NBA

"Dirk wird die ganze Zeit gehalten"

Von Florian Regelmann
Dirk Nowitzki wurde von den Thunder extrem physisch verteidigt
© Getty

Das Drama von Spiel 1 hat gezeigt: Die Serie zwischen den Oklahoma City Thunder und den Dallas Mavericks hat das Potenzial, ein echter Klassiker zu werden. Und zwar ein wilder. Mavs-Coach Rick Carlisle ist sauer über die Verteidigung gegen Dirk Nowitzki, gibt vor Spiel 2 (Die., 3.15 Uhr im LIVE-TICKER) aber auch eigene Fehler zu. Kevin Durant entwickelt sich zum Closer.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Die Mavericks führten Ende der ersten Halbzeit mit sechs Punkten Vorsprung (51:45) und hatten noch mal für einen letzten Angriff den Ball, als Dirk Nowitzki mit Serge Ibaka um die Position kämpfte und ein Offensiv-Foul gepfiffen bekam.

Die Folge war ein Dreier kurz vor dem Buzzer durch Ibaka und Momentum für OKC. Statt einer Acht- oder Neun-Punkte-Führung betrug der Vorsprung nur drei Zähler.

Und alles wegen eines katastrophalen Calls der Referee-Crew. Bevor sich Nowitzki mit dem Ellenbogen wehrte, war er von Ibaka bearbeitet und gehalten worden. Es war nur eine von mehreren Szenen, in denen Nowitzki weit davon weg war, von den Refs eine Superstar-Behandlung zu bekommen. Ein ganz normaler ordentlicher Call hätte hier aber auch schon gereicht.

So war es auch kein Wunder, dass Mavs-Coach Rick Carlisle nach dem Spiel versuchte, für den weiteren Verlauf der Serie eine klare Message an die Referees zu schicken.

"Sie versuchen, ihn in seinem Rhythmus zu stören. Sie packen ihn, sie halten ihn. Die Szene vor der Pause war ein typisches Beispiel dafür. An Dirk wird herumgezerrt, er reagiert einfach nur auf all den Kontakt und bekommt das Foul", so Carlisle über die extrem physische Defense gegen seinen Franchise-Player.

Nowitzki gibt sich diplomatisch

Und weiter: "Ich sehe das jetzt seit vier Jahren. Dirk Nowitzki ist der am schwierigsten zu verteidigende Spieler in der Liga, weil er den Schuss trifft, wenn der Verteidiger zurückweicht und die Hände wegnimmt. Deshalb wird er die ganze Zeit gehalten. Wirklich die ganze Zeit."

Nowitzki erzielte zwar 25 Punkte, hatte aber fast so viele Turnover (6) wie Field Goals (8) auf seinem Konto. Zwei Ballverluste in den letzten 90 Sekunden, als die Thunder Kendrick Perkins gegen ihn stellten und James Harden zum Doppeln dazu kam, waren besonders bitter.

Der Deutsche zeigte sich mehrmals frustriert mit den Entscheidungen der Refs, fand nach dem Spiel aber diplomatische Worte. "Ich spreche immer sehr viel mit den Refs während des Spiels. Aber meine Art ist es, mich danach nicht mehr zu beschweren. Das werde ich auch jetzt nicht tun", erklärte Nowitzki.

Der 33-Jährige weiß: Egal, was die Refs machen, in Spiel 2 wird es vor allem auf ihn ankommen. Nowitzki muss sich bewusst sein, dass er nicht erwarten kann, dass sein Supporting Cast, allen voran Jason Terry und Shawn Marion, noch mal so überragend spielt.

Dallas braucht dominanteren Nowitzki

Nowitzki wird es richten müssen. Das ist die Wahrheit. Denn man darf aus Sicht der Mavs auch nicht vergessen, dass fast alles für sie gelaufen ist, dass sie bis auf wenige Minuten im Prinzip das bessere Team waren und es dennoch nicht gereicht hat. Dallas schoss mehr Freiwürfe (25:20), griff sich mehr Rebounds ab (42:36), sowohl defensiv als auch offensiv, und profitierte noch dazu von einer Off-Night von Kevin Durant (10/27 FG).

So ein Spiel muss dann eigentlich gewonnen werden. Doppelt bitter wird es, wenn man bedenkt, dass die Mavs normalerweise nie verlieren, wenn sie vor dem letzten Viertel in Führung liegen (31-2-Bilanz). Dieses Mal ist es passiert.

"Wir müssen unser eigenes Glück schmieden. Im letzten Jahr waren es immer wir, die am Ende des Spiels das eine Play oder den einen Bounce mehr auf unserer Seite hatten. In dieser Saison verlieren wir jetzt plötzlich zu viele enge Spiele. Es ist hart", meinte Nowitzki.

Die Mavs könnten die Niederlage auf großes Pech schieben. Angesichts des glücklichen Bounces, der den Game-Winner von Durant 1,5 Sekunden vor Schluss in den Korb fallen ließ, wäre das sogar noch menschlich verständlich. Es wäre aber zu einfach.

Carlisle: "Wir hätten ihn doppeln sollen"

Nur die Fehler der Mavs ermöglichten es überhaupt, dass Durant die Chance hatte, das Spiel für sein Team zu gewinnen.

Carlisle: "Durant hat einen großartigen Wurf getroffen. Die einzige Sache, die wir hätten machen können, wäre gewesen, ihn zu doppeln und den Ball aus seinen Händen zu bekommen. Es ist offensichtlich, dass wir das hätten tun sollen. Das geht auf meine Kappe, dafür übernehme ich die Verantwortung."

