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Vertrauter Feind und neuer Mut

Fletcher Cox ist der herausragende Spieler in Philadelphias Defense
© getty

Die Philadelphia Eagles (6-7) empfangen in Week 15 zur Primetime die Arizona Cardinals (11-2) - und stehen unter Zugzwang. Philly kämpft um die eigene Division, gegen einen nur zu bekannten Gegner müssen die Eagles defensiv eine dringende Baustelle weiter schließen. Arizona auf der anderen Seite kann die Division perfekt machen, SPOX zeigt das NFC-Duell in der Nacht zum Montag (2.30 Uhr) im LIVESTREAM FOR FREE!

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Vorsaison, Week 8: Viel fehlte nicht aus Sicht der Eagles. Es war Third Down, fünf Yards bis zum neuen First Down, bei 1:33 Minuten auf der Uhr. Philadelphia führte mit 20:17 und hatte die Cardinals am Rande einer Niederlage. Doch Arizonas Offense hatte noch ein Ass im Ärmel: Zwei kurze Schritte in der Pocket von Carson Palmer verschafften dem Quarterback Zeit, Palmer ließ den Ball fliegen - und 75 Yards später tanzte John Brown in der Endzone.

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Es war nicht der erste Big-Play-Touchdown, den die Eagles in diesem Spiel schlucken mussten: Schon früh im dritten Viertel hatte Larry Fitzgerald einen kurzen Pass von Palmer 80 Yards in die Endzone getragen, ohne dass er auf dem Weg dahin auch nur einen Tackle-Versuch hätte abwehren müssen. In einem engen Spiel waren es letztlich Arizonas lange Touchdowns, die den Unterschied ausmachten. Das Beunruhigende aus Sicht der Eagles: Es könnte am kommenden Sonntag womöglich ungewollt vertraut aussehen.

"So spielen sie eben"

Arizonas Big-Play-Offense ist in diesem Jahr eine noch deutlich besser geölte Maschine als in der vergangenen Saison. Die Cardinals führen die Liga mit 59 Pässen von mindestens 20 Yards an, keine Offense verzeichnet im Schnitt mehr Yards pro Spiel als Palmer, Fitzgerald und Co. (417,5). "Wir wissen, dass Arizona sechs bis acht lange Pässe pro Spiel versucht. So spielen sie eben und es ist ein Grund dafür, dass sie in vielen Kategorien die Nummer-1-Offense der NFL haben", mahnte Phillys Defensive Coordinator Billy Davis bereits.

Daher sei Ordnung angesagt: "Wir müssen disziplinierter sowie verantwortungsvoller spielen, unsere Aufgaben erfüllen und die Plays machen." Davis' Forderungen passen in das, von neuem Selbstvertrauen geprägte, Bild der vergangenen zehn Tage - und stehen im krassen Gegensatz zu dem Eindruck von vor gerade einmal gut zwei Wochen.

Nacheinander verlor Philadelphia zunächst unnötig zu Hause gegen Miami, um anschließend je 45(!) Punkte von Tampa Bay und den Detroit Lions eingeschenkt zu bekommen. Im Gespräch mit den Journalisten merkte Davis selbst, wie gebetsmühlenartig er sich bereits anhörte. Drei Wochen lang gelobte er Besserung und betonte, dass die Probleme behoben und das Selbstvertrauen wieder hergestellt werden müsse.

Auf dem Weg der Besserung

Umso schwerwiegender war die plötzliche defensive Krise, weil es nicht Chip Kellys (im Vorfeld) hochgelobte Offense um die teuren Neuzugänge Sam Bradford und DeMarco Murray waren, die dieses Team im Rennen um die NFC East hielt - es war und ist die Defense: Wenn die Eagles-Gegner in dieser Saison mehr als 20 Punkte zustande brachten, steht Philly bei lediglich zwei Siegen und fünf Niederlagen.

Gegen angeschlagene Patriots sowie vor allem gegen wütende Bills fing sich die Defense allerdings schrittweise. Maßgeblich getragen wird sie dabei von D-Line-Man Fletcher Cox, der auch am Sonntag Druck auf Palmer ausüben muss. Aber es gab noch weitere Umstellungen.

So wurde Safety Malcolm Jenkins in den Slot zurück versetzt, sobald das Team in die Nickel-Defense (also mit fünf Defensive Backs gleichzeitig) übergeht. Seinen Platz übernimmt dann Ed Reynolds. Jenkins selbst sagt: "Ich bin im Slot produktiver, weil ich näher an der Line of Scrimmage bin. Das hilft dann auch gegen das Running Game." Gegen Tampa Bay und Detroit wollte ihn Davis konstant als Hilfe für die Cornerbacks gegen die großen Outside Receiver. Ein Experiment, das zurecht schnell wieder zu den Akten gelegt wurde.

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Gegen die Cardinals wird er es dann vermehrt auch mit Larry Fitzgerald zu tun bekommen - ein mögliches Schlüsselduell. Und Jenkins fügte hinzu: "Floyd spielt outside, Brown ist ein Speedster, den wir alle noch bestens aus dem vergangenen Jahr kennen. Und Larry spielt im Slot eine herausragende Saison. Jeder muss sein Matchup gewinnen, man kann niemandem bei jedem Snap helfen. Dafür sind Arizonas Receiver insgesamt zu gut."

Kelly will mehr

Und doch: Das Thema bleibt. Auch gegen New England und gegen Buffalo erlaubte Philly zu viele Big Plays. Zwar haben sich die Eagles nach 72 zugelassenen Passspielzügen von mindestens 20 Yards im Vorjahr (der schlechteste Wert der Liga) verbessert und die Zahl aktuell auf 44 runter geschraubt.

