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Green Bays Problem und Buffalos Debakel

Seit der Verletzung von Aaron Rodgers ging es mit der Packers-Offense rapide bergab
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Seahawks, Prediction, Vikings, Cowboys, Rams - eure Fragen

Basti: Nun da Sherman und Chancellor ausfallen - ist das das Ende der Legion of Boom? Es gab ja schon Gerüchte, dass Seattle und Sherman getrennte Wege gehen.

Die Seahawks-Achse "Sherman - Chancellor - Earl Thomas" ganz besonders, gehört zu den kompetitivsten Spielern, die die NFL zu bieten hat. Insofern will ich nicht ausschließen, dass sich Sherman nach der Verletzung wieder zurückkämpft und noch einmal zu alter Stärke findet. Chancellors Nackenverletzung soll angeblich nicht so schwer sein, dass sie ihn länger als ein paar Wochen beeinflusst. Mit seinem jüngst verlängerten Vertrag sehe ich ihn definitiv nächstes Jahr noch in Seattle, und mutmaßlich auch zurück in alter Form (die er dieses Jahr bis zur Verletzung ja auch hatte).

Bei Sherman tendiere ich mehr und mehr dazu, einen Abschied aus Seattle zu prognostizieren. Ein Achillessehnenriss kann gerade einen Cornerback hart treffen. Da sprechen wir von Explosivität, Agilität, schnellen Richtungswechseln - all das kann nachhaltig beeinflusst werden. Die Vertragssituation ist bei ihm auch ganz anders, sein Cap Hit für 2018, Shermans letztes Vertragsjahr, würde 13,2 Millionen Dollar betragen. Im Falle einer Entlassung bleiben davon nur 2,2 Millionen an Dead Money in den Seahawks-Büchern.

Die Tatsache, dass die Seahawks im Frühjahr offen über einen Trade nachgedacht haben, zeigt, dass sie sich schon aktiv mit der Zeit nach Sherman befassen - so sollte es ja auch sein. Ich denke daher, dass - bei allen Verdiensten und tollen Leistungen, die Sherman in Seattle hatte - die Hemmschwelle, sich von ihm zu trennen, nicht so groß sein wird, wie manche vielleicht denken. All das hängt aber letztlich davon ab, wie seine Regeneration verläuft. Nimmt man die laufende Saison als Ausgangslage, kann die Legion of Boom nämlich noch immer dominieren. Auch wenn die Anfälligkeit mit dem steigenden Alter natürlich eher zunehmen wird.

Paul und Radikaler: Wer macht für dich das Rennen um die Wildcards in der schwachen AFC? Sind die Ravens mit der dominanten Defense und dem dritten Shutout in zehn Spielen ein ernstzunehmender Contender für den 6th Seed?

Die vier AFC-Division-Sieger werden für mich Pittsburgh, New England, Jacksonville und Kansas City - auch wenn die Chiefs nach bereits offensichtlichen Defensiv-Problemen gegen die Giants auch offensiv richtig schlecht aussahen. Das Team ist aber immer noch zu talentiert und der Trainerstab zu gut, um völlig einzubrechen.

Wer ist raus: Die Browns, die Jets, die von Verletzungen gebeutelten Texans und Colts, die offensiv harmlosen und defensiv plötzlich anfälligen Broncos, die defensiv erwartbar anfälligen und offensiv unkreativen Raiders, die offensiv schlicht desolaten Dolphins und auch die Bengals spielen für mich im Playoff-Rennen keine Rolle. Das schränkt den Kreis natürlich ein.

Hier sind meine Tipps: Die Titans sind zwar insgesamt eine große Enttäuschung, haben aber einen extrem angenehmen Rest-Spielplan und sollten auf neun oder gar zehn Siege kommen - das reicht definitiv.

Mein zweites Team sind die Chargers. Das aktuell beste Pass-Rush-Duo der Liga, ein noch immer gutes Passspiel und inzwischen zwei Running Backs, die Fehler der Line im Run Game ausbügeln können. Die Chargers kommen noch rein! Bei den Ravens vertraue ich der Offense noch immer nicht weiter, als Flacco den Ball wirft. So gut die Defense auch sein mag. Und Buffalo hat, wie vorhin bereits angesprochen, ganz andere Sorgen neben der komplett selbst verschuldeten Quarterback-Baustelle.

