforderungen anzupassen.

No-Huddle funktioniert zu einem gewissen Maß auch in der NFL, kann dort aber nicht die gleiche zerstörerische Wirkung wie im College haben - die Unparteiischen lassen es nicht zu, dass mit dem gleichen Tempo gespielt wird. Rund 13 bis 18 Plays weniger pro Spiel verzeichnete Kelly bei den Eagles im Vergleich zu Oregon und auch wenn gerade zu Beginn noch ein Effekt feststellbar war - dieser verpuffte zunehmend, als Defenses lernten, seine Formationen und Plays zu lesen.

Das Duell mit den Seahawks 2014 - eine 14:24-Niederlage - trug diese Realität erstmals an die Öffentlichkeit, als unter anderem Seattles Linebacker Bobby Wagner nach dem Spiel verriet: "Wir wussten, welche Plays kommen würden. Ihre Offense ist vorhersehbar. Es gibt viele Plays, die nur in eine Richtung laufen können." Diese Ereignisse häuften sich, immer öfter sickert durch, dass Verteidiger auf dem Platz unmittelbar vor dem Snap ihren Mitspielern genau das Play ankündigten, das dann auch kam.

Die aufregendste Offense wird langweilig

Einfache Dinge - etwa die Positionierung des Tight Ends und des Running Backs - verriet Defenses, was Kelly vorhat; seine Offense war schlicht zu eindimensional, es gab zu wenig Vielfalt, zu wenige Formationen und daraus zu wenige verschiedene Plays. Ohne den Speed-Faktor wurde das gnadenlos entblößt, und seine Offense wurde noch eindimensionaler durch die Tatsache, dass die Bedrohung des laufenden Quarterbacks immer geringer wurde.

Kelly draftete Matt Barkley, verpflichtete Quarterbacks wie Mark Sanchez und Sam Bradford und setzte auf Nick Foles. Die Konsequenzen hieraus waren verheerend, Kelly hielt an seinen Plays fest, die wie Zone-Reads aussahen und weitere theoretische Option-Elemente beinhalteten. Doch da der Quarterback keine Bedrohung als Runner war, hatten Defenses keine Probleme damit, diese Plays zu verteidigen - umso weniger, nachdem sie sich an Kellys Geschwindigkeit gewöhnt hatten.

Anders gesagt: Die aufregendste Offense war langweilig und vorhersehbar geworden.

Kelly hat es nicht geschafft, neue Plays und Formationen oder simple Elemente wie Motion in sein Scheme einzubauen, um seine Kern-Plays besser zu verbergen und weiter effizient spielen zu können. In seiner letzten NFL-Saison bei den 49ers ließ er seine Quarterbacks stattdessen in absurden 98 Prozent der Snaps in der Shotgun auflaufen.

Umso spannender wird es sein, zu sehen, welche taktischen Lehren Kelly aus seinen NFL-Erfahrungen gezogen hat, wenn er jetzt bei UCLA einen Neustart im College versucht. Und ob es ihm nochmals gelingt, sich mit seinen Kern-Prinzipien zu einem offensiven Mastermind aufzuschwingen.

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