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Third and Long: Darum sind die Saints und die Rams so stark

Todd Gurley ist der Mittelpunkt der runderneuerten Rams-Offense
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QB-Zukunft, Carr, Falcons vs. Seahawks, Browns, Hackenberg - eure Fragen

TheRealRasmus: Mit welchem der folgenden Quarterbacks würdest du am liebsten in die nächste Saison gehen: Andy Dalton, Case Keenum, Jacoby Brissett oder Blake Bortles?

Sehr spannende Frage, über die ich eine Weile lang nachdenken musste. Meine Antwort ist tatsächlich Case Keenum. Warum? Weil ich bei Bortles dem zwischenzeitlichen Trend nicht traue, noch immer ist er für mich ein Spieler, an dessen Technik und Mechanik ich zweifle und bei dem ich nicht davon ausgehe, dass er konstant auch komplizierte Reads und Würfe umsetzen kann.

Brissett hat mich früh in der Saison sehr positiv überrascht, um eine langfristige Antwort zu werden, muss er sich aber dringend in der Pocket sowie im Passspiel bei allem was kein Downfield-Pass ist steigern. Und Dalton? Dalton ist in meinem Ranking noch immer das Musterbeispiel für den Durchschnitts-Quarterback, was überhaupt nicht schlimm sein muss. Als das Play-Calling und die Leistungen von Green und Mixon besser wurden, wurde auch Dalton besser - und dann wieder schlechter im Laufe der Saison. Mit Dalton kann man gewinnen, wenn alles um ihn herum sehr gut funktioniert.

Was Keenum uns in dieser Saison gezeigt hat, ist beachtlich - für mich sind da zwei Punkte besonders bemerkenswert: Sein Pocket-Movement ist sensationell, Minnesotas Sack-Statistiken sehen maßgeblich dank Keenums Verhalten in der Pocket so viel besser aus. Außerdem vertraut er voll und ganz auf das Scheme, was vor allem im Kurzpassspiel sowie auf die mittlere Distanz auffällt.

Keenum ist einer der akkuratesten Passer der laufenden Saison und ich glaube, dass die positiven Aspekte seines Spiels für die Zukunft übertragbar sind. Ich denke deshalb auch, dass Minnesota wenn es an die auslaufenden Verträge von Keenum, Bridgewater und Bradford geht, letztlich Keenum behalten wird.

Martin Schmitt und Olli M.: Falcons oder Seahakws - wer von beiden wäre das geringere Übel in den Playoffs? Und: Wer macht denn das Rennen um den letzten Wildcard-Platz in der NFC?

Atlanta ist aktuell das insgesamt bessere Team, da gibt es in meinen Augen keinen Zweifel. Die Falcons verfügen über die bessere Offensive Line, das bessere Passing Game, das bessere Run Game. Defensiv könnte man auf allen drei Ebenen für Seattle argumentieren, allerdings nur mit geringem Abstand. Atlanta hat hier zwar nicht den erhofften nächsten Schritt gemacht, ist aber mit Spielern wie Deion Jones, Desmond Trufant, Keanu Neal, Grady Jarrett, Vic Beasley und Dontari Poe trotzdem sehr gut besetzt.

Die Seahawks leben schlicht viel zu sehr davon, dass Russell Wilson die Offense alleine tragen kann. In den vergangenen Wochen hat das nicht geklappt und in der Folge ist die Offense komplett abgestürzt. Ohne Run Game und ohne klare Strukturen im Passspiel ist Seattle mit Wilson zwar unberechenbar, an schlechten Tagen aber eben auch mitunter völlig abgemeldet.

Und wer kommt rein? Ich tippe auf Atlanta, weil ich den Falcons einen Heimsieg gegen Carolina prognostiziere - was dann ja schon reicht. Atlanta wird den Panthers im Passspiel wehtun, die große Frage ist, ob die Falcons das deutlich verbesserte Run Game der Panthers stoppen können. Seattle hat mit Arizona das deutlich leichtere Matchup, doch so wie die Seahawks-Offense und die Cardinals-Defense aktuell spielen, ist diese Partie für mich ausgeglichener, als der Blick auf die Paarung zunächst vermuten lässt.

Ste Sta: Das Philly-Tape ist grausam. Spielt Carr wirklich schlechter, oder kann das Team um ihn herum seine Limitierungen nur nicht mehr überdecken?

