NFL

"Umkleide so groß wie deutsche Sporthalle"

Von Interview: Alexander Maack
In der German Football League spielt Christian Bollmann für die NewYorker Lions aus Braunschweig
© Imago

Wide Receiver Christian Bollmann wurde von den Detroit Lions zum NFL-Tryout eingeladen. Im SPOX-Interview berichtet er von der größten Chance seines Lebens, seiner Begegnung mit Ndamukong Suh und erklärt, was einen GFL- von einem NFL-Quarterback unterscheidet.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

SPOX: Herr Bollmann, Sie waren vor kurzem in den USA und haben ein Probetraining bei den Detroit Lions absolviert. Die Gelegenheit sich auf diese Art für einen Vertrag in der NFL anzubieten, hatten bisher nur wenige Deutsche. Wie kam es überhaupt dazu?

Christian Bollmann: Es ging alles sehr, sehr schnell. Ich habe an einem Sonntag erfahren, dass ich zum Probetraining eingeladen bin und sollte in den nächsten zwei Tagen rüberkommen. Natürlich habe ich erst mal geschluckt und mich gefragt, ob die das wirklich ernst meinen. Als ich aber einen Anruf und ein E-Mail bekommen hatte, von wo ich losfliegen möchte, hatte ich realisiert, dass es ernst ist.

SPOX: Ihr jetziger Coach, Philipp Hickey, hatte Sie in Detroit empfohlen. Wussten Sie davon?

Bollmann: Wir hatten darüber gesprochen. Aber als er mir sagte, dass er versuchen will, mich in ein Tryout in der Profiliga NFL zu bringen, habe ich gedacht, dass das nicht klappt. Das war für mich sehr weit hergeholt.

SPOX: Demzufolge war ihr Umfeld sicher begeistert?

Bollmann: Ich habe das geheim gehalten. Ich wollte nicht als Idiot dastehen, der groß rumgeprahlt hat, wenn es nicht geklappt hätte. Meine Eltern und meine engsten Freunde wussten zwar Bescheid, aber meinem Team habe ich erst kurz vor dem Abflug per E-Mail mitgeteilt, dass ich die nächsten zwei Trainingseinheiten nicht da bin. So war ich nicht allzu nervös und musste keinem Fragen beantworten.

SPOX: Wie verlief der Aufenthalt in Detroit?

Bollmann: Nach dem Medizincheck ging es direkt zum Trainingsgelände, wo ich zum Essen gebracht wurde. Als ich da ankam und vor dem Eingangsbereich des Geländes stand, war ich sehr beeindruckt. Das ist alles riesig. Allein wie groß die Umkleide ist - ich glaube, so groß ist eine der größten Sporthallen in Deutschland. Beim Essen habe ich dann noch Ndamukong Suh gesehen, der echt sehr groß und breit ist. Im Fernsehen sieht der schon sehr groß aus, aber in echt wirkt der noch imposanter.

SPOX: Wie war denn die Atmosphäre?

Bollmann: Ich habe mit ein paar Trainern geredet, die sich das Tryout von der Seite angeguckt haben. Die meisten haben gefragt, wie Football in Deutschland funktioniert - ohne Highschool und College. Da habe ich erst mal über den Sport in Deutschland informiert. Die Trainer konnten überhaupt nicht verstehen, dass man außerhalb der USA hauptsächlich arbeiten oder zur Uni geht und Football nur nebensächlich ist. Die Atmosphäre war also sehr locker.

SPOX: Was mussten Sie beim Try-Out leisten?

Bollmann: Das Training hat mit einem 40-Yard-Dash, also einem Sprint angefangen. Ich habe mit zwei anderen Wide Receivern, trainiert, die gerade Free Agents sind. Dann kam der Quarterback Kellen Moore, der von den Detroit Lions nach dem letzten NFL-Draft aufgenommen wurde, und hat für uns die Bälle geworfen. Das war schon cool.

SPOX: Am Ende hat es mit dem Profivertrag in den USA nicht geklappt. Waren Sie enttäuscht?

Bollmann: Das kann ich sehr gut verkraften. Ich bin ein Typ, der gerne die Herausforderung annimmt und versucht, am Limit zu arbeiten. Ich mag es, wenn man mir Kritik gibt, mit der ich arbeiten kann. Außerdem bin ich nicht mit der Erwartung hingefahren, dass gesagt wird: "Hier ist dein Vertrag, hier ist dein ganzes Geld. Schön dich hier zu haben." Ich wollte zeigen, was ich kann und habe auf einen Platz im Practice Squad gehofft, um mich zu beweisen.

