NBA

Kobe vs. Dirk: Wer ist der bessere Closer?

Von Florian Regelmann
Wer führt sein Team ins Western-Conference-Finale? Dirk Nowitzki oder Kobe Bryant?
© Getty

Kobe Bryants verworfener Buzzer-Beater in Spiel 1 hat eine Debatte losgetreten: Ist Dirk Nowitzki in der Crunchtime besser als der Lakers-Superstar? Die Statistiken sind bemerkenswert. Bryant reagiert mit Sarkasmus.

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"I'm not clutch." Es ist die Aussage, die vor Spiel 2 der Serie zwischen den Lakers und Mavericks die Schlagzeilen bestimmt. Und sie stammt von einem sarkastischen Kobe Bryant. Der Superstar ist eigentlich als Mr. Clutch bekannt, als der beste Closer im Basketball-Universum. Seine Liste an Buzzer-Beatern ist lang. Sehr lang. Wenn es in die Crunchtime geht, dann trifft Kobe. Nicht so aber in Spiel 1 der Western-Conference-Halbfinal-Serie gegen Dallas.

Dass Bryant den offenen Dreier mit dem Buzzer nicht getroffen und die Lakers zum Sieg geschossen hat, war in gewisser Weise fast schon schockierend. In den US-Medien ist daraufhin sogar jetzt die Debatte entstanden, ob Dirk Nowitzki nicht der bessere Clutch-Performer ist.

Nicht von der Hand zu weisen ist auf jeden Fall eine interessante Statistik. Seit Spiel 3 der Lakers-Erstrundenserie gegen Utah 2009 hat Bryant in den letzten 24 Sekunden eines Spiels fünf Würfe in Folge nicht getroffen, die das Spiel entweder ausgeglichen oder sogar die Führung bedeutet hätten.

Damit aber nicht genug. In den USA werden bekanntlich jede Menge Statistiken geführt. So auch für die sogenannten "clutch moments". Heißt: Wie sind die Stats eines Spielers in den letzten fünf Minuten eines knappen Spiels (nicht mehr als fünf Punkte Unterschied)?

Statistik spricht gegen Bryant

In diesen Momenten läuft es für Bryant in den diesjährigen Playoffs so überhaupt nicht. Seine Quote: 20 Prozent, 6 Treffer bei 30 Field-Goal-Versuchen (0/12 von der Dreierlinie). Sein Plus-Minus-Wert: -51. Bryant trifft die entscheidenden Würfe nicht mehr. Nowitzkis Zahlen (50 Prozent aus dem Feld, +50.4) sind deutlich besser.

Erstaunlicherweise betrifft das nicht nur die laufenden Playoffs. Kein Spieler war in den letzten 15 Jahren in der Crunchtime effizienter als Nowitzki (38,8 Prozent, 26/67 FG), auch Bryant (31,6 Prozent, 37/117) nicht.

Wenn man sich daran erinnert, dass Nowitzki zu Beginn seiner Karriere die Verantwortung lieber an Steve Nash oder Michael Finley weitergab, ist das doch eine bemerkenswerte Entwicklung.

"Ich fühle mich inzwischen wohl, wenn ich am Ende den Ball in den Händen habe. Ich liebe es jetzt sogar. Das macht den Sport doch aus", sagt Nowitzki. "Er will die Verantwortung haben, Spiele zu gewinnen. Ich habe drei Jahre lang mit Larry Bird zusammen gespielt, als er der beste Spieler auf dem Planeten war. Als Coach habe ich Reggie Miller erlebt. Und Dirk tickt genauso", lobt Mavs-Coach Rick Carlisle seinen Franchise-Player.

GMs wählen immer Bryant

Das Crunchtime-Duell zwischen Bryant und Nowitzki ist auf jeden Fall ein großes Thema der Serie, aber trotz allem würde sicherlich niemand auf die Idee kommen, Bryant für die Lakers-Pleite verantwortlich zu machen.

Man kann getrost davon ausgehen, dass fast jeder Coach in der NBA in der letzten Sekunde Bryant den Ball in die Hände drücken würde.

In einer Umfrage unter den General Managern der NBA zur Frage "Wen hätten sie gerne für den letzten Schuss, wenn das Spiel auf der Kippe steht?" stimmten 79 Prozent für Bryant. Es war schon das x-te Mal in Serie, dass Bryant diese Wahl ganz eindeutig gewann.

Dass er diese Wahl immer und immer wieder gewinnt, hat er in erster Linie seiner Reputation zu verdanken.

Bryant hat schon viele fantastische Game-Winner getroffen, aber er hat auch schon viele entscheidende Würfe daneben gesetzt. Statistisch lässt es sich jedenfalls nicht erklären, warum Bryant der bessere Closer als Nowitzki sein sollte.