Steffen: Was ist mit Dak und seinen Cowboys los? Was werden sie diese Saison noch erreichen? Kommt er aus dem (kleinen) Tief wieder heraus?

Wenn wir aus den letzten Spielen der Cowboys irgendetwas mitnehmen wollen, dann das: Tyron Smith und Sean Lee sind zwei absolute Schlüsselspieler, und beide kann Dallas nicht ersetzen. Ersteres wurde gegen die Falcons schon jedem klar, als Adrian Clayborn sechs Sacks hatte und das Run Game nie ins Rollen kam. Natürlich fehlt Zeke Elliott hier auch, aber der Ausfall von Smith wiegt um ein vielfaches schwerer.

Das liegt auch daran, dass Dallas keinen wirklichen Plan B für diese Situation hat. Ohne Smith klappt das Run Game über die linke Seite kaum, und bisher hat Jason Garrett nicht wirklich viel Kreativität gezeigt, wenn es darum geht, das Passspiel anzupassen - etwa indem er Prescott Run-Pass-Options, mehr Screens oder seinem Left Tackle Chip-Blocks und blockende Tight Ends oder Running Backs zur Seite stellt. Im Prinzip versuchen die Cowboys weitestgehend, ihre Offense so weiterzuspielen, als wäre Smith noch an Bord. Ohne den besten Left Tackle der NFL funktioniert das aber nicht.

Prescott selbst war gegen Philly auch alles andere als fehlerfrei, etwa wenn wir von seiner Interception in Double Coverage oder dem Pick in der Endzone, als er spät über die Mitte warf, sprechen. Wenn man aber sieht, wie enorm viel Pressure er von seiner linken Seite wieder gesehen hat, muss man auch sagen, dass Dallas' Offense so nicht funktionieren kann. Mit Smiths Rückkehr wird das definitiv wieder anders aussehen, in meiner Rechnung aber packen es die Cowboys aufgrund einer insgesamt sehr stark besetzten NFC dieses Jahr dennoch nicht in die Playoffs.

Ste Sta: Wie gut sind diese Lions wirklich? Für mich wahnsinnig schwer einzuschätzen.

Gefühlt geht es mir genau so bei jedem Power Ranking: Was soll man nur mit den Lions machen? Detroit hat eine reelle Playoff-Chance, weil Matt Stafford eine tolle Saison spielt, er einige spektakuläre Route-Runner in seinem Receiving Corps hat und sich die Offensive Line mit Taylor Decker deutlich verbessern sollte - zumindest in Pass-Protection.

Nachdem ich jetzt eine Weile über die Lions nachgedacht habe, ist hier kurz und knapp mein Fazit: Ein Quarterback wie Stafford mit einem talentierten Receiving-Corps und einer guten Offensive Line gibt dir in der heutigen NFL immer eine Chance und macht Detroit zu einem legitimen Playoff-Anwärter. Wer aber den Run so konstant so schlecht verteidigt, selbst kein nennenswertes Run Game hat und im Pass-Rush bestenfalls Mittelmaß ist, der ist eben auch nicht mehr als das: ein Playoff-Kandidat ohne viel Perspektive darüber hinaus.

Felix Poser: Kannst du dir in den kommenden Wochen gar einen Einbruch bei den Rams vorstellen? Mit den Saints, Eagles und Seahawks vor der Brust, wie glaubst du reagieren sie auf die Vikings-Niederlage?

Was mich wirklich überrascht hat, war die Tatsache, dass die Vikings auch offensiv die Line of Scrimmage kontrollieren konnten. Defensiv war das eher zu erwarten, die Dominanz in der zweiten Hälfte im eigenen Run Game war aber erstaunlich. Die tollen Deep-Ball-Designs, an die wir uns in den vergangenen Wochen von den Rams gewöhnt haben, waren plötzlich nicht so verfügbar - dabei denke ich aber auch, dass das Matchup für die Rams-Offense in diesem Jahr nicht schwieriger wird, als diese Vikings-Defense.