SPOX: Wie haben Sie von der Entscheidung gegen Sie erfahren?

Bollmann: Direkt nach dem Training hatte ich ein Gespräch mit dem General Manager Martin Mayhew. Er hat mir gesagt, dass sie mich nicht direkt unter Vertrag nehmen. Meine Zeit beim 40-Yard-Sprint war nicht optimal. Ich bin 4,7 Sekunden gelaufen, 4,5 wären ideal gewesen. Es könnte aber sein, dass ich nachrutsche, wenn sich ein Spieler im Trainingscamp verletzt.

SPOX: Die Hoffnung ist also noch da?

Bollmann: Natürlich. Die ist immer da. Seitdem ich in Detroit war, habe ich einen größeren Ansporn, mich jeden Tag zu verbessern. Die Anforderungen in der NFL sind sehr hoch, aber ich konnte mit den beiden anderen Receivern beim Try-Out sehr gut mithalten. Ich arbeite jetzt an meiner Schnelligkeit und bekomme hoffentlich noch mal eine Chance. Wenn ich diesen Anruf bekomme, will ich in meiner besten Form sein.

SPOX: Bei den Detroit Lions spielt auch einer der derzeit besten Receiver der NFL: Calvin Johnson. Megatron. Haben Sie vor der Reise darüber nachgedacht, wie es wäre, mit ihm zusammen zu spielen?

Bollmann: Diese Gedanken habe ich mir gar nicht gemacht. Allein, dass das Training gut verlaufen ist und dass ein NFL-Team auf mich aufmerksam geworden ist, ist ein unglaublich schönes Gefühl. Calvin Johnson ist aber mein Vorbild. Er ist die Anspielstation in dem Team, ein super Athlet. Wenn ich irgendwann mal athletisch auch nur in seine Nähe komme, wäre das genial.

SPOX: Wenn Sie sich neben Calvin Johnson als Teamkollegen auch noch einen Quarterback aussuchen könnten, mit dem Sie zusammen spielen dürften, wer wäre das?

Bollmann: Peyton Manning, wegen seiner Passgenauigkeit. Man läuft als Receiver seine Route, macht seine Hände auf und wie aus Zauberhand ist der Ball schon da. Diese Genauigkeit habe ich noch bei keinem anderen gesehen.

SPOX: Wo liegen eigentlich die Unterschiede zwischen dem Footballspiel in Deutschland und in den USA?

Bollmann: In der NFL ist es so, dass die Spieler sehr viele Videos gucken und sehr aufs Timing achten müssen. Die Bälle kommen genau da an, wo sie laut Plan hin sollen. Da kommt es auf Geschwindigkeit und Perfektion an, was jeden Tag trainiert wird. In Deutschland hat man langsamere Leute und das Spiel ist nicht so schnell. Die deutschen Spieler sind körperlich vielleicht bei 60 Prozent, wenn man sie mit den NFL-Profis vergleicht. Dadurch ist es für die Quarterbacks, die aus Amerika kommen und vorher im College gespielt haben, sehr schwer sich umzugewöhnen.

SPOX: In Deutschland spielen Sie für die Braunschweig Lions. Können Sie als von Ihrem Sport leben?

Bollmann: Nein. Unser Trainer möchte keinen deutschen Spieler bezahlen. Es gibt Boni, wenn man gewinnt. Man kann die Kosten, die man reinsteckt minimieren, aber das war's. Ich studiere Umweltingenieurwesen, gehe jeden Tag zur Uni und trainiere mindestens einmal täglich für mich allein und dreimal die Woche mit dem Team.

SPOX: Derzeit läuft es für ihr Team noch nicht so gut. Welche Ziele haben Sie in dieser Saison noch?

Bollmann: Die ersten beiden Niederlagen waren sehr unglücklich. Im Prinzip haben uns Strafen und individuelle Fehler die Siege gekostet, allerdings sind wir auch ein sehr junges Team. Die Playoffs sind noch unser Ziel. Die haben dann ihre eigenen Gesetze.

Die Ergebnisse der Detroit Lions in der Saison 2011/2012

Artikel und Videos zum Thema