NFL

Es wird so wild wie noch nie!

Von Jan-Hendrik Böhmer
Rookie Cam Newton, Oldie Brett Favre und Free Agent Kevin Kolb stehen vor dem NFL-Start im Fokus
© Getty

Der Lockout in der NFL ist vorbei, es gibt eine Saison 2011/2012. Millionen Fans atmen auf. Doch wie geht es jetzt weiter? Was heißt das alles für Teams und Spieler? Und wer hat vielleicht sogar einen Vorteil? SPOX beantwortet die wichtigsten Fragen zur kommenden NFL-Saison.

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Wie geht es jetzt weiter?

Bereits am Dienstagmorgen kehren die Spieler zu ihren Teams zurück - und ziemlich sicher gehen erste Trades über die Bühne. Denn die Zeit drängt.

Besonders Quarterbacks müssen schnell wechseln, damit sie möglichst viel Zeit haben, sich an das System ihres neuen Teams zu gewöhnen. Ganz oben auf der Liste stehen dabei prominente Namen wie Kyle Orton (Broncos), Kevin Kolb (Eagles), Matt Hasselbeck (Seahawks) und Marc Bulger (Ravens).

Außerdem dürfen die Klubs ab Dienstag ihre Rookies unter Vertrag nehmen. So viel Geld wie in der Vergangenheit wird dabei allerdings nicht fließen, da die Liga-Neulinge nach einem neuen Regelsatz (abhängig von ihrer Draft-Position) bezahlt werden. Außerdem kann mit allen Free Agents der Liga verhandelt werden (unterschrieben werden dürfen diese Verträge allerdings erst am Freitag).

Am Mittwoch beginnt bei den ersten zehn Teams dann das Training Camp. Darunter die Patriots, Cowboys und Eagles. Die Steelers (28. Juli), Packers (29. Juli) sowie die übrigen Teams der Liga ziehen bis zum Ende der Woche nach.

Ab dem 28. Juli dürfen die Teams außerdem nicht mehr erwünschte Spieler vor die Tür setzen.

Erwischen wird es dabei auch einige Stars - wie etwa bei den Baltimore Ravens. Dort müssen mit Running Back Willis McGahee, Tight End Todd Heap und Receiver Derrick Mason gleich drei einstige Leistungs- und/oder Hoffnungsträger gehen. Die Cowboys haben sich gerade von Roy Williams und Marion Barber getrennt.

So richtig losgehen kann die Saison für alle gewechselten Spieler allerdings erst nach dem offiziellen Start der neuen Saison. Und der ist erst am 4. August - vorausgesetzt, die letzten rechtlichen Hürden werden bis dahin aus dem Weg geräumt. Heißt konkret: Spieler dürfen zwar wechseln und beim neuen Team die Schulbank drücken, aufs Feld dürfen sie vorerst aber nicht.

Das erste Spiel der neuen Saison sollte eigentlich mit dem "Hall of Fame Game" zwischen den Chicago Bears und den St. Louis Rams am 7. August in Canton, Ohio steigen. Tut es aber nicht. NFL-Commissioner Roger Goodell sagte es wegen des Lockouts vor kurzem ab. Preseason-Kickoff ist nun am 11. August das Spiel zwischen den Seattle Seahawks und den San Diego Chargers.

Welche Spieler sind zu haben?

"Machen sie sich bereit für die wildeste Free Agency in der Liga-Geschichte". Das schreibt NFL-Experte John Clayton bei "ESPN". Und er hat Recht. Mehr als 400 Spieler sind als Free Agents ohne Vertrag - und das so kurz vor dem Saisonstart.

Darunter befinden sich zahlreiche Hochkaräter wie zum Beispiel Raiders-Cornerback Nnamdi Asomugha, der von Houston und Tampa Bay umworben wird. Oder aber Santonio Holmes. Die Jets sind offenbar bereit, viel Geld in eine Wiederverpflichtung des Receivers zu bezahlen.

Ebenfalls zu haben sind unter anderem Ray Edwards (DE, Vikings), Sidney Rice (WR, Vikings), DeAngelo Williams (RB, Panthers), Braylon Edwards (WR, Jets) und viele weitere - wie zum Beispiel Brett Favre.

Kein Scherz. Der Offseason-Drama-Dauerbrenner der letzten Jahre sorgt auch jetzt wieder für Schlagzeilen. Angeblich sind die Philadelphia Eagles an einer Verpflichtung des Routiniers interessiert, weil sie nach dem zu erwartenden Abgang von Ersatzquarterback Kevin Kolb einen neuen Backup für Michael Vick benötigen.

Und während Favres Agent Bus Cook noch kräftig dementiert, sprach Vick bereits davon, dass es eine Ehre wäre, mit Favre zu spielen. NFL-Analyst Bucky Brooks meint sogar: "Favre hätte mit den Eagles eine Chance auf den Super Bowl."

Hintergrund: Der 41-Jährige kennt Eagles-Coach Andy Reid, Offensive-Coordinator Marty Mornhinweg und ihre West-Coast-Offense aus der gemeinsamen Zeit in Green Bay.

Wer hat die größten Probleme?

Eine verkürzte Preseason bedeutet weniger Zeit, um neue Spieler zu integrieren, ein neues System einzustudieren oder ein komplettes Team umzukrempeln.

