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Time to say Goodbye...

Charles Woodson spielt in Oakland eine phänomenale Saison - es ist seine letzte
© getty

Die NFL verliert einen ihrer ganz Großen: Charles Woodson verkündete zum Wochenbeginn sein Karriereende nach der Saison, das erste von zwei Abschiedsspielen findet in Week 16 gegen die San Diego Chargers statt. Dabei kann Woodson weitere Akzente in einer genauso langen wie erfolgreichen Karriere setzen - eine Karriere, in der nicht immer alles glatt lief. Doch der 39-Jährige selbst hatte nie Zweifel. SPOX zeigt die Partie zwischen Oakland und San Diego in der Nacht zum Freitag (2.25 Uhr) im LIVESTREAM FOR FREE!

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Für Charles Woodson war die Lage eigentlich klar. "Ich erinnere mich, dass ich damals für die Zeremonie nach New York gefahren bin und der Fahrer hatte hinten eine Zeitung liegen. Darin war ein riesiger Artikel über Peyton Manning. Ich habe ihn gelesen und dachte: "Oh wow, ich habe keine Chance." Er war voll des Lobes über Peyton", berichtete Woodson jüngst gegenüber der Sports Illustrated.

Gemeint waren jene Tag im Dezember 1997, als der Defensive Back für die Heisman-Trophy, die Auszeichnung zum besten College-Spieler, nominiert war. Neben Woodson und Manning standen unter anderem Randy Moss und Ricky Williams, genau wie der spätere Draft-Bust Ryan Leaf zur Wahl.

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Unter all den Quarterbacks und Running Backs sah sich Woodson, der einzige Verteidiger, nicht zu Unrecht in der Außenseiterrolle. Dementsprechend realistisch blieb er, "ich dachte mir, dass ich einen schönen Trip mit meiner Familie machen und wir danach wieder heim fahren würden". Doch Woodson schlug Manning. Er wurde der erste Spieler, der den Preis primär als Verteidiger (Woodson kam auch als Punt-Returner zum Einsatz) erhielt.

Das Tuck-Rule-Game

Und trotzdem ahnte kaum jemand, was für eine illustre NFL-Karriere folgen sollte. Neun Pro-Bowl-Nominierungen, die letzte in der aktuellen Saison. Defensive Rookie des Jahres 1998 und elf Jahre später die Wahl zum Defensiv-Spieler des Jahres. Bis heute ist Woodson der einzige Spieler in der Geschichte der NFL mit jeweils mindestens 50 Interceptions und 20 Sacks.

Entsprechend beeindruckend waren schon seine frühen Jahre. Oakland gehörte zum Jahrtausendwechsel zur Ligaspitze, 2001 verpassten sie den Einzug ins Conference-Finale nur knapp: Eine 13:16-Niederlage im Schnee von Foxborough gegen die Patriots bedeutete das Ende, nachdem eine noch immer heftig umstrittene Schiedsrichterentscheidung den Weg für die Pats geebnet hatte.

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Dem jungen Tom Brady wurde der Ball 2:06 Minuten vor dem Ende der Partie aus der Hand geschlagen. Laut der zwei Jahre zuvor beschlossenen sogenannten "Tuck Rule" war der Quarterback auch nicht mehr vor Fumbles geschützt, wenn er die Hand mit dem Ball an den Körper zurück zog. Doch die Refs entschieden nach kurzem Video-Studium, dass Bradys Arm samt Ball nach vorne ging und es somit eine Incompletion und kein Fumble war. Dadurch blieben die Patriots den Ballbesitz und gewannen das Spiel.

Und wer hatte Brady das Ei aus der Hand geschlagen? Natürlich: Charles Woodson. "Wir haben darüber noch nie gesprochen", gab er jüngst zu, "vielleicht werden wir uns irgendwann zusammensetzen und ich frage Tom: "Hey, du dachtest schon, dass das ein Fumble war, oder?" Normalerweise reden wir über andere Dinge, wenn wir uns treffen."

Unbekanntes Territorium

Auch 2002 sollte es einfach nicht sein. Woodson verpasste zunächst acht Spiele aufgrund einer hartnäckigen Schulterverletzung, kurz nach seinem Comeback zog er sich eine Verletzung am Wadenbein zu. Doch für die Playoffs war er wieder fit und zog mit seinen Raiders in den Super Bowl ein - nur um die 21:48-Abreibung durch die Tampa Bay Buccaneers von Ex-Raiders-Coach Jon Gruden live auf dem Rasen mitzuerleben.

Es war gleichzeitig der Anfang vom (vorläufigen) Ende seiner Raiders-Karriere. Die sportlichen Erfolge blieben rasant aus, mehrere Verletzungen plagten den bislang so verlässlichen Verteidiger jetzt. Dennoch erhielt er zwei Mal den Franchise Tag, bis er sich schließlich 2005 das Bein brach. Die Raiders gingen fortan in eine andere Richtung. Und Woodson entdeckte, wenn auch unfreiwillig, eine neue Welt.

