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Der Champ am Scheideweg

Die prominent besetzte Broncos-Defense um Von Miller (m.) und Co. ist im letzten Saisondrittel gefordert
© getty

In Week 12 lockt der Sunday-Night-Kracher mit einem Division-Highlight: Die Denver Broncos empfangen die Kansas City Chiefs, ein Spiel, das im engen Division- sowie Wild-Card-Rennen noch größere Auswirkungen haben könnten. Dabei wollen die Broncos in mehreren Bereichen zurück in die Spur finden, ein emotionaler Sieg gibt Hoffnung. Kurioserweise plagen allerdings beide Teams ähnliche Probleme. Zu sehen gibt es das Spiel in der Nacht zum Montag ab 2.30 Uhr live auf DAZN!

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Die Erleichterung war den Broncos unisono ins Gesicht geschrieben. Gerade hatte Denver ein atemberaubendes Finish gegen die New Orleans Saints für sich entschieden - weil das Special Team den Extra-Punkt geblockt und zur 2-Point-Conversion in die Endzone der Saints zurückgetragen hatte. Viel dramatischer, viel enger geht es nicht, der Inbegriff eines Spiels, das in beide Richtungen hätte gehen können.

Und doch: Die Stimmung im Lager des amtierenden Champions war eine andere. "Wir haben einen guten Start erwischt, das war zuletzt ein Problem", lobte etwa Head Coach Gary Kubiak und Quarterback Trevor Siemian fügte hinzu: "Wir haben einige wichtige Third Downs geschafft, das war ein Fokus für uns: Auf dem Feld bleiben, damit wir die Chance haben, ein Run Game aufzuziehen. Wir hatten mehr Plays insgesamt, das hilft."

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Also erfolgreiche Fehler-Behebung, statt glücklicher Last-Minute-Sieg? Receiver Emmanuel Sanders fand gar deutlichere Worte: "Die ganze Woche über haben wir auf die Fresse bekommen. Noch vor dem Spiel hatte ich den Fernseher an und es wurde darüber gesprochen, wie unsere Offense stagniert und bei Third Down kein neues First Down erreichen kann."

Zwar war es kein offensives Feuerwerk in New Orleans, doch standen am Ende 258 Passing-Yards sowie insgesamt 103 Rushing-Yards auf Denvers Konto, 11 von 19 Third Downs fielen zugunsten der Broncos-Offense aus. Dennoch bleibt gleichzeitig festzuhalten: Unbegründet war die Kritik der vergangenen Wochen nicht.

Tackle-Leistungen zum Abgewöhnen

Der Blick geht dabei immer wieder insbesondere auf die Offensive Line: Die Broncos haben in der Offseason Geld in die Hand genommen, um ihre O-Line zu reparieren. Sportlich sieht man davon über weite Strecken bisher allerdings viel zu wenig.

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Nur vier Teams (Cincinnati, Arizona, Indianapolis und Cleveland) haben in dieser Saison mehr Sacks zugelassen als die Broncos (26), was wie ein Klotz am Bein der Offense hängt. Siemian ist zu stark unter Druck, als dass er konstant liefern könnte - namentlich die Tackles Donald Stephenson und Ty Sambrailo (Right Tackle) sowie Russell Okung (Left Tackle) müssen zur Verantwortung gezogen werden.

Laut Pro Football Focus haben Stephenson und Sambrailo kombiniert sechs Sacks und 46 (!) Quarterback-Pressures zugelassen, Okung auf der anderen Seite derer 38. PFF führt die Line auf Rang 25, Football Outsiders in Pass-Protection auf dem 28. Rang.

Das krumme Rückgrat der Offense

Allerdings ist das nicht die entscheidende Komponente: Kubiaks Offense funktioniert primär über ein starkes Run Game, um darauf aufbauend dann Defenses mit Rollouts und langen Play-Action-Pässen auf dem falschen Fuß zu erwischen. Das Laufspiel ist das Rückgrat, und die Zahlen bestätigen das: Über die letzten beiden Spielzeiten haben die Broncos alle 19 Spiele gewonnen, wenn sie - QB-Runs ausgeschlossen - mindestens 20 Runs hatten. Bei unter 20 Runs steht die Statistik bei drei Siegen und sieben Niederlagen.

