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Am Stock über den Teich

Tight End Jordan Reed hofft, nach erneuter Gehirnerschütterung am Sonntag wieder mitwirken zu können
© getty

Die Washington Redskins (4-3) treffen im letzten London-Spiel dieser NFL-Saison am Sonntag auf die Cincinnati Bengals (3-4) - und sind angeschlagen über den großen Teich geflogen. Washington geht personell auf Schlüsselpositionen am Stock, es droht nach dem zwischenzeitlichen Lauf eine weitere Pleite. Das Duell zweier alter Weggefährten spielen derweil alle Beteiligten runter. Zu sehen gibt es die Partie am Sonntag ab 14.30 Uhr live auf DAZN!

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Nur wenige Stunden, nachdem sie britischen Boden betreten hatten, war bereits Training angesagt. Auf dem Gelände der London Wasps, einem alten, traditionsreichen Rugby-Verein im Westen der Stadt, gaben sich die Redskins am Freitagnachmittag die Ehre. Vereinzelte Witzeleien, vor allem aber müde Augen prägten die Runde.

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"Der Flug war schön, wir hatten bequeme Sitze", scherzte ein sichtbar müder Jay Gruden nach dem Training. Doch gleich im nächsten Satz gab Washingtons Head Coach offen zu: "Es war zugegebenermaßen nicht ganz einfach, die Jungs gleich ins Rollen zu bringen. Wir versuchen, sofort im UK-Zeit-Rhythmus zu leben. Die Jungs gehen jetzt zurück ins Hotel, sollen dann noch ihre Tapes studieren und anschließend ein schönes Abendessen genießen."

Und darüber hinaus mutmaßlich auch die eine oder andere Behandlung - denn die Redskins sind angeschlagen nach London gekommen. Einerseits mental, aufgrund der Last-Minute-Niederlage in Detroit. Andererseits aber auch physisch: Mit Tight End Jordan Reed und Cornerback Josh Norman drohen zwei absolute Säulen des Teams aufgrund von Gehirnerschütterungen auszufallen. Running Back Matt Jones ist in jedem Fall nicht mit von der Partie und so muss Washington womöglich gleich mehrere Baustellen schließen.

"Gehe auf meine Art damit um"

Für Reed ist es bereits die fünfte Gehirnerschütterung seit seiner ersten College-Saison (drei davon in der NFL), weshalb zunehmend auch öffentlich mögliche Langzeitfolgen ein Thema sind.

Seine Familie habe mit ihm darüber bereits gesprochen, erklärte Reed vergangene Woche bei ESPN, "sie machen sich immer Sorgen, weil sie meine Gesundheit über alles stellen. Aber ich muss meine Familie versorgen, deshalb muss ich tun, was ich tun muss." Ein vorzeitiger Rücktritt, wie etwa zuletzt 49ers-Linebacker Chris Borland, ist daher für Reed kein Thema: "Ich gehe damit auf meine Art und Weise um."

Ohne ihn kam zuletzt wieder jede Menge Arbeit auf Slot-Receiver Jamison Crowder zu, der für die vielen kurzen Pässe von Cousins die erste Anspielstation nach Reed ist: Noch immer 42,5 Prozent von Cousins' Passing-Yards kommen nach dem Catch zustande, eine höhere Quote als etwa bei Marcus Mariota (39,7 Prozent), Blaine Gabbert (38,9), Brock Osweiler (37,8) oder Carson Palmer (37,6).

"Haben ein gutes Gefühl"

Die gute Nachricht für Washington: Im Training am Freitag war Reed schon wieder deutlich aktiver. Beim Aufwärmen war er sichtbar der mit Abstand motivierteste Spieler auf dem Platz, in den Tight-End-Drills zog er dann auch etwa bei Blocks nicht zurück.

"Wir haben ein sehr gutes Gefühl, aber wir müssen abwarten. Er hatte heute einen guten Tag, ist auch Routes gelaufen", bestätigte Gruden nach der Einheit in London den Eindruck. "Wir werden ihn heute Abend und dann morgen nochmals durchchecken. Aber wir haben ein gutes Gefühl."

Quarterback Kirk Cousins würde es freuen, wenig später fügte er hinzu: "Wir treffen auf eine sehr talentierte Defense, mit Spielern, die seit vielen Jahren zusammenspielen. Wenn du den Run stoppen und den Quarterback unter Druck setzen kannst, hast du immer eine gute Ausgangslage in der Defense. Das wird eine große Herausforderung, aber wir glauben, dass wir dem gewachsen sind."

Duell alter Weggefährten

Einen potentiellen Norman-Ausfall aufzufangen, der Cornerback wirkte zumindest während dem öffentlichen Part der Einheit merklich teilnahmsloser als Reed, wäre derweil um ein Vielfaches schwieriger. Nach einigen Experimenten mit strenger Zone Coverage zum Saisonbeginn hat Defensive Coordinator Joe Berry seinen Ansatz umgestellt und zuletzt deutlich mehr Manndeckung gespielt. Davon profitierte auch der Pass-Rush, das Blitz-Package wurde kreativer und gefährlicher.

