NBA

"Dirk Nowitzki ist der G.E.E."

Von Haruka Gruber
Jubel in schwarz-rot-gold: Die Mavs-Fans feiern Dirk Nowitzki
© Getty

NBA-Legende Magic Johnson fühlt sich an Michael "Air" Jordan erinnert, während er den brillanten Dirk Nowitzki beim Erfolg in Oklahoma City beobachet. NBA-Kollegen lassen den Maverick hochleben. Superstar-Kontrahent Kevin Durant hingegen muss sich verteidigen und sich in Spiel 5 (Do., 3 Uhr im LIVE-TICKER) verbessern, sonst droht das frühe Aus.

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Vor einigen Tagen führte die "Dallas Morning News" eine Umfrage unter ihren Lesern durch: Welcher Spitzname passt am besten zu Dirk Nowitzki?

Zehn Namen standen zur Wahl, darunter abgedroschene (Dirkules), recht kreative (The Human Mismatch, Sergeant Swish), eher amüsante (The Bavarian Bomber) oder auch politisch nicht akzeptable (The Fadeaway Führer). Gewonnen hatte "ReDirkulos", angelehnt an das englische Wort "ridiculous", weil Nowitzki so lächerlich gut sei.

Nach seiner 40-Punkte-Performance, die das dramatische 112:105 nach Verlängerung in Spiel 4 bei den Oklahoma City Thunder ermöglichte, kam ein weiterer Vorschlag auf, diesmal von einem NBA-Kollegen.

"Dirk ist der G.E.E. - der größte europäische Basketballer ever. Entschuldigung an Arvydas Sabonis. Das ist meine bescheidene Meinung", twitterte Shane Battier, der mit seinen Memphis Grizzlies leidvoll 3-4 gegen die Thunder in der Runde zuvor ausgeschieden war. Die Mavs hingegen dominieren die Serie gegen OKC und führen 3-1 - entsprechend fällt die Ehrerbietung aus.

Magic erinnert Nowitzki an Jordan

Nicht nur bei Battier oder Kings-Forward DeMarcus Cousins, der ebenfalls eine Twitter-Ode an Nowitzki verfasst hatte. Sondern selbst bei NBA-Legenden wie etwa Magic Johnson. Der TV-Experte von "ESPN" fing mit einem "Dirk, du bist definitiv der MVP dieser Playoffs" an, bevor er ein langgezogenes "Wooooooow!" hinterherschickte.

Johnson weiter: "Der Junge ist unglaublich, was er für Würfe auf einem Fuß stehend, aus der Balance trifft... das ist fantastisch. Ich habe so etwas nicht mehr gesehen seit den Tagen von Michael Jordan, als er so dominiert hat wie derzeit Dirk."

Dem Unbeteiligten, der in den Playoffs noch kein Spiel der Mavs live gesehen hat, könnten Johnsons Worte übertrieben vorkommen - aber es fällt schwer, ihm tatsächlich zu widersprechen. Seine 48 Punkte in Spiel 1 gegen die Thunder waren ein Muster an perfekter Effizienz. Seine 40 Punkte in Spiel 4 hingegen mehr ein Beweis seines unbeugsamen Willens zum Widerstand.

Durant setzt sich in die Nesseln

Oklahoma City bestimmte dreieinhalb Viertel das Geschehen und führte bis 4:49 Minuten vor dem Ende der regulären Spielzeit mit 15 Punkten (99:84), nachdem Kevin Durant einen Dreier verwandelt hatte. Der Thunder-Star wendete sich daraufhin im sicheren Glauben des Siegs an die Zuschauer und band sich nach Vorbild von Football-Star Aaron Rodgers einen imaginären Championship-Gürtel um die Hüfte.

Ein Akt der übertriebenen Schaustellung, das so gar nicht zum sonst bescheidenen Durant passt und ihm wohl nachhängen wird, sollte OKC tatsächlich ausscheiden. Zumindest hätte es von Nowitzki als Provokation aufgefasst werden können, nach eigenen Angaben sah er jedoch Durants Gebaren nicht, weil er sich auf das Spiel konzentrieren wollte.

Nowitzki glaubte als einer der wenigen an die Wende - und stellte selbst sicher, dass diese auch gelingt. Dank eines abschließenden 17:2-Laufs und 12 Nowitzki-Punkten retteten sich die Mavs in die Verlängerung, in der sie gegen die ausgelaugten und hysterisch werdenden Thunder für die Entscheidung sorgten.

Grandioser "Zirkus-Wurf" von Nowitzki

All seine Vorzüge wurden in einer Szene ersichtlich: Dallas liegt noch 94:101 zurück, Nowitzki im Ballbesitz, entschlossenes Dribbling von der linken Seite zum Korb, eng gedeckt vom vorzüglich verteidigenden Gegenspieler Nick Collison. Serge Ibaka, bester Blocker der Playoffs, kommt Collison zu Hilfe, beide behindern mit ihren langen Armen die Sicht und den Wurfwinkel Nowitzkis - aber dieser stoppt kurz ab, springt auf einem Bein komisch ab, wirft aus der Balance und verwandelt den "Circus Shot" zum Erstaunen aller.

"Er trifft Dreier aus der Bedrängnis, er trifft nach einer Drehung und auf dem falschen Fuß stehend in Bedrängnis, er trifft an der Grundlinie stehend aus der Bedrängnis mit zwei Verteidigern. Er hat das Kommando übernommen", sagte Thunder-Coach Scott Brooks.