Im Gegenteil: Bryant-Kritiker argumentieren, dass es der gegnerischen Defense in den Schlussphasen leicht gemacht wird, weil absolut jeder Zuschauer in der Halle sowieso weiß, dass Bryant den Ball nicht abspielen, sondern selbst abschließen wird. Hat Bryant einmal den Ball, wirft er auch. Das ist erstes Lakers-Gesetz.

Lakers-Offense mit riesigen Problemen in der Crunchtime

Tatsächlich gehören die Lakers auch zu den Teams, deren Offense in der Crunchtime am meisten nachlässt. Spiel 1 war der klassische Beweis. Es wäre Nonsens, die Niederlage an Bryant festzumachen, aber seine Zahlen zeigen, dass die Lakers ein grundsätzliches Problem in der Art und Weise haben, wie sie ihre Spielzüge in den letzten Minuten laufen.

Es war phasenweise erschreckend, wie eindimensional und ohne jegliche Bewegung die Lakers ihre Sets durchspielten bzw. sie eben nicht durchspielten und nur auf Isolation Plays mit Bryant-Power setzten.

Bryant nahm in der zweiten Halbzeit 17 Würfe - zehn mehr als die zweitaktivsten Lakers-Spieler im ganzen Spiel nahmen. Bryant wollte aber nichts davon wissen, dass er zu dominant gewesen sei: "Mit mir hatte das nichts zu tun. Gar nichts. Ich hatte schon Spiele, in denen ich 30 Würfe genommen habe und Pau (Gasol) dennoch gleichzeitig in der Offensive stark war. Unsere zweite Fünf muss den Ball besser zu Pau und Andrew (Bynum) unter den Korb bringen. Aber mit mir hat das nichts zu tun."

In Sachen Bynum hat Bryant Recht. Der Center, der Dallas in der Regular Season noch dominiert hatte, war so gut wie kein Faktor. "Ich habe kein gutes Spiel gemacht. Ich werde in Spiel 2 so viel aggressiver sein, es wird ganz anders laufen", verspricht Bynum Besserung.

Mavs-Stärke oder Lakers-Schwäche?

Ganz anders laufen muss es aus Lakers-Sicht auch in der Verteidigung von Nowitzki. Pau Gasol sah überhaupt kein Land - es ist davon auszugehen, dass Lamar Odom oder auch Ron Artest mehr gegen Nowitzki verteidigen werden.

Ob es dann für den amtierenden Champion besser aussehen wird, bleibt abzuwarten. Denn irgendwie scheinen diese Mavs eine ganz andere mentale Stärke zu besitzen als die Versionen aus den vergangenen Jahren.

Nach einem 16 Punkte-Rückstand zu Beginn der zweiten Halbzeit hätten die Mavs im letzten Jahr das Spiel im Staples Center wahrscheinlich mit 30 verloren. Jetzt haben sie es gedreht. Ob das nun eher mit ihrer Stärke oder der Schwäche der Lakers zu tun hatte, liegt im Auge des Betrachters. Aber klar ist, dass die Mavs überzeugt sind, das Loser-Label abgestreift zu haben.

"Ganz ehrlich, ich kann es nicht mehr hören. Seit ich in Dallas bin, muss ich mir anhören: 'Die Mavs sind soft. Die Mavs sind soft.' Aber das sind nicht die alten Mavs, die sich aufgegeben haben, wenn man sie herumgeschubst hat. Das ist ein anderes Team", erklärt Tyson Chandler.

Nowitzki: "Wir sind mental stärker geworden"

Chandler weiß, dass die Mavs immer noch gegen ihren Ruf kämpfen. Es ist immer noch so, dass man bei Mavs-Spielen fast darauf wartet, bis sie wieder etwas unglaublich Dämliches anstellen. Selbst Spiel 1 war nicht frei davon, wenn man daran denkt, wie Jason Terry Lamar Odom an der Mittellinie beim Dreierversuch gefoult hat. Aber sie finden dennoch Wege, um die Spiele zu gewinnen.

"Wir sind mental stärker geworden. Das hat sich nach unserem Zusammenbruch in Spiel 4 in Portland ja auch gezeigt. Auf welche Art und Weise wir da zurückgekommen sind und zwei ganz kritische Spiele in Folge gewonnen haben. Obwohl uns jeder schon für tot erklärt hat. Wir sind ein Haufen erfahrener Spieler, die in dieser Liga schon viel mitgemacht haben", sagt Nowitzki.

Noch traut man dem Braten vielleicht nicht so richtig, aber man stelle sich vor, die Mavs würden auch Spiel 2 in Los Angeles stehlen und mit einer 2-0-Führung zurück nach Dallas fliegen... Die Lakers haben in ihrer Geschichte nur zwei von 18 Serien gewonnen, wenn sie die ersten beiden Spiele verloren haben.

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