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Jaguars: Ein Schritt vor und zwei zurück?

Von Pascal De Marco
Leonard Fournette hat ein höheres garantiertes Einkommen als jeder andere Running Back der Liga
© getty

Als eines der wenigen Teams kam in der Offseason bei den Jacksonville Jaguars nur selten wirklich Euphorie auf. Zwar scheint in Florida zumindest in Erstrunden-Pick Leonard Fournette der Franchise-Running-Back gefunden worden zu sein, doch zeichneten viele andere Baustellen in der unruhigen Vorbereitung Sorgenfalten in die Gesichter der Raubtiere. Und so stellt sich die Frage: Wo genau stehen die Jaguars 2017 eigentlich?

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Leonard Fournette ist der beste Running Back des Draft-Jahrgangs 2017. Vor Christian McCaffrey, vor Joe Mixon, vor Dalvin Cook. So jedenfalls war die Meinung der Großzahl aller College-Football-Analysten - und ganz offensichtlich auch die der Jacksonville Jaguars, die den jungen Mann aus Louisiana mit dem vierten Pick des Drafts nach Florida holten.

An der Entscheidung gab es vorher dem Vernehmen nach kaum Zweifel - wenngleich ein Running Back so früh im Draft schlicht aufgrund der Position durchaus kritisch betrachtet werden darf - und auch nach den Eindrücken aus dem Training Camp sowie Jacksonvilles Preseason-Opener gegen die New England Patriots soll Fournette der Name sein, an den der künftige Erfolg geknüpft werden soll. Dies unterstreicht nicht zuletzt der mit dem hohen Pick einhergehende stolze Vertrag für einen Running Back.

Mit einem garantierten Einkommen von gut 27 Millionen Dollar ist nun kein anderer Back der Liga finanziell derart abgesichert wie Fournette. Und das ohne auch nur eine Minute in einem Regular-Season-Game gestanden zu haben. Im Verhältnis etwa zum 12-Millionen-Dollar-Franchise-Tag, unter welchem Steelers-Superstar-Back Le'Veon Bell in der kommenden Saison spielen wird, ein klares Statement der Jaguars, wo sie den Mittelpunkt ihrer Offense sehen.

Fournette: Auf den Spuren von Ezekiel Elliott?

Fournette ist allerdings nur die Spitze des Eisbergs einer durchaus bemerkenswerten Entwicklung. Zweifel an der gesundheitlichen Langlebigkeit von Spielern auf der Position hatten zuletzt auch die Dallas Cowboys bei Ezekiel Elliott und nun die Carolina Panthers bei McCaffrey nicht. Die beiden kursieren auf Rang drei und fünf in der Kategorie "garantiertes Gehalt", nachdem Teams wieder hohe Picks in Backs investieren.

Ohne Zweifel haben Fournette und McCaffrey Talent und sind nicht ohne Grund an derart hohen Stellen vom Board gegangen. Doch ob sie tatsächlich so viel wert sind? Klar ist schon jetzt, dass Fournettes Preseason-Debüt in Jacksonville weiter die Erwartungen geschürt hat.

Er könne sehr wohl, grinste der Rookie anschließend, Elliotts Marke aus dem Vorjahr angreifen - Elliotts 1.631 Yards sind der dritthöchste Wert für einen Rookie-Running-Back aller Zeiten. "Ich glaube, er kann das", stimmte Linebacker Myles Jack zu, "er arbeitet unglaublich hart, daher würde ich nicht gegen ihn wetten."

Left Tackle Cam Robinson fügte hinzu: "Wenn wir unseren Job erledigen und im Backfield ist jemand mit dieser Art Talent, der aus einem normalen Play ein Big Play machen kann, dann macht das immer Spaß." Ein "selbstbewusster Typ" sei er, erklärte Fournette im NFL Network weiter, "und dieses Gefühl will ich meiner Line weitergeben. Man muss das Gefühl haben, dass man unaufhaltsam ist." Weiter sei die NFL "langsamer, als ich gedacht habe. Die Tatsache, dass ich im College in der SEC gespielt habe, hilft mir sehr."