Im Umkehrschluss ist also die logische Konsequenz: Funktioniert das Run Game nicht, kann auch die Offense nicht funktionieren, zumindest nicht konstant. Denver verzeichnet in dieser Saison ganze 3,7 Yards pro Run, nur fünf Teams sind schlechter und die Verletzung von C.J. Anderson hat sich dabei, trotz einiger guter Momente von Rookie Devontae Booker, als großes Problem entpuppt.

Daher half es wenig, dass der Versuch, Ex-Broncos-Running-Back Ronnie Hillman - jüngst in Minnesota entlassen - über das Waiver Wire zurück zu holen, scheiterte. Die San Diego Chargers hatten die höhere Waiver-Priorität und schlugen vor dem Division-Rivalen zu. "John [Elway] und ich haben darüber gesprochen. Wir haben jetzt häufiger auf 2-Back-Formationen gesetzt, mit Juwan Thompson als dritte Option. Ronnie kennt unser komplettes Playbook, deshalb haben wir es versucht", gab Kubiak zu.

"Habe große Erwartungen an ihn"

Eine schnelle Rundum-Heilung ist im Run Game also nicht zu erwarten, stattdessen bleibt Siemian im Fokus. "Ich will, dass Trevor groß aufspielt", fügte Kubiak daher zu Beginn der Bye-Week via ESPN hinzu. "Ich will nicht, dass er nur okay oder gut spielt. Er soll großartig spielen. Wenn er das schafft, den Ball an die richtigen Spots bringt und Turnover vermeidet, dann können wir einiges erreichen. Ich habe große Erwartungen an ihn, und er weiß das."

Die statistische Wahrheit sieht jedoch bislang eher schwierig aus. Bei 28 Prozent ihrer Possessions hatten die Broncos laut Football Outsiders ein Three-and-Out, also kein einziges First Down bei einem Drive, gleichbedeutend mit dem ligaweit 30. Rang. Demzufolge überrascht es wenig, dass Denver den Ball im Schnitt pro Drive nur 2:24 Minuten hält, ebenfalls der drittschwächste Wert.

Geschäftsführer Elway gab sich daher auch keine Mühe, etwas schönzureden: "Ich denke, wir können offensiv besser spielen. Wir haben da noch jede Menge Luft nach oben. Aber wir haben Wege gefunden, Spiele zu gewinnen. Darüber freuen wir uns."

Die Front bröckelt

Sollten die offensiven Probleme Bestand haben, wird es spannend sein zu sehen, ob Elway im Frühjahr den nächsten dicken Quarterback-Fisch an Land ziehen kann - Gerüchte, wonach der in Dallas endgültig zum Backup degradierte Tony Romo angeblich gerne nach Denver würde, machen bereits die Runde.

Bis dahin ist es allerdings so oder so noch ein weiter Weg, und das rückt das eigentliche Prunkstück dieses Teams wieder einmal in den Fokus: die Defense. Während Denver in der Pass-Defense, zusätzlich befeuert durch eine nochmalige Leistungssteigerung von Aqib Talib, nach wie vor zur absoluten Elite gehört, hat die Run-Defense einige Risse abbekommen.

Das wurde während der Pleite gegen Oakland ganz besonders deutlich, als die Raiders Denver mit 218 Rushing-Yards förmlich in Grund und Boden liefen. 4,4 Yards lässt Denvers Defense pro Run zu, nur acht Teams sind schwächer. Zum Vergleich: Baltimore steht bei einem vollen Yard weniger pro Run.

"Wir haben die Physis", stellte Linebacker Todd Davis nach dem Spiel in Oakland dennoch klar. "Wir spielen hart und geben nichts auf. Jeder muss seine Aufgabe gemäß der Einteilung erfüllen, das ist wichtiger als alles anderes. Wir müssen zunächst das Run Game stoppen. Das ist unser oberstes Ziel. Denn wenn dir das nicht gelingt, stoppst du auch das Play-Action-Spiel nicht."