Aber auch Kelly, der sich dem Problem in der Offseason annahm, indem er große Teile seiner Secondary austauschte, weiß: "Im letzten Jahr war das unsere Achillesferse. Wir konnten Gegner bei Third Down nicht stoppen und haben zu viele Big Plays zugelassen. Da haben wir uns gesteigert und die Statistiken bestätigen das. Allerdings müssen wir uns da noch weiter verbessern."

Offense unter Zugzwang

Es wird spannend sein zu sehen, ob Philly Arizonas lange Passspielzüge in den Griff bekommt. Zuletzt verlor Minnesota in der Wüste trotz starker Leistung, weil die Cardinals, wie so oft in dieser Saison, doch zwei Big Plays durchbringen konnten. Gelingt das nicht, muss die Offense schritthalten - und zum ersten Mal seit Week 9 in Dallas mehr als 23 Punkte zustande bekommen. (Beim 35:28 gegen die Patriots vor zwei Wochen war die Offense nur für 14 Punkte verantwortlich.)

Immerhin: Sam Bradford wirkte zuletzt verbessert, der Quarterback scheint seit seiner Verletzungspause sicherer in der Pocket. Weiter eine Baustelle bleibt dagegen die Situation rund um DeMarco Murray. Der Running Back ist unzufrieden über seine Rolle, beschwerte sich angeblich bei der Führungsetage über Kelly und gab sich unter der Woche offen: "Ich war noch nie in dieser Situation. Aber wir sind auf dem geteilten ersten Platz in der Division und in dieser Division kommt es immer auf die letzten Spiele im Dezember an. Es geht darum, dir selbst eine Chance auf die Playoffs zu geben."

Beifällig, aber durchhaus bewusst fügte er hinzu: "Natürlich willst du selbst immer die Gelegenheit haben, möglichst viel dazu beizutragen." Für Kelly ist es, grob gesagt, allerdings ein Einzelschicksal, auf das er nur wenig Rücksicht nehmen kann und will. "Ich habe es mir noch nie zur Aufgabe gemacht, individuelle Spieler glücklich zu machen. Unser Ziel ist es immer, Spiele zu gewinnen", erklärte er am Donnerstag. "Wo ich auch war: Ich habe nie einen Coach über so etwas diskutieren hören."

Vertrauter Feind auch umgekehrt

Sieht man, ganz getreu Kellys Vorgabe, von den Einzelschicksalen ab, steht allerdings auch das offensive Scheme in Philadelphia derzeit unter der Lupe. Die Offense der Eagles ist, was die Quantität angeht, nicht sonderlich komplex. Stattdessen baut sie auf Tempo und extrem gute Ausführung, gemäß Kellys Philosophie. Doch die Ausführung passte in dieser Saison viel zu häufig nicht und ob das Tempo gegen Arizonas extrem variable Defense der richtige Ansatz ist, bleibt abzuwarten.

"Wir haben das jetzt schon ein paar Mal gesehen und wissen, was uns erwartet. Man gewöhnt sich daran", erklärte Cards-D-Liner Calais Campbell lapidar. Immerhin gibt es das Duell zwischen Arizona und Philadelphia am Sonntagabend im dritten Jahr in Folge. Safety Tony Jefferson fügte dementsprechend hinzu: "So spielen sie nun mal, aber ich glaube nicht, dass das noch ein sonderlich großes Thema ist."

Darüber hinaus wird Philadelphias Offense im Laufe einer Partie meist langsamer. Die ersten 15 bis 20 Spielzüge sind in der Regel noch per Script im Vorfeld festgelegt und vorgegeben, was das höhere Tempo zu Beginn erklärt. Ohnehin funktioniert Kellys gewünschte Hochgeschwindigkeit nur, wenn die Offense den Ball auch kontinuierlich bewegt. Andernfalls hat man lediglich schnelle Punts und damit einhergehend die Defense viel zu lange auf dem Feld.

Playoffs bleiben realistisch

Am Ende aber wird es, wie schon über weite Teile der Saison, trotzdem primär auf die Defense ankommen, das Spiel eng und die Pässe möglichst kurz zu halten. Gegen Tampa Bay etwa ließ Philadelphia 7,2 Yards pro gegnerischem Spielzug zu - und damit 2,2 mehr als gegen New England sowie 1,2 Yards mehr als gegen Buffalo.

Der Week-14-Hangover: "Was ist mit de Kohlen?"

Und trotz allem, trotz drei Pleiten in den letzten fünf Spielen, trotz zum Teil massiver offensiver Probleme, trotz Gerüchten rund um Kelly und Murray hat Philadelphia sein Playoff-Schicksal komplett in der eigenen Hand. Selbst, wenn es gegen Arizona eine Pleite setzen sollte. Mit zwei anschließenden Siegen gegen Washington und die Giants würde die NFC East an die Eagles gehen, die gute Division-Bilanz macht es möglich.

Und so kann Philadelphia seine eigene Geschichte nach dem Duell mit dem vertrauten Feind Arizona im Vergleich zum Vorjahr umschreiben: Damals setzte es nach fünf Siegen in den ersten sechs Spielen bei den Cards die erst zweite Pleite. Vier weitere Niederlagen folgten, die Playoffs wurden verpasst. Nach bislang maximal durchwachsener Saison könnte das Finale in diesem Jahr genau umgekehrt aussehen.

Der Schedule: Week 15 im Überblick

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