Müsste ich mich festlegen, dann lautet meine Antwort: Das Team kann seine Limitierungen nicht mehr überdecken. Was mitnichten bedeuten soll, dass Carr gut oder auch nur auf seinem eigenen Vorjahres-Level spielt. Ich glaube eher, dass sich die Tendenzen, die Carr schon seit Beginn seiner NFL-Karriere zeigt, in diesem Jahr erstmals voll auch auf Tape wiederspiegeln - und das in einer Saison, in der viele Oakland in die Playoffs und bei Carr den nächsten Schritt prognostiziert hatten.

Nach seiner Rookie-Saison hatte ich Carr ausführlich analysiert, weil ich aufgrund der Diskrepanz von Tape und Stats gegenüber öffentlicher Wahrnehmung skeptisch war. Die Kern-Erkenntnisse: Carr hatte Probleme mit dem Blitz und gehörte bei Passing-Net-Expected Points (unter anderem Down, Distanz zum First Down und Position auf dem Feld mit einberechnet) zu den schlechtesten Quarterbacks der Liga. Er ging zu inkonstant durch seine Reads und wollte Pässe in Coverage erzwingen. Und das obwohl Carr schon in seiner Rookie-Saison eine der besseren Pass-Protections ligaweit genoss.

Was ist also der große Unterschied von diesem zum letzten Jahr? Hier sind in meiner Bewertung zwei Sachen zentral: Oaklands Receiver haben gemessen an ihrem Potential eine absurd schlechte Saison, was Carr schlechter aussehen lässt. Vor allem aber sind Play-Calling und Play-Designs mitunter desolat, vereinfacht gesagt: Die Raiders und auch Carr selbst haben keine Antwort, wenn eine Defense ihr Rhythmus-Kurzpass-Spiel ausschaltet - und wenn das Run Game gut auf Touren kommt und eine mögliche Alternative bietet, nutzt Oakland die nicht.

In der Folge wurden Carrs Probleme in der Pocket immer deutlicher. Carr wird noch immer schneller als fast jeder andere Quarterback den Ball los, erhält er aber Pressure, weil der kurze Pass nicht offen ist, hat er damit massive Schwierigkeiten. Im Downfield-Passing ist er einer der schwächsten Quarterbacks der laufenden Saison. An beiden Aspekten muss er dringend arbeiten, was in gleichem Maße aber für Oaklands Play-Calling und Play-Designs gilt. Carr braucht mehr Hilfe von Scheme und Mitspielern, als Raiders-Fans nach der vergangenen Saison dachten.

Peter Rossberg: Als Newcomer, der es nicht versteht: Welcher Sinn kann hinter der Entlassung von Harrison stecken, wenn damit die Gefahr besteht, einen direkten Konkurrenten zu stärken? Warum behält man ihn nicht einfach, auch wenn man nicht mit ihm plant?

Zwei Punkte zu der Harrison-Sache: Ich verstehe die Entscheidung der Steelers aus rein sportlichen Gründen nicht. Ja, Harrison hat dieses Jahr so gut wie überhaupt nicht gespielt, woraus man schließen muss, dass die Coaches in Pittsburgh ihn als fertig erachten. Aber für mich hat ein situativer Pass-Rusher, und sei es nur für 15 Plays pro Spiel, gerade in den Playoffs einen unheimlichen Wert. Dass der Pass-Rush die größte Schwachstelle der Patriots ist, ist kein Geheimnis und ich gehe davon aus, dass Belichick ihn genau so einsetzen wird - als situativen Pass-Rusher.

Der andere Punkt: Viele haben sich gefragt, ob Harrison New England jetzt nicht einfach das Playbook der Steelers mitteilt. Aber so einfach ist das nicht: Zunächst einmal darf man davon ausgehen, dass die Pats anhand von Tape-Studium und Scouting alle Plays und Tendenzen, die Pittsburghs Defense in der laufenden Saison gezeigt hat, kennt. Hier gibt es also keine Geheimnisse.

Dann bleiben noch Dinge wie Code-Namen, Checks an der Line of Scrimmage, Namen für bestimmte Spielzüge und dergleichen - aber auch hier wird Harrison den Patriots nicht großartig weiterhelfen können. Die Steelers nutzen hierfür ein Zahlensystem, das von Woche zu Woche anders zusammengestellt und in der Halbzeit verändert wird.

Aus dieser Perspektive betrachtet ist die Entlassung und der Wechsel zu den Patriots für mich kein Fehler. Belichick aber einen Pass-Rusher für die Playoffs zu geben schon eher. Die Steelers müssen sich sehr sicher sein, dass Harrison nichts mehr im Tank hat. Anders ist die Entscheidung nicht zu erklären.

elio- DaBearsGermany und Hizm: Glaubst du, die Browns gewinnen ihr letztes Spiel gegen die Steelers, bei denen es ja um fast nichts mehr geht und die daher eventuell Spieler schonen? Gehst du überhaupt davon aus, dass die Steelers ihre Stars gegen Cleveland schonen?