Pass-Rusher en Masse

Ein wichtiger Schritt auf dem Weg dahin ist die Rückkehr von Defensive End Derek Wolfe, der zuletzt in New Orleans verletzt gefehlt hatte. Wolfe trainiert seit Montag wieder mit und wird wohl spielen können. Darüber hinaus hat der ohnehin gefürchtete und tief besetzte Pass-Rush mit Shaquil Barrett eine weitere zunehmend gefährliche Waffe, bei 91 Pass-Rush-Snaps hat Barrett in dieser Saison zwei Sacks, einen Hit und elf Hurries.

Der starke Pass-Rush ist etwas, das Denver mit Division-Rivale Kansas City verbindet. Bei den Chiefs hat Dee Ford in dieser Saison eindrucksvoll den nächsten Schritt gemacht, gemeinsam mit Cliff Avril und Lorenzo Alexander führt Ford die Liga mit zehn Sacks an. Das Problem: Ford fällt, genau wie Jeremy Maclin, gegen Denver aus.

Da kommt es gerade recht, dass Justin Houston nach seiner Knie-OP seit der Vorwoche wieder an Bord ist, die Chiefs erhalten ihren besten Spieler pünktlich zum Saison-Endspurt zurück. Tamba Hali kann nach wie vor problemlos als Starter oder Rotationsspieler auflaufen und dürfte Ford ersetzen.

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Houston ist somit auch ein weiterer wichtiger Baustein für eine unglaublich opportunistische Defense. Kein Team forciert so viele Turnover, Kansas City hat mit Houston und Ford, Marcus Peters, Derrick Johnson sowie Eric Berry auf jedem Level brandgefährliche Stützen. Das wird auch Denver am Sonntagabend zu spüren bekommen.

Eine weitere Gemeinsamkeit zwischen beiden Defenses ist allerdings: So gefährlich der Pass-Rush, so anfällig die Run-Defense. Die Chiefs sind mit 4,5 Yards pro gegnerischem Run sogar noch etwas schwächer als Denver.

"Müssen da wieder raus kommen"

Und die Parallelen gehen weiter - denn genau wie Denver, hat auch KC aktuell so seine liebe Mühe mit der eigenen Offense. Alex Smith spielt seit einigen Wochen nicht mehr so konstant wie gewohnt, das gilt auch für das Running Game. Bei der überraschenden Heimniederlage gegen Tampa Bay zuletzt etwa hatten die Chiefs nur 82 Rushing-Yards (3,9 Yards pro Run). Dazu kommen ungewohnte Turnover, für die konservative Herangehensweise, mit der KC offensiv spielt, ganz besonders schwerwiegend.

"Ich denke, mit Alex ist alles okay. Wir müssen einfach weiter machen", betonte Coach Andy Reid. "Er ist ein toller Leader, wir werden das schon hinbekommen. Über die letzten beiden Wochen war es nicht so toll, da müssen wir wieder raus kommen."

Das Spiel in Mile High ist dafür die perfekte Gelegenheit und bietet die Chance, beim Division-Rivalen und amtierenden Champion wieder in die Spur zu finden. Doch auch die Broncos wissen, was die Stunde geschlagen hat. "Wir haben jetzt sechs Playoff-Spiele vor uns", betonte Kubiak kurz nach dem emotionalen Sieg in New Orleans. "Wir werden auf der Zielgerade der Saison in großen Spielen spielen. Ich glaube, dass wir besser werden müssen und können."

Elway hatte derweil die gewohnt pragmatische Analyse parat: "Ich denke, wir hätten einen 7-3-Start mit all dem, was passiert ist, unterschrieben. Wir haben noch nicht unsere Topleistung geboten, das macht mir Mut. Aber wir haben Woche für Woche hart gespielt. Ich bin gespannt darauf, unser ganzes Potential zu sehen."

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