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"How you like me now?"

Kirk Cousins spielt um einen neuen, langfristigen Vertrag bei den Washington Redskins
© getty

Traditionell laden die Dallas Cowboys (9-1) zu einem Spiel an Thanksgiving ein. Dieses Jahr empfangen sie den Rivalen aus der NFC East, die Washington Redskins (6-3-1). Wie die Texaner erlebt auch das Team aus der Hauptstadt in diesem Jahr eine Art Renaissance, was nicht zuletzt am jungen Quarterback liegt. Dieser muss sich weiter beweisen, um die Oberen von einer langfristigen gemeinsamen Zukunft zu überzeugen. Doch auch an anderen Stellen sind Parallelen zwischen beiden Mannschaften zu erkennen.

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"How you like me now?" tönte es aus dem Mund eines sichtlich aufgeheizten Kirk Cousins, der sich General Manager Scot McCloughan nach dem überraschend deutlichen 42:24-Heimerfolg der Washington Redskins über die Green Bay Packers geschnappt hatte. Das war ein Statement und zwar auf mehreren Ebenen. Zum einen war es die legitime Steigerung zum heute schon legendären "You like that?", dass er im Vorjahr nach einem Sieg Richtung Presse gebrüllt hatte.

Doch zum anderen ließ es - wenn auch nur unterbewusst - tief blicken. Cousins spielt, nachdem er im Sommer keinen langfristigen Vertrag bekam, unter dem lukrativen, aber dennoch unbeliebten Franchise Tag.

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Aktuell stehen die Redskins bei einer Bilanz von 6-3-1 und das nach einem 0-2-Start in die Saison. Damals schon stellte man sich die Frage, ob sich denn überhaupt irgendwas geändert hatte oder das Team aus der Hauptstadt doch wieder nur vor sich hinvegetieren würde. Zumal sich schon früh Verletzungen bei Leistungsträgern häuften. Aus der vor der Saison so stolz präsentierten Secondary ist nur noch Josh Norman übriggeblieben als einziger, der vom Start weg immer dabei war. Cornerback-Kollege DeAngelo Hall steht schon längst auf IR.

Und auch wenn die Defensive statistisch gesehen eher mittelprächtig unterwegs ist, hielt sie stand, wenn es zählte. Sie funktioniert als Komplementär zur zuweilen starken Offense sehr gut. Gerade natürlich, weil der Pass Rush effektiv ist - 27 Sacks sind gut genug für Platz sechs in der NFL.

Alle steht und fällt mit Captain Kirk

Offensiv steht und fällt alles mit Cousins, der wie sein Gegenüber an Thanksgiving, Dak Prescott, ebenfalls von einer formidablen Offensive Line profitiert. Cousins musste wie Prescott erst 14 Sacks hinnehmen. Das sind die drittwenigsten in der Liga. Und so ist es auch keine Überraschung, dass Captain Kirk in Sachen Yards, Yards pro Spiel und Yards pro Passversuch - dank explosiver Receiver - zu den Top 5 der Liga zählt.

Auch diverse Ratings zählen ihn zu den besten Quarterbacks der Liga. Er hat sich stark entwickelt und nach seiner Breakout-Saison im Vorjahr merklich stabilisiert. Er ist jetzt schon auf Kurs, seine letztjährige Produktion in nahezu allen Bereichen zu verbessern.

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Cousins ist jedoch nicht der einzige Mann im Backfield, der zu überzeugen weiß. Running Back Rob Kelley nämlich spielte sich zuletzt in den Vordergrund und hat Matt Jones als Starter abgelöst. Der bisherige Höhepunkt: Das Spiel gegen Green Bay mit 137 Yards und drei Touchdowns!

Überhaupt war der Sieg über die Packers ein Beispiel an offensiver Balance: Cousins warf für 375 Yards (21/30, 3 TD), hatte mit Kelley einen 100-Yard-Rusher und mit Jamison Crowder und Pierre Garcon gleich zwei Mann mit mindestens 100 Receiving Yards. Das gelang den Washington Redskins zuletzt 1999 - damals gegen die Dallas Cowboys.

Steiniger Weg nach oben

Der Weg von Cousins zum potenziellen Franchise-Quarterback war jedoch kein leichter. Als er 2012 in der vierten Runde vom damaligen Head Coach der Skins, Mike Shanahan, in die Hauptstadt geholt wurde, war allen klar, welche Rolle für den Mann von Michigan State vorgesehen war: Die des Backups hinter Heisman-Gewinner Robert Griffin III, für den man quasi Haus und Hof verpfändet hatte, um ihn als zweiten Pick - hinter Andrew Luck - draften zu dürfen.

Für Shanahan war damals klar, dass RG3 der Mann für sein System war - ein äußerst mobiler QB für die Read-Option, die seinerzeit der letzte Schrei war. Man durfte sich also schon fragen, warum Cousins, der eher ein Pocket Passer mit gelegentlichen Ausflügen ist, als Griffins Backup auserkoren wurde, zumal beide noch grün waren.

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Vermutlich aber war Cousins eine Art Absicherung für den Fall, dass das ganze Read-Option-Konzept nicht effektiv gewesen wäre. Genaue Beweggründe sind freilich nicht überliefert. Nichtsdestoweniger blieb Cousins nur die Reservistenrolle und das blieb auch bis 2014 so. Dann nämlich schlug seine große Stunde, da sich Griffin mal wieder verletzt hatte und Cousins die Chance bekam, sich zu beweisen.

