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"Wir brauchen einen angepissten Marion"

Von SPOX
18 Punkte und herausragende Defense: Shawn Marion war der Star von Spiel 3
© Getty

Die Dallas Mavericks holen sich mit einem Auswärtssieg bei den Oklahoma City Thunder in Spiel 3 die Führung in der Serie zurück. Shawn Marion wird zum Mann des Spiels, nachdem er zuvor heftige Kritik hatte einstecken müssen.

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Dirk Nowitzki ist über weite Strecken der schlechteste Spieler auf dem Feld und die Dallas Mavericks gewinnen dennoch? Wie um alles in der Welt ist das denn bitte möglich? Ganz einfach: Weil sein Superstar-Pendant Kevin Durant mindestens genauso schlecht und in der entscheidenden Phase im Gegensatz zum Deutschen unsichtbar war.

Und warum hatte Durant solche uncharakteristisch großen Schwierigkeiten und lieferte eine der ineffizientesten 24-Punkte-Performances (7/22 FG, 0/8 Dreier) ab, die man sich nur vorstellen kann? Wieder gibt es eine einfache Antwort: Shawn Marion.

Marion hatte sich in den Video-Sitzungen nach Spiel 2 so einiges an Kritik anhören müssen. Von seinen Mitspielern. Von den Coaches. Niemand wollte akzeptieren, dass Marion viel zu wenig aggressiv aufgetreten war. Dass Dallas gegen Oklahoma City seine zwei mit Abstand schlechtesten Defense-Leistungen in der Postseason abgeliefert hatte, stand in direkter Verbindung mit der mangelhaften Leistung von Marion.

Der Starting-Small-Forward nahm sich die Kritik zu Herzen und war in Spiel 3 von der ersten Sekunde an super-aggressiv. Er trieb nicht nur Durant zur Verzweiflung, er war mit 18 Punkten auch offensiv ein ganz wichtiger Faktor. Welcome back, Shawn!

Marion diesmal ohne Foulprobleme

"Wir brauchen einen angepissten Marion. Er muss aggressiv sein und seine Slasher-Fähigkeiten einsetzen. Wir wollen nicht den glücklichen Trix. Mir gefällt der böse Marion. Von mir aus kann er auch stinksauer auf uns alle sein, solange er so spielt wie heute", sagte Tyson Chandler.

Und weiter: "Er hat Kritik einstecken müssen, aber er war Mann genug, um sie zu akzeptieren. Er hat nicht den Schwanz eingezogen und sich versteckt. Er ist wie ein richtiger Kerl raus gegangen und hat eine großartige Leistung gebracht."

Es war auffällig, wie sehr Marion schon im ersten Viertel ins Spiel eingebunden war. Mit 8 schnellen Punkten hatte er seinen Anteil daran, dass die Mavs sofort die Kontrolle übernahmen und nach den ersten zwölf Minuten für Ruhe in der Oklahoma City Arena sorgten (27:12).

Entscheidend: Marion geriet im Gegensatz zu den ersten beiden Spielen nicht früh in Foulprobleme. "Die ersten beiden Fouls haben mir im ersten Viertel immer alles kaputt gemacht. Ich kann nicht der Aggressor an beiden Enden des Courts sein, wenn ich nach fünf Minuten immer mit zwei verdammten Fouls vom Feld gehen muss. Was soll ich dann machen? Dann muss ich aufpassen, nicht das dritte zu kassieren und kann nicht so aggressiv sein. Heute konnte ich das", erklärte Marion den Umschwung.

Die Thunder versagen von Downtown

Ein Umschwung, der umso beachtlicher war, wenn man bedenkt, dass Backup-Center Brendan Haywood die Team-Defense noch am Morgen am Rande des Trainings scharf kritisiert hatte. Haywood war auch die Coaches direkt angegangen, weil es "niemals im Leben" passieren dürfte, dass Durant von Peja Stojakovic verteidigt wird. Am Abend gaben die Mavs auf dem Feld die richtige Antwort.

"Wenn unsere zwei Top-Guns, Jet und ich, nicht gut treffen und wir trotzdem das Spiel gewinnen, ist das ein klarer Verdienst unserer Defense", meinte auch Nowitzki. Es war nicht nur die Defense von Marion gegen Durant, es war zum Beispiel auch die Defense von Jason Terry gegen James Harden.

Der Sixth Man der Thunder hatte Dallas in Spiel 2 gekillt, diesmal fand er praktisch nicht statt (nur 7 Pünktchen). Außer Durant und Topscorer Russell Westbrook (30 Punkte) beendete kein Thunder-Akteur das Spiel im zweistelligen Punktebereich.

Größte Schwachstelle bei OKC war ohne Zweifel die absolut grauenhafte Quote von der Dreierlinie (1/17). Die Thunder verballerten ihre ersten 16 Versuche von Downtown - und bei allem Lob für die Mavs-Defense muss auch gesagt werden, dass einige dieser Versuche sehr wohl offener Natur waren.

Nowitzki bekommt kaum Freiwürfe

Wie krass die Dreier-Schwäche der Thunder war? Die Chance, dass ein Team, das in der Regular Season knapp 35 Prozent von der Dreierlinie geschossen hat, seine ersten 16 Dreierversuche daneben setzt, beläuft sich bei ca. 1-1000.