Jacksonville: Zweifel an Blake Bortles größer denn je

Jacksonville jedenfalls hat sich nicht davor gescheut das Risiko des hohen Running-Back-Picks einzugehen. Die Explosivität des 22-Jährigen soll künftig ein großer Faktor der Offense von Coordinator Nathaniel Hackett werden. Ein sehr großer sogar, betrachtet man die Entwicklung des eigentlich prädestinierten Franchise Players Blake Bortles.

Die fünf-Interception-Performance des Starting-Quarterbacks im Training Camp Ende Juli war nur eine von mehreren unrunden Trainingseinheiten und hat bei Head Coach Doug Marrone für weitere Zweifel ob seines wichtigsten Spielers auf dem Platz gesorgt. "Ich denke jedesmal wenn ein Spieler nicht so spielt wie du es dir erhoffst, machst du dir Sorgen. Immerhin war er nicht der einzige", erklärte Marrone nach dem Training, das natürlich auf Social Media hohe Wellen schlug.

Das Thema Interceptions ist überhaupt ein leidiges, welches die Karriere des 25-jährigen Bortles begleitet. Nach 17 Picks in der Rookie-Saison waren es 18 in der zweiten und 16 in der vergangenen Spielzeit. Noch im Juni hatte Head Coach Doug Marrone laut dem NFL Network Bortles klar gemacht: "Wenn du dir weiterhin Turnover leistest, wirst du nicht mehr unser Quarterback sein. Um alles andere können wir drum herum arbeiten. Aber das ist nicht verhandelbar."

Lediglich Philip Rivers von den Los Angeles Chargers hat in dieser Zeitspanne den Ball derart häufig in die verkehrten Hände geworfen. Der Unterschied zwischen beiden jedoch ist, dass Rivers in dem Zeitraum zumindest 93 Touchdown-Pässe verbuchen kann. Bortles, der nach eigenen Angaben "aus jeder Interception lernt", nur 69.

Jüngste Medienberichte vermelden gar, dass die Jaguars ernsthaftes Interesse an Bengals-Backup-Quarterback A.J. McCarron haben sollen. Ob das nun stimmt oder nicht, ist fast unerheblich, denn unbestreitbar ist: Bortles, der am Donnerstagabend nur kurz zum Einsatz kam, steht bereits in der Preseason gehörig unter Druck. Gibt es ein Szenario, in welchem er Anfang September als Gewinner der Vorbereitung da steht? Schwierig. Spielt Nummer 5 gut, so ist es lediglich die Preseason. Spielt Nummer 5 nicht gut, so gerät Bortles' Name weiter in Verruf und sein Standing wird immer schwieriger.

Jaguars: Was passiert mit Branden Albert?

Doch nicht nur dank des Quarterbacks scheint Leonard Fournette in der kommenden Saison etwas auf sich alleine gestellt zu sein. Auch die Offensive Line strauchelt nach Angaben rund um das Team. Football Outsiders bewertet Jacksonvilles Pass-Protection zwar als ligaweit neuntbeste, beim Run-Blocking kursieren die Jags allerdings nur auf Rang 27.

Jemand, der die unsichere Line eigentlich aufwerten sollte, war Branden Albert. Der Left Tackle kam in der Offseason für einen Siebtrundenpick des 2018er Drafts aus Miami. Doch hatte der 32-Jährige offensichtlich überhaupt keine Lust auf das neue Team, verzichtete erst auf jegliche Offseason-Vorbereitung, nur um daraufhin kurzerhand sein Karriereende bekannt zu geben.

Dies war Medienberichten zu Folge nun lediglich eine Kurzschlussreaktion. Am Montag nämlich meldete sich Albert in Jacksonville zurück und sprach mit den Team-Bossen über sein Comeback - sein Vertrag könnte ihm bis zum Ende des Jahres knapp neun Millionen Dollar einbringen.