Coach war da schon Jay Gruden, der von Shanahan übernommen hatte und schon früh klarmachte, dass sein Offensivkonzept ein anderes war. Schon da wäre es denkbar gewesen, auf Cousins und nicht etwa Griffin zu setzen, schließlich wollte Gruden einen Pocket Passer. Doch in erster Linie aufgrund der sicherlich deutlichen Ratschläge vom immer präsenten Teameigner Dan Snyder, der großer Befürworter von RG3 war, blieb selbiger im Amt, bis er sich verletzte.

Franchise Tag statt Langzeitdeal

Cousins überzeugte und nachdem sich RG3 in der Preseason vor der Saison 2015 eine Gehirnerschütterung zuzog und erstmal ausfiel, zog Cousins endgültig vorbei und startete schließlich jedes Spiel. Er hatte den Durchbruch geschafft, auch wenn sein Team schließlich nur bei 9-7 stand, was aber auch auf eine schwache Defensive zurückzuführen war.

Nach 2015 war Cousins' Rookie-Vertrag ausgelaufen und die Frage kam auf, wie man nun mit ihm umgehen würde. Eines war klar: Ziehen lassen war für die Redskins keine Option, potenzielle Franchise-QBs sind eben schwer zu finden. Zum Schutz der eigenen Interessen belegte man das Eigengewächs direkt mit dem Franchise Tag, der ihm für die Saison 2016 etwas mehr als 19,5 Millionen Dollar garantierte. Das beraubte den Spieler aber auch der Möglichkeit, auf dem offenen Markt seinen Wert zu prüfen.

Dennoch soll es Bemühungen gegeben haben, einen langfristigen Deal zu machen, doch letzten Endes scheiterte es wohl am Geld und an Snyder, der "eine höhere Stichprobengröße vom früheren Mittelrundenpick" sehen wolle, wie Jason La Canfora von CBS Sports im Juli anmerkte.

Weitere Medienberichte sprachen von diversen Vertragskonstrukten, die je nach Quelle von 12,5 über 15 bis hin zu 16 Millionen Dollar pro Jahr variierten. Zu wenig für Cousins, zumal ein Brock Osweiler mit weniger Einsätzen oder nachgewiesener Qualität für vier Jahre und 72 Millionen in Houston unterschrieben hatte - 18 Millionen im Schnitt also.

Cousins aber nahm die Situation sportlich und unterschrieb den Franchise Tender bereits am ersten Tag ohne Murren. "Natürlich hätten gerne beide Seiten einen langfristigen Deal vor der Deadline ausgehandelt gehabt, aber es hat nicht geklappt. Aber wissen Sie was? Er ist ein Profi. Er gibt jeden Tag alles und es wird uns gut gehen. Und hoffentlich ist er unser Quarterback der Zukunft", hatte McCloughan nach Verstreichen der Frist für die Schließung eines Langzeitvertrags erklärt.

Thanksgiving

Nun tritt Cousins mit den Redskins an Thanksgiving bei den Dallas Cowboys an. Die Texaner sind freilich das heißeste Team der Liga mit neun Siegen am Stück, was dieser geschichtsträchtigen Franchise nie zuvor gelungen war. Doch auch Washington muss sich nicht verstecken. Die Skins gewannen sechs ihrer letzten acht Partien (ein Unentschieden, eine Niederlage) und schlugen bereits die Giants, Vikings und Packers, allesamt keine Laufkundschaft.

Dallas wiederum ist gegen Teams mit positiver Bilanz in diesem Jahr erst 1-1, der Rest waren Teams, die unter oder genau bei .500 lagen. Das soll nichts von deren bisher gezeigter Leistung wegnehmen, aber America's Team wird sich beweisen müssen.

Und schaut man genau hin, nehmen sich beide Teams rein von der Zusammensetzung her nicht viel. Sie verfügen über präzise Quarterbacks, die wenige Fehler machen. Sie bieten dominante Offensive Lines auf und auch das Running Game ist äußerst zuverlässig. Beide Teams haben gute Receiver und Tight Ends sowie Wide Receiver mit Explosionspotenzial.

Vom Papier her sind die Cowboys sicherlich favorisiert, aber ein ausgeglichenes Spiel sollte aufgrund der Formkurven beider Teams allemal zu erwarten sein. Den größeren Druck dürfte Dallas in jedem Fall verspüren, denn die nächsten drei Partien haben es in sich: Nach den Redskins geht es nach Minnesota und dann zu den New York Giants. Läuft es schlecht, könnte dann die komfortable Führung in der NFC East schon wieder weg sein.

Die Thanksgiving-Historie spricht allerdings für Dallas: Gegen die Redskins ist man 6-1 an diesem Feiertag. Die Redskins gewannen allerdings die letzten beiden Gastauftritte in Arlington.

Quo vadis, Kirk?

Wie auch immer das Thanksgiving Game und diese Saison ausgehen. In der Offseason werden die Redskins erneut vor der Frage stehen, wie es denn mit Cousins weitergehen wird. Ein weiteres Jahr unter dem Franchise Tag ist möglich, wobei dann der Festbetrag bei mehr als 23 Millionen Dollar liegen würde. Viel Geld für einen Spieler, selbst, wenn die Salary Cap - aktuell bei 155,27 Millionen Dollar - nochmals angehoben werden könnte.

Die Alternative wäre, ihm in diesem Jahr einen marktgerechten Langzeit-Deal anzubieten, was aber freilich von Snyder abgesegnet werden müsste.

Ebenfalls möglich wäre es für Cousins, sich trotz Tag nach einem anderen Team umzusehen. Dieses müsste dann jedoch zwei Erstrundenpicks an die Skins abtreten, was angesichts des Dursts nach einem Franchise-Quarterback vertretbar wäre für manch ein Team.

Doch was auch passiert, Cousins wird erneut die Frage stellen: "How do you like me now?" Entscheidend wird dann, welche Antwort die Redskins darauf haben.

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