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"Ich wurde beim Draft reingelegt!"

Björn Werner wurde 2013 in der ersten Runde von den Indianapolis Colts gedraftet
© getty
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SPOX: Erfährt man denn als Prospect tatsächlich erst wenige Minuten vor dem tatsächlichen Pick, zu welchem Team es geht? Oder gibt es vom Berater nicht doch den einen oder anderen Hinweis?

Werner: Du sitzt da - und du weißt nichts. (lacht) Manche Agenten wissen vielleicht, dass das eine oder andere Team dich nehmen könnte. Ich bin im Draft auch etwas gefallen, weil ich im College meine erste Knieverletzung hatte, allerdings hat bis eine Woche vor dem Draft niemand etwas gesagt. Mein Agent hat mir versichert, dass alles in Ordnung ist und mein Knie kein Problem sein würde. Aber eine Woche vor dem Draft hat mein Agent nochmals die Fühler ausgestreckt, um mehr Infos einzuholen...

SPOX: ...und plötzlich war es ein Problem?

Werner: So war es. Auf einmal haben mehrere Teams gesagt, dass sie mich in der ersten Runde wegen meines Knies nicht nehmen. Ich hatte schon alles geplant und die Tickets für meine Familie gekauft - mit Geld, das mir mein Agent geliehen hatte. Aber du willst natürlich nur nach New York, wenn du auch damit rechnest, in der ersten Runde gedraftet zu werden. Niemand will die Person sein, die da sitzt und vergeblich wartet.

SPOX: Aber es gab dann wahrscheinlich kein Zurück mehr?

Werner: Nein, und es wurde sogar noch nervenaufreibender: Am Draft-Tag kam mein Agent zu mir und sagte: "Ich habe dir versprochen, immer ehrlich zu dir zu sein. Es kann sein, dass du heute nicht gedraftet wirst und wegen deines Knies in die zweite Runde fällst." Klar, man freut sich generell darüber, gedraftet zu werden. Im ersten Moment war das allerdings definitiv ein Schock. Aber das war noch nicht das krasseste Erlebnis an diese Tag.

SPOX: Jetzt bin ich gespannt.

Werner: Wir saßen an unserem Tisch und jeder Tisch hat sein eigenes Kabel-Telefon, auf dem die Teams anrufen können. Dann kam der dritte Pick, Miami ist per Trade hochgestiegen. Und plötzlich klingelt mein Telefon! Ich war komplett fassungslos! Ich habe also abgehoben - und es hatte sich jemand einen Scherz erlaubt. Jemand hat mich reingelegt! Der ganze Raum hat mich angeschaut, alle dachten, ich wurde gerade gedraftet. Aber am anderen Ende der Leitung hat jemand nur gesagt, dass sie mich nehmen und dann laut gelacht.

SPOX: Das ist ja unfassbar!

Werner: Es ging sogar noch weiter, einige Picks später wurde wieder jemand angerufen, und wieder war es ein Scherz-Anruf. Das ist drei oder vier Mal passiert! Die ganzen Agenten waren natürlich total sauer und irgendwann ist niemand mehr an die Telefone ran gegangen, alles lief nur noch per Handy. Immerhin habe ich so eine Geschichte zu erzählen. (lacht)

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SPOX: Die Colts haben Sie darüber ja glücklicherweise dann erreicht. Auch in diesem Jahr könnte mit Moritz Böhringer ein deutscher Spieler über den Draft in die NFL kommen. Haben Sie seinen Weg bisher verfolgt? Kennen Sie ihn vielleicht sogar schon?

Werner: Oh ja, das habe ich mitbekommen. Das NFL Network wollte mich sogar zu seinem Pro Day einfliegen und etwas mit uns zusammen filmen, ich war damals allerdings gerade noch in Deutschland. Wenn er wirklich gedraftet wird oder auch nach dem Draft bei einem Team unterschreibt, öffnet er eine Tür für alle internationalen Spieler. Jeder, der in der NFL ist, hat seine Geschichte. Ganz egal ob Sebastian (Vollmer), Kasim (Edebali), Mark (Nzeocha), Markus (Kuhn) oder ich selbst. Doch diese Geschichte - direkt aus Deutschland gedraftet zu werden - wäre wirklich einmalig.

SPOX: Aber persönlichen Kontakt gab es noch nicht?

Werner: Nein, das NFL Network hat damals meine Agentur kontaktiert und erzählt, dass es da diesen athletischen deutschen Receiver gibt, der bei seinem Pro Day ganz gute Zahlen auflegen könnte. Ich war erst einmal völlig perplex und habe mich gefragt, wie er es geschafft hat, schon so einen Namen zu haben, dass die NFL ihn mit Kamera-Teams begleiten will. Also habe ich ihn erst einmal gegoogelt und habe direkt Artikel gefunden.