Hier befindet man sich in Florida nun in einem Zwiespalt. Soll Marrone auf einen Spieler setzen, der eine offensichtliche Baustelle vom Talent her klar aufwerten kann, allerdings Probleme damit hat, sich zu dem Team zu bekennen? Oder versucht man Albert noch gegen geringen Gegenwert loszuwerden, wobei man es selbst hier schwer haben wird, einen Abnehmer für den schwierigen Lineman zu finden.

"Er ist auf der Reserve/Retired-Liste. Das ist alles. Mehr habe ich dazu nicht zu sagen", analysierte Vizepräsident Tom Coughlin vor einigen Tagen trocken.

Jacksonvilles Defense bereit für den nächsten Schritt

Betrachtet man die defensive Seite des Balles sind die Strukturen bereits klar geregelt und durchaus vielversprechend. Die Basis bildet eine Line aus Calais Campbell, Malik Jackson, Abry Jones und Yannick Ngakoue, wobei Dante Fowler Jr. bei Passing-Downs den Platz von Jones einnehmen wird. Rookie-Defensive-End Dawuane Smoot darf sich ebenfalls Hoffnung darauf machen, ein großer Part der Rotation zu werden.

Noch besser sind die Jaguars sogar in der Secondary aufgestellt zu sein. Mit Jalen Ramsey, dem sogar verfrühte Außenseiterchancen auf den Defensive Player-of-the-Year-Award eingeräumt werden, und Free-Agency-Kracher A. J. Bouye sollten zwei mögliche Top-Ten-Corner der Liga jegliche Downfield-Gefahr eliminieren. Das gibt der Defense Scheme-technisch auch Freiheiten was Blitz-Pakete angeht - ein absoluter Luxus.

Das heißeste Thema für Defensive Coordinator Todd Wash war in der Offseason die Personalie Myles Jack und dessen Umpositionierung auf die Middle-Linebacker-Position. Berichten zu Folge hat dieser allerdings noch einige Probleme mit der Inside-Position. Bei Eins-gegen-Eins-Drills sah Jack schlecht aus. Eine Rückkehr von Paul Posluszny von Outside-Linebacker zurück in die Mitte steht im Raum.

In den vergangenen Jahren wurde den Jags mehrfach "der nächste Schritt" in der Defense attestiert - in dieser Saison könnte es endlich so weit sein. Jacksonville kann mit seiner Defense und einem dominanten Run Game tatsächlich als Team den nächsten Schritt machen. Doch was genau ist das am Ende der Regular Season wert, wenn der Quarterback nicht funktioniert?

Leonard Fournette: Eine Saison ohne Druck? Fast!

10 Jahre ist der letzte Einzug in die Playoffs nunmehr her. An der Stärke der Division-Rivalen lag das in den vergangenen Jahren mit Sicherheit nicht. Coach Marrone betonte für sein Engagement in Jacksonville die altbekannte Vision der "Winning Mentality".

Unter der aktuellen Personalunion ist dies allerdings Stand jetzt nur schwer vorstellbar. In erster Linie richten sich die Augen dabei nun einmal auf den Quarterback: Kann Bortles der Mann sein, der das Team erstmals seit 2007 in die Postseason führt? Daran scheint nun noch nicht einmal mehr der Trainerstab so richtig zu glauben.

Ein anderer Glaube ist dafür allerdings umso stärker. Und zwar der an einen sehr spannenden Running Back, der neben Chris Ivory, T. J. Yeldon und Corey Grant sogar noch Zeit bekommen wird, sich an das Pro-Level anzupassen. Und das ganz ohne Druck? Fast! Denn wer auf dieser Position so früh gedraftet und so fürstlich entlohnt wird, der sollte lieber früher als später auch Leistungen zeigen.

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