Das ändert aber alles nichts daran, dass die Mavs von Beginn an mehr Energie hatten und das hungrigere Team waren. Sie spielten wie eine Mannschaft, die sich bewusst ist, dass sich ihr Zeitfenster, um eine Meisterschaft zu gewinnen, langsam schließt.

Nur aufgrund dieser Einstellung konnte es Dallas überhaupt verkraften, dass Nowitzki so ein schwaches Spiel machte. Nowitzki hatte seit 18 Spielen nicht mehr so eine schlechte Quote - ein Spiel mit 7 Turnovers hatte er sogar seit Anfang der Regular Season nicht mehr.

"Die Thunder spielen großartige Defense gegen ihn, auch wenn es meiner Meinung nach manchmal über den legalen Rahmen hinausgeht", sagte Mavs-Coach Rick Carlisle, nachdem Nowitzki in Spiel 3 nur ganze drei Mal an der Freiwurflinie stand. In Spiel 1 hatte er bekanntlich 24 Freiwürfe geschossen und getroffen.

Collison wird unterschätzt

Dass die Thunder mit ihrer physischen Spielweise sozusagen "davonkamen", war aber nur ein Grund für das schwache Spiel von Nowitzki. OKC fand auch taktisch ein Mittel, das Nowitzki vor Probleme stellte. Es ist allgemein bekannt, dass Nowitzki bevorzugt nach links zieht.

Die Thunder versuchten, genau das mit aller Macht zu verhindern - und mit einer Kombination aus Nick Collison und guter Help-Defense gelang es auch größtenteils sehr gut. Bis Nowitzki sich darauf einstellte und sich entschied, nach rechts zu gehen. Dennoch: Die Mavs sind durchaus beeindruckt von der Thunder-Defense.

"Collison ist ein Spieler, der extrem unterschätzt wird. Ich habe ihn in der ganzen Memphis-Serie beobachtet. Da hat er gegen Zach Randolph einen phänomenalen Job gemacht, als es darauf ankam. Wir sprechen hier von einem der besten Post-Defender im Basketball", zollte Carlisle dem Thunder-Power-Forward Respekt.

Auch weil Collison eben so formidabel spielt, wird sich Thunder-Coach Scott Brooks vor Spiel 4 Gedanken machen müssen. Denn zwei Sachen scheinen klar: Collison muss mehr als 24 Minuten auf dem Feld stehen. Und: Kendrick Perkins sollte weniger als 30 Minuten auf dem Feld stehen.

Perkins ein großes Problem

In den 82 Minuten, die Perkins in der Serie bis jetzt auf dem Parkett stand, lautet das Plus-Minus-Rating der Thunder: -32. Ohne Perkins dagegen: +23. Nun wäre es ungerecht, alle Schuld auf den OKC-Center zu schieben, aber es hat sich gezeigt, dass sein Matchup gegen Chandler für die Thunder aufgrund seiner Schnelligkeits-Defizite ein echtes Problem ist.

Genauso problematisch ist die Personalie Thabo Sefolosha. Da Dallas keinen überragenden Scorer auf dem Flügel hat, kommt die große Defense-Stärke des Schweizers so gut wie gar nicht zum Tragen.

Noch ein Fakt, der alle Thunder-Fans beunruhigen wird. In 76 Prozent aller Fälle hat die Mannschaft, die Spiel 3 einer zuvor ausgeglichenen Serie gewonnen hat, dann auch die Serie für sich entschieden. Was sollte OKC also überhaupt noch Mut machen?

In erster Linie Russell Westbrook. Es gibt aktuell keinen Spieler in der NBA, der so unter Beobachtung steht wie der Thunder-Point-Guard. Auch in Spiel 3 haben findige Statistiker wieder herausgefunden, dass Westbrook in den ersten drei Vierteln 12 Mal den Ball nach vorne brachte und nicht einmal abspielte. Im letzten Viertel verweigerte Westbrook sogar 10 Mal einen Pass.

Die Thunder-Hoffnung heißt Westbrook

Bei aller berechtigter Kritik an der Eigensinnigkeit von Westbrook sollte man aber auch die andere Seite der Medaille betrachten. Und die sagt einem zum Beispiel, dass die Thunder die Partie ohne Westbrook haushoch verloren hätten.

Ohne ihn hätten sie nicht den Hauch einer Chance gehabt. Es ist offensichtlich geworden, dass die Mavs absolut keine Chance haben, Westbrook davon abzuhalten, zum Korb durchzukommen. Westbrook war im letzten Viertel phasenweise in der Lage, das Spiel komplett zu dominieren.

"Russell ist ein überragender Spieler. Das ganze Gerade über ihn muss endlich aufhören", sagte Sefolosha. Westbrook könnte den Mavs also im Verlauf der Serie (Spiel 4 am Di. um 3 Uhr im LIVE-TICKER) noch Kopfzerbrechen bereiten, ansonsten herrscht im Dallas-Lager aber verständlicherweise Zufriedenheit vor.

Die defensive Identität, die in den ersten Spielen noch vermisst worden war, ist wiedergefunden worden. Eine positivere Erkenntnis konnte es nach Spiel 3 nicht geben. Oder wie es Carlisle zusammenfasste: "Wir haben heute zum ersten Mal in der Serie eine Defense gespielt, die auf Championship-Niveau war."

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