Nein zum zweiten Teil der Frage. Und damit auch ein klares Nein zum ersten Teil der Frage. Da die Patriots parallel zu Pittsburgh spielen, werden die Steelers zumindest für eine Zeit voll auf Sieg gehen. Und das völlig zurecht, man stelle sich vor, die Jets gewinnen tatsächlich irgendwie in Foxboro - und Pittsburgh verpasst die Chance, sich den Top-Seed zu holen, weil die eigene Backup-Truppe gegen Cleveland verliert?

Ich sehe kein Szenario, in dem die Steelers dieses Spiel so angehen. Bestenfalls aus Sicht der Browns werden im Schlussviertel einige Steelers-Starter geschont, wenn die Pats deutlich in Front liegen. Selbst dann aber gilt: Es ist ein Division-Spiel und man hat die Chance, einem anderen Team aus der eigenen Division eine tiefe Narbe zu verpassen - mit der eingebauten Gefahr, die eine Franchise zu sein, die gegen Cleveland verliert. Nicht gerade das Gefühl und die Schlagzeilen, die man während der eigenen Playoff-Bye-Week will.

Die Steelers werden dieses Spiel ernst nehmen und sie werden Cleveland zuhause schlagen. Und das deutlich.

Christoph Stock: Sollten die Jets Hackenberg ausprobieren, oder sollte weiter auf Accountability gesetzt werden - heißt: Es spielt der zweite Quarterback, wenn der erste Quarterback verletzt ist. Ist der Team-Spirit mehr wert als ein Experiment?

Für mich spielen hier Team-Spirit oder die interne Rangordnung keine Rolle - Bryce Petty hat mehr als häufig genug gezeigt, dass er nicht die langfristige Antwort ist. Stattdessen ist es doch völlig verrückt, was die Jets mit Hackenberg machen: Die Kritik, die es auch von mir dafür hagelte, dass sie einen Zweitrunden-Pick in Hackenberg investiert haben, ist noch immer gerechtfertigt. Hackenbergs College-Tape hat diese Investition schlicht in keinster Weise gerechtfertigt. Ihn jetzt aber gar nicht spielen zu lassen ist komplett verrückt.

Die Jets hätten absolut nichts zu verlieren, wenn sie Hackenberg jetzt einsetzen würden. Bleibt er trotz der Quarterback-Situation in New York durchgehend auf der Bank, ehe er entlassen wird, geben die Jets so oder so zu, dass Hackenberg ein kompletter Bust ist. Nur ohne die Chance, möglicherweise doch irgendetwas in ihm zu sehen, wenn man ihn mal spielen lässt.

New York gewinnt nichts, wenn Hackenberg hinter Petty auf der Bank sitzt. Die Nachteile, würde man ihn einsetzen, können die Nachteile der Situation wie sie jetzt ist nicht überwiegen. Egal, wie schlecht Hackenberg spielt.

hebster: Ist die aktuelle Siegesserie der 49ers nicht eher kontraproduktiv, um sich mit einem möglichst hohen Pick noch besser für die neue Saison aufzustellen?

Ein klares Nein. Natürlich hast du, wenn man auf die reinen Zahlen und Fakten schaut, Recht - die Niners werden im kommenden Draft ein Stück später dran sein, als wir alle vor einem Monat noch gedacht haben. Aber die Siegesserie hat, und da kommen wir wieder in die so schwer greifbaren weil wenig analytischen Bereiche, auf dieses Team viel weitreichendere Auswirkungen als ein etwas höherer Draft-Slot.

Garoppolos begeisternde Auftritte der vergangenen Wochen haben nämlich gleich mehrere Nebeneffekte: Die Niners können sich mit Blick auf die anstehenden Vertragsgespräche deutlich sicherer sein, dass sie ihn Garoppolo tatsächlich ihren langfristigen Quarterback gefunden haben.

Franchise und Fans dürfen zudem wieder mit Optimismus auf die kommende Saison schauen, und die Garoppolo/Shanahan-Kombination macht San Francisco zusammen mit dem jungen Talent in der Defense und der soliden Cap-Situation plötzlich auf dem Free-Agency-Markt zu einem der attraktivsten Ziele für die begehrtesten Free Agents, vor allem offensiv. Ein Faktor, den man Anfang März unter keinen Umständen vergessen sollte.

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