Zum ersten Mal in der Karriere des Ausnahmeathleten konnte kaum jemand so wirklich etwas mit ihm anfangen. Lediglich die Tampa Bay Buccaneers sowie die Green Bay Packers zeigten ernsthaftes Interesse an dem hochdekorierten Safety. Woodson unterschrieb im April 2006 schließlich in Green Bay - eine Verpflichtung, die von den Medien damals als riskant und fragwürdig eingestuft wurde, hatte der Defensive Back doch inzwischen eine nicht mehr zu verachtende Verletzungs-Historie. Es gab damals durchaus Fragen danach, ob Woodson überhaupt noch auf seinem eigentlichen, hohen Level spielen konnte, oder ob seine besten Jahre nicht schon vorbei seien.

Der tragische Gewinner

Aber Charles Woodson verbrachte, auch wenn er später offen zugeben sollte, dass ihn Green Bay als Stadt nicht wirklich angezogen hatte, sechs Jahre bei den Cheeseheads. Seine Kritiker strafte er mit acht Interceptions in seiner ersten Saison bei den Packers schnell Lügen, auch wenn es keine sofortige Traum-Ehe war.

Woodson war nicht gerade glücklich darüber, ausgerechnet im kalten, einsamen Wisconsin, weit weg von der Großstadt, zu sein. Eine gewisse Lustlosigkeit konnte er im Training Camp nicht komplett verbergen. Doch es sollte sich bald alles zum Guten wenden. Woodson wurde im Laufe des Jahres zu einem Leistungsträger in der Packers-Defense, lernte Stadt und Menschen lieben, und mauserte sich auch zu einem mehr als nur respektierten Leader innerhalb des Teams.

Nie wurde das deutlicher, als während Super Bowl 45: Die Packers standen den Pittsburgh Steelers gegenüber, kurz vor der Halbzeitpause wehrte Woodson einen Pass von Ben Roethlisberger in Richtung Mike Wallace erfolgreich ab. Doch kam das zu einem hohen Preis: Woodson landete so unglücklich, dass er sich das Schlüsselbein brach. Die Untersuchung in der Kabine gab schnell die traurige Gewissheit.

"Ich kann mich nicht erinnern, schon einmal so sehr geweint zu haben", gab er Jahre später zu Protokoll. Trotzdem richtete er das Wort kurz darauf während der Halbzeit an seine Mitspieler - und brachte nur einen Satz heraus: "Jungs, ihr wisst, wie sehr ich das will." Viel zu emotional sei er für mehr gewesen, gab der Routinier später zu und Safety Charlie Peprah berichtete: "Er konnte kaum etwas sagen, aber die wenigen Worte haben gereicht. Wir wussten, was wir zu tun hatten." Und sie taten es. Die Packers schlugen Pittsburgh, Charles Woodson war Super-Bowl-Champion.

Der Mann des Volkes

Auch ein Super-Bowl-Titel bewahrt einen allerdings im harten Geschäft der NFL nicht vor der drohenden Arbeitslosigkeit, und so fand sich Woodson nur zwei Jahre später erneut auf dem Free-Agency-Markt wieder. Nach sieben Jahren in Green Bay hatten sich die Packers von dem alternden Superstar getrennt, und Woodson dürfte sich an die Zeit nach der 2005er Saison erinnert haben. Wieder nämlich waren die Anfragen überschaubar - um nicht zu sagen: Es gab keine. Erst nach mehreren Monaten zeigte Oakland als einziges Team Interesse.

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Eine Rückkehr zu seiner Alten Liebe? Die Fans ließen jedenfalls nichts unversucht und bettelten Woodson an, nach Oakland zurück zu kehren. Social-Media-Gruppen formierten sich, Fans empfingen ihren früheren Helden bei dessen Treffen mit dem Team mit Spruchbannern und jeder Menge Applaus. Ende Mai schließlich war es soweit, Woodson unterschrieb für ein Jahr und bedankte sich bei seinen Anhängern: "Es war überwältigend. Falls ich je vergessen hatte, wie treu die Leute in Oakland sind, war das definitiv eine Erinnerung daran. Sie hatten großen Anteil daran, dass ich unterschrieben habe."

Aus dem einen Jahr wurden inzwischen bekanntermaßen derer drei, und das nicht aus sentimentalen Gründen. Woodson spielt noch immer auf einem, für sein Alter, ungewöhnlich hohen Niveau, und hat dafür eine einfache Erklärung parat: "Ich denke, die vielen Wiederholungen von allem helfen. Aber wenn man sieht, wie lange Spieler im Schnitt in der Liga bleiben, und ich mir dann meine eigene Situation anschaue - das ist schon verrückt. Ich weiß das wirklich zu schätzen." Überrascht aber sei er davon nicht, wie er der Sports Illustrated mitteilte, "überhaupt nicht. Ich wurde geboren, um das zu machen."