Der Gepriesene selbst hielt sich wie gewohnt zurück. Als er auf Johnsons Kompliment angesprochen wurde, sprach er lieber über sein schwaches Rebounding in der Thunder-Serie (nur 5 im Schnitt). Das Emotionalste war noch folgende Äußerung: "Es war ein großartiges Comeback. Eines der besten Comebacks in einem wichtigen Spiel, seit ich in Dallas bin."

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200 Mavs-Fans empfangen die Mannschaft

Wesentlich begeisterter die Reaktion der Fans, alleine 200 von ihnen empfingen die Mavs-Charter-Maschine bei der Ankunft in Dallas am Dienstagmorgen um 1.30 Uhr. Und auch Nowitzkis Mitspieler sind euphorisiert nach dem Sieg von statistischer Besonderheit. In den letzten 15 Jahren vermochte es keine Mannschaft, in den Playoffs einen Rückstand von 15 Punkten in den letzten 5 Minuten wettzumachen.

"Das war ein Moment in dieser Saison, der uns definiert. Wenn wir zurückblicken, werden wir sagen: 'Hey, das war genau dieses Spiel'", sagte Jason Terry. "Es gibt Momente, in denen unser Mut und unsere mentale Stärke im Inneren gestestet werden. Das war einer dieser Augenblicke."

Es klingt noch immer kurios, aber: Die Mavs sind mittlerweile eines der toughsten Teams der NBA. Die Regular Season berücksichtigt gewann Dallas alle vier Partien in Oklahoma City, eines der berüchtigsten und lautesten Arenen ligaweit. Auf die Playoffs bezogen war es der fünfte Auswärtssieg in Serie nach den Erfolgen bei den Blazers und bei den Lakers, ebenfalls als extrem heimstark bekannt.

Dallas behält die Ruhe, OKC gerät in Panik

Ein Schlüssel der Mavs: die Coolness. Obwohl Dallas in den 48 Minuten regulärer Spielzeit nie in Führung lag, blieben sie ruhig. Was einerseits dazu führte, dass vor allem beim miserablen Rebounding die Intensität fehlte. Andererseits war diese Abgeklärtheit ein wichtiger Faktor für die Aufholjagd. Während die Thunder zunehmend in Panik verfielen, spielte Dallas dem hohen Altersschnitt gemäß weise und durchdacht.

Zu sehen alleine an der Auszeit kurz vor Ende des vierten Viertels, die Jason Kidd nach dem Marion-Block gegen Durant geistesgegenwärtig sofort nahm, bevor die Spieluhr ablief. Oder wie Jason Terry in der Verlängerung weit in die eigene Hälfte sprintete und dort vom einwerfenden Kidd angespielt wurde, um wertvolle Sekunden zu schinden.

"In den Auszeiten wurde immer wieder gesagt, dass noch genug Zeit vorhanden ist. Fünf Minuten, drei Minuten. Wir trauten es uns zu, noch zu scoren und die Gegenspieler zu stoppen", sagte Kidd.

Obwohl in der Geschichte der NBA in 133 Fällen 131 Teams in die nächste Runde zogen, wenn sie wie Dallas 3-1 in Führung gegangen waren und in Spiel 5 Heimvorteil genossen haben, mahnte Coach Rick Carlisle vor verführter Freude auf die Finals. Unablässlich hält er seine Spieler dazu an, sich nicht vom Erfolg täuschen zu lassen und die Konzentration auf einem hohen Level zu halten. "Wir alle haben schon zahlreiche Kriege durchgestanden. Deswegen wissen wir es zu schätzen. Aber wir bleiben bescheiden und gehen mit aller Kraft ins 5. Spiel."

Durant ballert wahllos drauf

Ob die Thunder mit der ähnlichen Attitüde in Dallas antreten werden, scheint nach dem jüngsten Zusammenbruch fraglich. Besonders Durant wirkte gebrochen: "Ich habe alle hängengelassen. Ich habe die Stadt hängengelassen."

In Spiel 4 griff das selbe Phänomen wie in der vorherigen Partie: Durant kann beizeiten nahezu mühelos punkten, doch wenn Dallas den Druck in der Mann-gegen-Mann-Verteidigung erhöht, indem der 22-Jährige beispielsweise bis zur Mittellinie aggressiv gedoppelt wird, verliert er seine Fassung - und nimmt plötzlich unerklärliche Würfe, die kaum Aussicht auf Erfolg haben.

So wie beim möglichen Gamewinner-Dreier kurz vor dem Buzzer im vierten Viertel, als sich Durant verrannte, trotz enger Bewachung warf und böse von Marion geblockt wurde. "Ich bekam den Ball an der Mittellinie und hatte nur noch 3 Sekunden Zeit. Ich wusste nicht, was ich sonst hätte machen sollen", sagte Durant, der sich wie von Dallas prognostiziert auf seinen Sprungwurf verließ, statt zu penetrieren.

Auch Westbrook keine Hilfe

"Er wird versuchen, zum Korb zu kommen, aber am Ende des Tages ist er eben Durant. Ein Jump-Shooter, der viele Dreier und Mitteldistanzwürfe nimmt", sagte bereits vor dem Spiel DeShawn Stevenson, einer seiner Bewacher.

Nachdem Durant den Mavs in den ersten 5 Minuten 10 Punkte bei perfekter Quote (5/5) eingeschenkt hatte, gelangen ihm im weiteren Spielverlauf inklusive der Verlängerung nur noch 4 weitere Treffer bei 13 Fehlwürfen. Dazu unterliefen ihm 9 Turnover. Keine Entlastung war Spielmacher Russell Westbrook, der mit seiner hektischen Spielweise zum Chaos bei den Thunder beitrug.

Was bleibt, ist die Hoffnung. Durant insistiert: "Es ist noch nicht vorbei."

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