Normans Rolle als Nummer-1-Cornerback ist hierfür eine absolute Schlüsselposition. Als der teure Offseason-Neuzugang gegen Detroit raus musste, waren Berry und Gruden merklich weniger aggressiv. Letzterer übte sich anschließend in Selbstkritik - man hätte mehr blitzen sollen, um Detroits spätes Comeback zu verhindern. Gegen Cincinnati und A.J. Green in Topform ist Norman von extrem großer Bedeutung für die Skins-Defense.

"Wenn Josh nicht spielen kann, muss sich Bashaud Breeland steigern, genau wie die anderen Cornerbacks. Wenn wir Man Coverage spielen, haben wir bei allen unseren Cornerbacks ein gutes Gefühl. Aber wir wissen auch, wie stark A.J. ist", betonte Gruden am Freitag.

Spielt Norman tatsächlich nicht, öffnet das vielfältige Möglichkeiten im Passing Game für die Bengals - wenngleich Gruden die eine oder andere Überraschung für Quarterback Andy Dalton vorbereitet haben dürfte: Drei Jahre lang war er Daltons Offensive Coordinator in Cincy, ehe er den Posten in der Hauptstadt übernahm. "Wir haben damals einige tolle Sachen gemacht", erklärte Gruden am Mittwoch, "aber unter dem Strich ist es ein weiteres Spiel, das wir gewinnen müssen."

Sorgen in der Defense

Dalton selbst gab sich laut FOX ebenfalls eher weniger nostalgisch: "Ich denke, die Dinge haben sich verändert. Wir haben einige neue Spieler, und auch wenn natürlich noch Leute hier sind, die er kennt: Ich glaube, die Dinge haben sich so weit verändert, dass ich mir darüber keine Sorge machen muss."

Das gilt umso mehr, da Tight End Tyler Eifert am vergangenen Sonntag gegen Cleveland endlich sein Comeback gab, und nach und nach stärker in den Game Plan involviert werden dürfte.

Der Mangel an Optionen im Passing Game neben Green, der eine herausragende Saison spielt und manchmal eine Defense auch im Alleingang schlägt, war bislang infolge der Abgänge von Mohamed Sanu und Marvin Jones ein großes Problem - Eiferts Rückkehr ist ein wichtiger Schritt hin zu einer besseren Balance.

Tatsächliche Sorgen dürften sie sich in Cincinnati stattdessen eher um die eigene Defense machen. Die Bengals erlauben in der Run-Defense viel zu viele Yards, die Defensive Line, einst die große Stärke dieses Teams, wirkt alt und hat längst nicht mehr die große Explosivität auf allen Positionen. In der Folge kränkelt naturgemäß auch der Pass-Rush. Washingtons Offensive Line dagegen spielt stark, und ist der Hauptgrund dafür, dass die Redskins bei 4,7 Yards pro Run und 113,1 Rushing-Yards pro Spiel stehen.

Running-Back-Wechsel bei Washington

Das Problem aus Redskins-Sicht: Starting-Running-Back Matt Jones kann die Fumbles einfach nicht abstellen und war mit zwei Turnovern auch für die Pleite in Detroit am vergangenen Sonntag mitverantwortlich. In Ungnade gefallen ist er trotzdem noch nicht - und dennoch werden Redskins-Fans am Sonntag ein anderes Backfield sehen.

Jones hat sich eine Knie-Blessur zugezogen und war beim Training am Freitag nicht mit auf dem Platz, wenige Stunden danach gab es die Bestätigung: Jones wird das Duell mit den Bengals verpassen, in seiner Abwesenheit erhielten im Training die Backups Thompson und Kelley beim Walkthrough die Snaps im Backfield.

Das könnte auch in anderen Bereichen als nur im Running Game Auswirkungen haben. "Die Bengals sind schon immer ein starkes Blitzing-Team, auch wenn sie das in diesem Jahr noch nicht so oft zeigen", betonte Gruden, als er insbesondere auf Kelly angesprochen wurde. "Da wartet eine Prüfung in puncto Pass-Protection."

Cousins erklärte außerdem: "Physisch ist es keine Frage, Rob Kelley bringt alles mit. Aber es kostet Zeit, zu lernen. Ich werde ihm das Gleiche sagen wie in der Preseason vor dem Bills-Spiel: Ich bin für ihn da, wenn er Fragen hat. Das ist mir immer lieber, als einen Spielzug anzusagen und jemand weiß nicht, was er zu tun hat."

"Sie geben dir die volle Dosis"

Bengals-Coach Marvin Lewis allerdings warnte trotz alledem: "Sie geben dir die volle Dosis von allem, im Running Game und im Passing Game. Viele verschiedene Formationen, viele verschiedene Route-Kombinationen, und so weiter."

Das wird Washington allerdings auch brauchen, wenn die Redskins mit einer Bengals-Offense mithalten wollen, die nach und nach ihre volle Feuerkraft erreicht. Jeremy Hill hatte zuletzt gegen Cleveland ein herausragendes Spiel, die dabei erlittene leichte Schulterverletzung wird ihn am Sonntag nicht beeinflussen.

Eines jedenfalls scheint sicher: Mit Eifert, Green, Hill, Bernard und einem erneut starken Andy Dalton auf der einen sowie mutmaßlich Reed, Jackson, Crowder und Garcon auf der anderen Seite dürfen sich die Fans in London auf ein Feuerwerk zum Abschluss der diesjährigen London-Serie einstellen. Oder, um es mit Grudens Worten zu sagen: "Ich bin mir sicher, dass es die Fans genießen werden."

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