Spieler, Mentor - Receiver?

Zudem sind es nicht nur die Leistungen auf dem Platz, die Woodsons zweite Karriere in Oakland definieren. Der Routinier, der diese Liga und auch die Raiders wie kaum ein Zweiter kennt, hat den jungen Spielern dabei geholfen, sich mit den Raiders zu identifizieren und sich auf dem Platz zurecht zu finden. "Charles beeindruckt mich, weil er sich noch immer Dinge beibringen lässt. Er hat so viel Erfahrung und so viele Fähigkeiten", schwärmte Defensive-Backs-Coach Marcus Robertson, "außerdem hat er keine Angst davor, Plays zu machen. Das färbt zweifellos auf die jüngeren Spieler ab."

Woodson selbst fasste es simpel zusammen: "Triff die richtigen Entscheidungen und sag die richtigen Dinge, damit die jungen Spieler einem guten Beispiel folgen können." Und an guten jungen Spielern mangelt es Oakland derzeit wahrlich nicht. Derek Carr, Khalil Mack und Amari Cooper können auf Jahre hinaus das Rückgrat dieses Teams bilden.

Mack steht in dieser Saison bei 15 Sacks, gegen eine schwache Chargers-O-Line könnten am Donnerstagabend noch einige dazu kommen. Die Offense kann, ohne Playoff-Implikationen, nochmals aufdrehen. Und der Mann, der bei 65 Interceptions steht, könnte daran in seinem letzten Heimspiel als Oakland Raider einen Anteil haben.

Offensive Coordinator Bill Musgrave ließ unter der Woche bereits durchblicken, dass Woodson eine Rolle in der Offense spielen könnte: "Ich weiß es noch nicht, aber wir haben seit Saisonbeginn darüber diskutiert. Vielleicht haben wir da noch einen Plan in der Hinterhand. Es könnte der richtige Zeitpunkt dafür sein." Es könnte wohl kaum einen besseren Zeitpunkt geben, als dieses Heimspiel gegen San Diego. Womöglich ist es gleichzeitig das letzte Spiel zwischen diesen beiden Teams, ehe es für beide nach Los Angeles geht.

"Ich wusste es einfach"

So ist es vielleicht auch kein Zufall, dass sich Woodson ausgerechnet in diesem Jahr dazu entschieden hat, die Pads an den Nagel zu hängen. Am Tag des Auswärtsspiels in Detroit Ende November war sich Woodson sicher: "Ich wachte an diesem Morgen auf und wusste es einfach. Es war irgendwie komisch, aber ich wusste, dass es das war."

Eine letzte Hürde hatte er immerhin einige Wochen zuvor doch noch überwunden: Es dauerte fast 20 Jahre, doch in seiner, wie inzwischen klar ist, letzten NFL-Saison fing Woodson endlich einen Pass von Peyton Manning ab. In gewisser Weise schloss sich so auch der Kreis mit jener Fahrt zur Heisman-Trophy-Auszeichnung 1997.

"Ich hatte eine unglaubliche Karriere", fügte Woodson schließlich hinzu, "das lässt sich mit Worten eigentlich nicht beschreiben. Ich hatte nie beabsichtigt, so lange zu spielen. Aber so ist es passiert und ich bin wirklich dankbar dafür." Fans nicht nur in Oakland und Green Bay können das allzu bereitwillig unterschreiben.

Das SPOX-NFL-Tippspiel, Week 16:

Florian RegelmannStefan PetriAdrian FrankeMarcus BlumbergBastian
Strobl
Chargers @RaidersRaiders ChargersRaidersRaidersRaiders
Redskins @EaglesRedskins RedskinsRedskinsRedskinsRedskins
49ers @LionsLionsLions LionsLionsLions
Steelers @RavensSteelersSteelers SteelersSteelersSteelers
Cowboys @BillsBillsBills BillsBillsBills
Bears @BuccaneersBuccaneers BearsBuccaneersBuccaneersBuccaneers
Panthers @FalconsPanthersPanthers PanthersPanthersPanthers
Browns @ChiefsChiefsChiefs ChiefsChiefsChiefs
Colts @DolphinsDolphinsDolphins DolphinsColtsColts
Patriots @JetsPatriotsPatriots PatriotsPatriotsPatriots
Texans @TitansTexansTexans TexansTexansTexans
Jaguars @SaintsSaintsSaints JaguarsSaintsSaints

Packers @Cardinals

Cardinals CardinalsCardinalsPackersCardinals
Rams @SeahawksSeahawksSeahawks SeahawksSeahawksSeahawks
Giants @VikingsVikingsVikings VikingsVikingsVikings
Bengals @BroncosBroncos BengalsBroncosBroncosBengals
Week 15:10-612-412-4

12-4

13-3
Insgesamt143-81136-88141-83128-96

129-95

Der Schedule: Week 16 im Überblick

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