SPOX: Und der Pro Day war anschließend ja tatsächlich ziemlich beeindruckend.

Werner: Und wie! Auf Rasen, wo man ja immer etwas langsamer ist als auf Kunstrasen, ist er (im 40-Yard-Sprint) einfach mal eine 4.4 gelaufen. Da hat er wirklich eine krasse Nummer hingelegt, und wie ich ja eingangs schon gesagt habe: So etwas hilft den Spielern, die sehr athletisch sind, dabei, eine Chance zu bekommen. Aber die Hälfte hat er jetzt ja schon geschafft.

SPOX: Inwiefern?

Werner: Damit meine ich: Teams sind an ihm interessiert. Wenn er jetzt irgendwo einen Vertrag erhält, muss er es natürlich auch noch in den finalen Kader schaffen. Aber erst einmal da hinzukommen, das ist ja schon das große Ding - diese Chance zu haben! Da muss man einfach sagen: Hut ab und großen Respekt davor, wie er das geschafft hat. Immerhin hat er einfach mal das College übersprungen! Ich kenne auch einige Jungs aus Kanada. Die fragen sich alle, wie er das hinbekommen hat, denn davon träumt jeder: Eine Plattform zu bekommen, damit du dich beweisen kannst. Auf jeden Fall ist es gut für den deutschen Football und generell den Football außerhalb der USA.

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SPOX: Wie sehen Sie denn seine Chancen? Auf seinem GFL-Tape wird ja vor allem deutlich, wie überlegen er dort physisch war.

Werner: Er muss jetzt erst einmal schauen, dass er bei einem Team unterkommt, aber es scheint, dass er ziemlich gute Chancen hat. Der ganze Hype kommt auch nicht von ungefähr. Ich glaube, dass er definitiv eine Chance bekommt, sich im Training Camp zu zeigen. Und dann muss er sich gegen die Besten beweisen, das ist dann eine ganz andere Geschichte. Aber ein deutscher Receiver aus der GFL direkt in die NFL - er zeigt gerade, dass nichts unmöglich ist!

SPOX: Absolut. Es bestehen gute Chancen, dass er am dritten Tag gedraftet wird. Und dann wird er sich mutmaßlich auch über das Special Team beweisen müssen.

Werner: So schätze ich es auch ein. Klar ist aber: Du musst auch Football-technisch etwas drauf haben. Nur ein krasser Athlet zu sein reicht nicht. Ich selbst hatte mal einen Rugby-Spieler aus Afrika im Team, der Typ bestand eigentlich nur aus Muskeln. Aber er hatte nur wenig Football-Erfahrung und hat sich schwer getan. Football ist ein Sport, in dem du über die Jahre lernst und dein Spielverständnis reifen muss. Das ist nicht wie im Basketball oder im Fußball, wo die jüngeren Spieler meist auch die Besten sind.

SPOX: Für Sie selbst geht es derzeit ebenfalls um die Suche nach einem neuen Team. Gibt es da Neuigkeiten?

Werner: Natürlich hatte ich gehofft, zu diesem Zeitpunkt schon ein neues Team zu haben. Aber dir wird immer wieder klar, dass es eben ein Geschäft ist. Die Leute fragen natürlich, warum ich entlassen wurde. Gleichzeitig muss jetzt auch die richtige Situation her. Das ist ein wichtiges Jahr für mich. Ich konnte aufgrund mehrerer Verletzungen einfach nicht die Leistung bringen, aber als Erstrunden-Pick entlassen zu werden - da stellen andere Teams Fragen. Doch ich werde zu 100 Prozent irgendwo eine Chance bekommen. Das weiß ich.

SPOX: Aber einen konkreten Zeitplan gibt es nicht?

Werner: Ich muss jetzt erst einmal den Draft abwarten. Natürlich will ich schnellstmöglich ein Team und Klarheit, aber ich werde mich wahrscheinlich noch etwas gedulden müssen. Irgendwann werde ich eine Chance bekommen und die muss ich nutzen. Ich will ja auch meine Kritiker widerlegen. Wichtig ist, gesund zu bleiben. Die beiden wichtigsten Regeln in der NFL: Verletze dich nicht und verletze dich nicht.

SPOX: Schauen Sie bei der Team-Auswahl auf das Defensive Scheme? Also eher eine 4-3 als eine 3-4 beispielsweise?

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Werner: Das spielt definitiv eine Rolle. Auf der anderen Seite ist es auch wichtig, wo die Coaches mich am ehesten sehen. Die Gesamtsituation muss einfach passen. Doch egal wo ich hingehe: Erst einmal muss ich es in den Kader schaffen. Natürlich macht das keinen Spaß, aber jetzt bin ich eben in dieser Position und man muss positiv denken.

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