Und das heißt konkret: Alle Teams, die sich im Umbruch befinden, haben Probleme; die Sorgenkinder 2010 sind auch die Sorgenkinder 2011. Schließlich hatten die Spieler und Trainer keine Zeit, etwas am Zusammenspiel zu verbessern (von einigen privat organisierten Trainingssitzungen abgesehen).

Besonders hart trifft der Lockout zum Beispiel die Minnesota Vikings. Coach Leslie Frazier (war zuletzt Interimslösung) hatte keine Zeit, seine Ideen zu vermitteln und seine neu zusammengesetzte Offensive (sowohl Spieler als auch Coaches) zu testen; hinter Rookie-Quarterback Christian Ponder steht ein großes Fragezeichen.

Zwar bekam er im April ein Playbook überreicht, doch niemand vom Team konnte jemals die Spielzüge mit ihm durchgehen. Kein Wunder, dass sich Minnesota sofort nach einem erfahrenen Spielmacher umsah, und in Donovan McNabb einen geeigneten Kandidaten gefunden zu haben scheint. Die Washington Redskins sind offenbar bereit, dass Arbeitsverhältnis zu beenden und McNabb zutraden.

Und die Vikings sind keine Ausnahme. Die Arizona Cardinals haben nichtmal einen Starting Quarterback, die Cleveland Browns befinden sich mit einem Rookie-Coach mitten im Umbruch.

Am schlimmsten trifft es aber die Carolina Panthers. Neuer Trainer, neue Offensiv- und Defensiv-Systeme und ein extrem junges und uneingespieltes Team. Viel schlimmer als im letzten Jahr (zwei Siege) kann es allerdings kaum werden.

Welche Teams sind im Vorteil?

Wenn alle Gurken-Teams des Vorjahres wieder Probleme haben, heißt das dann im Umkehrschluss, dass die Top-Teams von 2010 wieder ganz vorne mit dabei sind? Ja, genau das heißt es!

Die Packers hatten es als Super-Bowl-Champion im Gegensatz zu vielen anderen Teams nicht einmal nötig, sich in der Offseason zu kleinen Privat-Trainings zu treffen. Warum auch. Oberste Priorität war es, gesund zu bleiben.

Der Grund: Bis auf die Rookies kennen alle Spieler das System, seit sechs Jahren spielen die Packers unter Coach Mike McCarthy. Zudem besteht kaum der Zwang, die neuen Spieler sofort zu integrieren. Prinzipiell (von möglichen Free-Agent-Abgängen einmal abgesehen) könnten die Packers sofort mit dem Super-Bowl-Team des Vorjahres antreten - und wären von Tag 1 konkurrenzfähig. Ein enormer Vorteil.

Blog: Das sind die Aufgaben der AFC-North-Klubs in der Free-Agent-Phase

Gleiches gilt etwa für die Pittsburgh Steelers, Baltimore Ravens und einige andere. Auch Teams wie die Saints, die viele von Spielern organisierte Workouts hatten, sollten zum Saisonstart gut aufgestellt sein.

Was bedeutet der neue Deal?

Vor allem bedeutet er: viele komplizierte rechtliche Verwirrungen. Die lassen wir an dieser Stelle aber außen vor und konzentrieren uns darauf, was das neue Collective Bargaining Agreement für den Sport bedeutet. Hier sind einige der wichtigsten Punkte:

  • Das Salary-Cap steht bei 120,375 Millionen Dollar (ca. 83,2 Millionen Euro)
  • Die altbekannte Free Agency ist zurück. Die Spieler müssen vier Jahre (2010 waren es sechs) Jahre unter Vertrag stehen, um als Unrestricted Free Agents mit anderen Teams verhandeln zu dürfen. In diesem Jahr sind damit 448 Spieler auf dem Markt.
  • Weniger Geld für Rookies: Die Zeiten, in denen ein Sam Bradford 50 Millionen Dollar vor seinem ersten NFL-Pass verdienen konnte, sind vorbei. Mehr als 50 Prozent der teilweise horrenden Vertragssummen sollen dadurch eingespart werden. Und: Es soll fairer werden. Denn: Alle Rookies bekommen künftig Vierjahresverträge mit einer ihrer Draft-Position und dem durchschnittlichen Gehalt ihrer Spielposition angepassten Entlohnung. Ein Beispiel: Top-Rookie Cam Newton bekommt für seine ersten vier Jahre 15 Millionen Euro. Auch lange Verzögerungen bei der Vertragsunterschrift wie zuletzt etwa bei Michael Crabtree bei den San Francisco 49ers gehören der Vergangenheit an. Sollten Spieler oder Agenten die Verhandlungen künstlich in die Länge ziehen, werden sie bestraft.
  • Höheres Minimalgehalt: Das dürfte besonders die Spieler aus der zweiten Reihe sowie viele Routiniers freuen: zehn bis zwölf Prozent mehr Gehalt. Wer nicht im Rampenlicht steht, hatte in der NFL bisher auch einen kleineren Verdienst - viele Spieler (besonders auf körperlich belastenden Positionen in den Lines) fürchteten, dass sie nach ihrer oft nicht sonderlich langen Karriere nicht für ihre Familien sorgen können. Das soll sich jetzt ändern. Die Minimal-Bezüge der Spieler wurden angehoben. Von 330.000 Dollar für einen Rookie bis hin zu 910.000 Dollar für einen Routinier mit mehr als 10 Jahren Erfahrung.

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