Für Durant war der getroffene Off-Balance-Jumper zum Sieg der nächste Schritt auf seiner Evolutionsstufe zu einem der größten Spieler aller Zeiten. Es ist nicht ungewöhnlich, dass auch Stars Zeit brauchen, bis sie zum Closer reifen.

Da muss man nur Nowitzki fragen, der diese Rolle zu Beginn seiner Karriere verweigerte und Steve Nash und Michael Finley alle Big Shots nehmen ließ. Erst als diese Beiden weg waren und er dazu gezwungen wurde, wuchs Nowitzki in die Closer-Rolle hinein und ist heute ohne Zweifel einer der zwei, drei Besten überhaupt.

Brooks: "Das ist sein Job"

Ähnlich scheint es bei Durant zu laufen. In den letzten beiden Jahren haben Statistiker errechnet, dass er bei Würfen, die in den letzten fünf Sekunden potenziell eine Führung einbringen können, nur eine 4/18-Quote vorweisen kann.

"Große Spieler treffen schwierige Würfe. Das ist sein Job", sagte Thunder-Coach Scott Brooks. Durant gibt selbst offen zu, dass er mit 23 Jahren auch nach dem dritten Scoring-Title in Serie noch viel zu lernen hat.

"Ich bin immer noch dabei zu lernen. Seit ich in der Liga bin, lerne ich dazu. Ich bin ins Feuer geworfen worden. Meine Teamkollegen erwarten von mir, dass ich im letzten Viertel Plays mache. Ich versuche das umzusetzen, egal wie das Spiel vorher für mich gelaufen ist", sagte Durant.

Ein weiteres Zeichen für Durants Entwicklung war allein schon der Fakt, dass er vor seinem letzten Wurf die Dreierlinie überschritt. In der Vergangenheit hat er sich zu häufig damit begnügt, nach dem Einwurf ein kurzes Dribbling zu starten und dann einen langen Dreier loszulassen.

Wo war Terry im letzten Viertel?

Diesmal schaltete er den Attackier-Modus ein, zog in Richtung Korb und manövrierte sich in eine Position nahe der Freiwurflinie, aus der er mit dem nötigen Touch eines Shooters den Wurf treffen konnte.

Durant wurde also zum Helden, Nowitzki drehte im Nowitzki-Style im letzten Viertel auf, aber es bleibt vor allem eine Frage übrig: Wo war denn bitte Jason Terry im letzten Viertel?

Wie kann es denn um Gottes Willen passieren, dass Terry, der komplett "in the zone" war und bekanntermaßen einer der besten Crunchtime-Player der NBA ist, in den letzten 10 Minuten und 51 Sekunden nicht einmal auf den Korb geworfen hat?

Aus Thunder-Sicht lautet die Antwort: Weil wir umgestellt haben und Russell Westbrook Terry haben verteidigen lassen. Aus der Sicht von Carlisle war aber eher jemand anders daran schuld. Er selbst.

Carlisle klagt sich selbst an

"Hört zu, es ist mein Job, ihm mehr Würfe zu verschaffen, wenn er so gut drauf ist. Das habe ich zu verantworten", gestand Carlisle ein. Auch Nowitzki war bedient: "Wir müssen einen Weg finden, um Jet den Ball zu geben. Ich hasse es, so ein Spiel von ihm zu verschwenden. Er war on fire."

Insgesamt war die Partie in der kochenden Chesapeake Energy Arena klar das Highlight des ersten Playoff-Tages. Und es sieht alles danach aus, als würde diese Serie auch ein Highlight bleiben.

Schon die Serie im letzten Jahr, die Dallas in fünf Spielen gewann, war eng. Kein Spiel wurde mit mehr als 9 Punkten Unterschied entschieden. Und auch in Spiel 1 dieser Serie führte kein Team zu keinem Zeitpunkt mit mehr als acht Punkten Vorsprung.

"Das wird eine großartige Serie. Es wird ein Klassiker, bei dem in jedem Spiel ein oder zwei Possessions den Ausschlag geben werden. Ich brenne schon wieder. Ich bin bereit. Ich wünschte, ich könnte heute Abend gleich noch mal spielen", fasste es Terry vielleicht am besten zusammen.

Die Depression in Chicago

Alle Mavs-Fans sollte zudem daran denken, dass Spiel 1 am Ende zwar ein schmerzvolles Erlebnis war, aber Dallas trotzdem nicht die Mannschaft ist, die zum Playoff-Auftakt die schlimmste "Niederlage" einstecken musste. Das sind die Bulls, dabei haben die sogar gegen die 76ers gewonnen.

Der Kreuzbandriss von Derrick Rose war viel schlimmer als eine Niederlage je sein kann, er hat eine komplette Stadt, die auf eine Championship gehofft hatte, in eine tiefe Depression gestürzt. Gut möglich, dass sich die Bulls auch ohne den MVP gegen Philadelphia durchsetzen werden, aber danach ist spätestens Endstation.

Die Chance, dass die Bulls ohne Rose die zweite Runde - wahrscheinlich gegen Boston - überstehen, tendiert gegen Null. Im Vergleich dazu ist die Situation der Mavs noch deutlich hoffnungsvoller.

Der komplette Playoff-Spielplan

Artikel und Videos zum Thema