Spinnt man diesen Gedanken weiter, dann komme ich zu dieser Schlussfolgerung: Ja, der Schedule wird hart, aber ich tippe auf größeres Shootout-Potential in den nächsten Wochen - und in denen gebe ich den Rams grundsätzlich immer eine Chance. Die Defensive Line muss sich schnell wieder fangen, ist dazu aber ohne jeden Zweifel in der Lage. Und offensiv hat Sean McVay gezeigt, wozu er fähig ist. Natürlich kann man nicht ausschließen, dass die Rams diese drei Spiele verlieren, einen tatsächlichen spielerischen Einbruch erwarte ich aber nicht.

Justus Becker: Die Vikings-Quarterback-Situation mit Blick auf die Playoffs: Fluch oder Segen? Egal wer es machen wird, wenn er beispielsweise ein Playoff-Spiel verdirbt, werden alle sagen es war die Falsche Entscheidung von den Coaches ...

In dieser Frage bin ich so hin- und hergerissen. Natürlich muss Minnesota herausfinden, was man Teddy Bridgewater hat. Klar, sie sehen ihn jeden Tag im Training, aber man kann das nach einer so schweren Verletzung nicht mit der Live-Action im Spiel vergleichen - auch um zu sehen, wie er mental reagiert, wenn er dann den ersten Hit einsteckt. Letztlich weiß niemand, was für ein Quarterback Teddy Bridgewater aktuell ist.

Aber eine Saison, in der man nach elf Spieltagen eine legitime Chance auf einen Top-2-Seed in der NFC hat, ist nicht der richtige Zeitpunkt, um ein oder mehrere Spiele zu riskieren. Case Keenum hat seine Schwächen - jeder Vikings-Fan wird ganz aktuell die Interceptions gegen Washington im Kopf haben - gleichzeitig aber setzt er die Offense aktuell glänzend um und zeigt eine gute Downfield-Aggressivität, um seinem großartigen Receiving-Duo eine Chance zu geben. Könnte Bridgewater das möglicherweise besser? Auf jeden Fall. Wissen wir das? Überhaupt nicht.

Im schnelllebigen NFL-Geschäft ist daher das meine Antwort: Keenum sollte spielen, solange er auf diesem Niveau agiert. Macht er Fehler und sorgt so dafür, dass die Defense und seine Receiver die Spiele nicht gewinnen können, dann sollte man über einen Quarterback-Wechsel nachdenken und nicht allzu lange zögern. Für den Moment aber bin ich der Meinung, dass man einen Quarterback-Tausch, so schwierig die Situation auch ist, nicht rechtfertigen kann.

Max: Warum hat deiner Meinung nach Cleveland wieder eine Saison derart desolat (weit hinter den Erwartungen) gespielt? Potenzial ist genügend vorhanden um nicht 0-10 zu sein. Oder gehen die Probleme schon im Front Office los?

Wo genau Clevelands Probleme losgehen, ist gefühlt ein Fass ohne Boden. Nach wie vor bin ich ein Fan des Ansatzes, den Kader von Grund auf neu aufzubauen und dafür möglichst viele Draft-Picks anzusammeln - es ist der beste Weg, um seine Trefferquote zu erhöhen und nur über den Draft stellt man einen Kader nachhaltig frisch zusammen. Die Frage ist aber eher, inwieweit Front Office und Trainerstab auf der gleichen Wellenlänge sind - das dubiose Trade-Debakel rund um A.J. McCarron lässt zumindest auf Risse schließen.

Den Umgang von Head Coach Hue Jackson mit Rookie-Quarterback DeShone Kizer hatte ich ja bereits ausgiebig kritisiert und generell fehlt mir offensiv eine ganze Menge. Cleveland konnte nie das im Vorfeld erhoffte Run Game aufziehen, während Kizer vom Scheme nur sehr wenig Hilfe bekommt. Defensiv hat sich die Front gefangen, ich sehe aber nicht, wie man Jackson generell nach seinem Umgang mit Kizer halten und ihm möglicherweise einen weiteren Rookie-Quarterback anvertrauen kann.

Also ja: Das Potential für eine bessere Bilanz hat dieses Team. Das Coaching ist aber eine andere Frage und ich denke, dass wir hier in Cleveland nach der Saison nochmals einen größeren Aufräumprozess erleben.

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